RESET-Dossier: Satelliten und Drohnen – Wertvolle Helfer im Umwelt- und Klimaschutz

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© ESA
Flächenbrände über Oregon, 2020, aufgenommen von Sentinel-2.

Tausende Satelliten umschwirren unseren Planeten, ihre Dienste sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Auch im Umwelt- und Klimaschutz sind sie unverzichtbar geworden. Wenn da nicht die Sache mit dem Weltraummüll wäre... In unserem neusten Dossier widmen wir uns den Sternstunden und Schattenseiten von Satelliten und Drohnen aus Nachhaltigkeitsperspektive.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 19.11.20

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut:

Vor wenigen Monaten hat die Entdeckung von elf bisher unbekannte Pinguin-Kolonien für Schlagzeilen gesorgt. Gefunden haben sie die Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2 der Copernicus-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Kurz darauf haben Forschende mithilfe von Satellitenbildern eine unerwartet hohe Anzahl an Bäumen – 1,8 Milliarden Bäume! – in einer der trockensten Regionen der Welt, der Sahara, aufgedeckt.

Aus Astronautensicht werden die wenigsten von uns jemals die Erde sehen. Dennoch haben wir heute alle ein genaueres Bild unseres Heimatplaneten als jemals zuvor, denn Satelliten übermitteln unermüdlich Bilder- und Daten aus dem All – und sie liefern immer wieder neue Erkenntnisse.

Aus unserem Alltag sind viele der Informationen und Services der Erdtrabanten kaum mehr wegzudenken. „Die Hälfte der Apps auf unseren Smartphones zum Beispiel hängen mit Daten aus dem Weltraum zusammen. Das kann die Fernsehübertragung sein, das Telefongespräch selber, die Wettervorhersage und natürlich die Navigation“, betont Holger Krag, der bei der europäischen Raumfahrtagentur (ESA) das Programm für Weltraumsicherheit leitet, gegenüber RESET.

Rasante Entwicklungen in der Weltraumbranche

Knapp 2.700 Satelliten umkreisten im März 2020 in Höhen zwischen 300 und 36.000 Kilometern die Erde – und es werden nahezu täglich mehr, denn die Weltraumbranche ist aktuell ordentlich in Bewegung.

Jahrzehntelang war die Bauweise der oft mehr als zwei Tonnen schweren Erdtrabanten und der Transport ins All so aufwendig und teuer, dass nur wenige Weltraumorganisationen und Unternehmen auf dem Gebiet mitmischen konnten. Doch jetzt erobern kleine Trabanten, wie zum Beispiel die würfelförmigen Cubesats, den Orbit. Geschrumpfte Schaltkreise, hochauflösende Mini-Kameras, immer leistungsfähigere Batterien und Solarzellen machen das möglich. Die Mini-Satelliten sind meistens zwar limitierter in ihren Fähigkeiten, dafür aber nur wenige Kilogramm schwer und schon ab einer Größe von 10 Zentimetern „alltauglich“.

Die Leichtgewichte können problemlos in großen Mengen ins All transportiert werden; das amerikanische Unternehmen Planet Labs zum Beispiel hat seit 2014 mittlerweile 331 Erdbeobachtungssatelliten in die Umlaufbahn gebracht, 150 davon allein 2018, jeder Satellit kaum schwerer als 5 Kilo. Und das von Elon Musk geleitete Raumfahrtunternehmen SpaceX plant für ein weltumspannendes Satellitenetzwerk in den nächsten Jahren tausende Satelliten in den Orbit zu befördern: Bis zum Jahr 2027 hat das Unternehmen befristete Genehmigungen für den Start von 11.927 Satelliten erhalten sowie Anträge für nochmals bis zu 30.000 Satelliten bei der Federal Communications Commission (FCC) gestellt.

NASA CubeSats werden aus der ISS „entlassen“.

Viele der Satelliten reisen heutzutage per Anhalter ins All, denn beim Start großer Satelliten oder anderer Weltraummissionen verkaufen viele Raketenbetreiber Mitfluggelegenheiten. Das minimiert die Startkosten enorm und ist insbesondere für kleinere Satellitenbetreiber eine Eintrittspforte ins All. Zudem arbeiten neben SpaceX auch Startups wie Rocket Lab daran, den Transport von Satelliten mit kleinen, neuartigen Raketen noch günstiger machen.

