Die Abholzung der Wälder in Südamerika, insbesondere in Brasilien, schreitet in einem erschreckendem Tempo voran. Die Gründe dafür sind vielfältig und oft liegen die Ursachen im Politischen. Hinzu kommt die räumliche und gesellschaftliche Isolation des Amazonas und anderer Regenwälder, wodurch diese Wälder weitgehend ungehindert ausgebeutet werden können. Ist der politische Wille zum Schutz des Waldes nicht da, gibt es wenig, was die Abholzungsindustrie – ob legal oder illegal – davon abhält, ihre Aktivitäten auszuweiten.
Doch natürlich ist der Amazonas nicht völlig isoliert. Allein in Brasilien leben im Regenwald rund 900.000 indigene Menschen, die in mehr als 250 verschiedene Gemeinschaften unterteilt sind. Und diese Menschen haben ein unmittelbares und lebensnotwendiges Interesse an der Erhaltung des empfindlichen Gleichgewichts des Regenwaldes und seiner Artenvielfalt. In der Vergangenheit wurden diese Gruppen im Zusammenhang mit der Abholzung des Regenwaldes oft vernachlässigt und sogar in Verruf gebracht, was vor allem auf ihre Abgeschiedenheit und ihre begrenzten technologischen Möglichkeiten zurückzuführen war. Nun werden jedoch Anstrengungen unternommen, um ihr umfassendes lokales Wissen mit der neuesten modernen Technologie zu verbinden.
Die Rainforest Foundation US (RFUS) setzt sich seit 1988 für den Schutz der Regenwälder in Mittel- und Südamerika ein. Sie war außerdem eine der ersten NGOs, die auf die Notlage und Verletzung der Rechte indigener Völker hinwies, auch bezüglich der Deklaration der Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen von 2007. Die Arbeit der Organisation baut auf der Überzeugung auf, dass indigene Gemeinschaften nicht nur passive Opfer sind, sondern über Fähigkeiten und Fachwissen verfügen, die vielen Außenstehenden nicht zur Verfügung stehen, und aktiv zum Klimaschutz beitragen können.
RFUS hat daher Rainforest Alert ins Leben gerufen: ein territoriales Überwachungssystem, das neueste Technologien zur Umweltüberwachung und -kontrolle mit dem traditionellen Wissen der indigenen Bevölkerung verbindet. Durch die Verwendung von Karten, die von Global Forest Watch zur Verfügung gestellt werden, kann RFUS Gebiete identifizieren, in denen Abholzung stattgefunden hat, oft sogar in Echtzeit. Das Projekt geht jedoch weit über die bloße Bereitstellung von Drohnen- und Satellitenbildern hinaus. Es schafft außerdem Strukturen, in denen