Möglich geworden sind diese Entwicklungen nicht nur durch neue Technologien, sondern auch durch eine Öffnung innerhalb der Raumfahrt: „Die entscheidende Welle kam, als die NASA und dann auch die anderen staatlichen Stellen in Amerika auf private Anbieter gesetzt haben“, sagt Marco Fuchs, Chef des Bremer Raumfahrt- und Technologiekonzerns OHB. „Die traditionellen Industrien waren offenkundig nicht dynamisch genug. Es gab keinen Wettbewerb. Mittlerweile haben sich die NASA und die Air Force, die die ganzen militärischen Satelliten startet, geöffnet. Sie waren bereit, Elon Musk, aber auch andere einzuladen und am Ende auch Aufträge zu vergeben.“

Satelliten im Auftrag von Umwelt- und Klimaschutz

Die jüngsten Entwicklungen in der Weltraumbranche haben auch für Schub bei Forschungsinstitutionen, Startups, NGOs und andere zivilgesellschaftliche Akteure gesorgt.

Satelliten, die mit hochmoderner Kameraausrüstung ausgestattet sind, können noch nie dagewesene Aufnahmen von der Erde liefern und ermöglichen Forschenden, riesige Gebiete in nur einem Augenblick zu erfassen. Dies machen sich Forschende des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie im Rahmen des Projekts Cop4SDGs zu nutze, indem Nachhaltigkeitsindikatoren mithilfe von Satellitenfernerkundung erfasst und besser verifiziert werden sollen. Hierfür nutzen sie die Satellitendaten des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus, das von der Europäischen Kommission (EK) und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gegründet wurde und dessen Informationen in den Themenbereichen Landüberwachung, Überwachung der Meeresumwelt, Katastrophen- und Krisenmanagement, Sicherheit, Überwachung der Atmosphäre und Überwachung des Klimawandels allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung stehen. Das Herzstück sind die für Copernicus gebauten Sentinel-Satelliten. Eine ausführliche Beschreibung des Projekts findest du in diesem Artikel: Cop4SDGs – Monitoring der UN-Nachhaltigkeitsziele mit Satelliten.

 ESA Aufnahme des Lenadeltas, des größten Flussdeltas in der Arktis (Copernicus Sentinel-1 Mission).

Mit ihren speziellen Ausstattungen können Satelliten inzwischen auch Dinge messen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind, wie etwa Luft- und Meeresverschmutzung. Der 2017 gestartete Sentinel-5P-Satellit der ESA verfügt beispielsweise über ein Instrumentarium, mit dem verschiedene Schadstoffe in der Erdatmosphäre gemessen werden können. Sowohl die NASA als auch die ESA nutzen in ihren Programmen SMOS (Soil Moisture and Ocean Salinity) bzw. Aquarius diese Erkenntnisse, um die Ozeanversauerung vom Weltraum aus zu messen. Und in einem Paper, das in Nature Scientific Reports veröffentlicht wurde, stellte ein Forschungsteam der Plymouth Marine Laboratory (England) und der Universität der Ägäis (Griechenland) dar, wie hochauflösende Satellitenbilder genutzt werden können, um „Makrokunststoffe“ (Kunststoffe mit einer Größe ab fünf Millimetern) in Meeren und Ozeanen aufzuspüren und zu identifizieren.

Doch nicht nur die öffentlich zugänglichen Daten der Satelliten-Missionen großer Raumfahrtagenturen liefern neue Erkenntnisse im Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch neuartige Minisatelliten: Das US-Unternehmen Bluefield hat eine Technologie entwickelt, die Satellitentechnik und optische Verfahren vereint, um Methan-Lecks zu entdecken. Dafür werden etwa rucksackgroße Satelliten mit optischen Sensoren ausgestattet, um weltweit die Daten von Methanemissionen zu erfassen. Mehr dazu in diesem Artikel: Bluefield – Methan-Lecks mit Satelliten aufdecken. Und die Satellitenbildspezialisten von Planet haben rund 175 Miniatursatelliten gestartet, die verschiedene Organisationen mit tagesaktuellen, hochauflösenden Bildern in einem bisher nicht gekannten Ausmaß versorgen können, um unter anderem illegale Waldrodungen zu verhindern.

Exkurs: Drohnen – fliegende Helfer bei Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen

Noch ein anderer autonomer Flugkörper hat aktuell ordentlich Aufwind im Umwelt- und Klimaschutz: Drohnen. Während Satelliten in der Erdbeobachtung besonders dafür geeignet sind, einen Überblick über große Gebiete, das „big picture“ zu liefern, zoomen Drohnen noch näher ran –und können dabei helfen, gefährdete Tiere in Afrikas Savannen vor Wilderei zu schützen oder – ausgestattet mit Wärmebildkameras – Rehkitze vor Mähdreschern zu retten.

Im Gegensatz zu den passiven Beobachtern aus dem Orbit können Drohnen sogar in das Geschehen eingreifen, zum Beispiel, indem sie als Saathelfer und bei der Wiederaufforstung eingesetzt werden.

Einsatz von Künstlicher Intelligenz treibt Entwicklungen voran

Wie die Beispiele zeigen, liefern Satelliten und Drohnen wichtige neue Erkenntnisse und ermöglichen gezieltere Maßnahmen im Umwelt- und Klimaschutz, indem sie uns sowohl ein vollständigeres Bild des Zustands unseres Planeten und der Umweltveränderungen geben, als auch einzelne Gebiete sehr detailliert erfassen. Doch viele der Daten, die uns täglich aus dem All erreichen, wären ohne eine weitere Entwicklung kaum brauchbar: Die rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI).

Die Sichtung, Auslese und Auswertung der Flut an qualitativ hochwertigen Satellitenbildern und –informationen ist eine enorm zeitaufwändige Aufgabe und von menschlichen Arbeitskräften kaum effizient zu bewältigen. KI-Systeme können jedoch darauf trainiert werden, bestimmte Strukturen in Satellitenbilder zu erkennen und dabei Unmengen an Daten in kürzester Zeit verarbeiten, wie zum Beispiel im Projekt OpenSurface, das eine KI-basierte Lösung anbietet, mit der sich die Landnutzung aus dem Weltraum überwachen lässt. Durch die intelligente Zusammenführung riesiger Mengen von Landnutzungsdaten aus unter anderem Satellitenbildern soll OpenSurface in der Lage sein, Entwaldung, Veränderungen von Teilflächen und Waldbränden zu überwachen – und sogar zu prognostizieren.

Weltraumschrott – Der erdnahe Orbit wird zur Müllhalde

NASA Computergeneriertes Bild von Objekten, die in der Erdumlaufbahn verfolgt werden. Rund 95% der Objekte sind Weltraummüll.

Schon heute umkreisen rund 3.000 inaktive Satelliten die Erde – und im erdnahen Orbit lagert sich mehr und mehr Weltraummüll an. „Denn die Objekte bleiben mitunter ewig im All. Das ist die eigentliche Problematik. Bei vielen Umweltproblemen auf der Erde hilft uns die Zeit, diese zu lösen. Also Giftstoffe zersetzen sich und so weiter. Aber im Weltraum haben wir es mit sehr langen Aufenthaltsdauern zu tun“, sagt Holger Krag. Während Objekte in niedrigeren Umlaufbahnen aufgrund der Schwerkraft quasi in die Erdatmosphäre „gezogen“ werden und hier verglühen, ist das in größeren Höhen anders: „Hinterlassen wir etwas in 1.000 Kilometern Höhe, wo es keine natürlichen Kräfte gibt, die das Objekt entsorgen können, dann bleibt es auf alle Ewigkeit da.“

Dazu kommt, dass sich Satelliten und andere menschliche Hinterlassenschaften durch Kollisionen immer weiter zersetzen – und diese Klein- und Kleinstteile sind weiter im Orbit unterwegs. „Man kann sagen, dass wir ungefähr 20.000 Stücke in der Umlaufbahn um die Erde haben, die größer sind als ein Softball und mehr als 500.000 Stücke, die bis zur Größe einer Murmel haben. Das ist einfach eine gigantische Anzahl“, berichtet Sven Bauer, der im Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) die sogenannte SLR-Station leitet, die Weltraummüll-Objekte überwacht. „Wenn man sich jetzt diese kleinen Teile bis zu der Größe einer Murmel anschaut, sind selbst die schon kritisch, weil diese Teile da oben mit einer Geschwindigkeit von 28.000 km/h fliegen.“ In dieser Geschwindigkeit können kleinste Einschläge und Kollisionen große Schäden anrichten.

Damit gefährden ausgediente Satelliten und Kleinstteile nicht nur die Raumfahrt und andere Satellitenmissionen, sondern aus Nachhaltigkeitsperspektive stellt sich auch die Frage, ob wir Menschen auch das All als Müllhalde nutzen sollten.

Über den aktuellen Stand der Entwicklungen und mögliche Lösungen, den Weltraumschrott wieder einzufangen oder aus eigenem Antrieb aus dem Orbit zu entfernen und den Bedarf an internationalen Übereinkommen und Richtlinien sprachen wir mit Expert*innen der ESA, des GFZ und DLR. Zu den Interviews.

Noch immer übt die Raumfahrt und alles, was mit ihr verbunden ist, eine besondere Faszination auf viele Menschen aus – ob dem großen Unbekannten, der unendlichen Weite – aber auch des Blicks von außen auf unseren Heimatplanet. Steckt genau in dieser „Außenperspektive“ ein großes Potenzial für den Umwelt- und Klimaschutz? In diesem Dossier gehen wir daher diesen Fragen nach: Hilft uns der Blick von oben, unsere Erde besser zu schützen? Welchen Beitrag können Satelliten und Drohen zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten? Zum Dossier.

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.


Mehr Informationen hier.

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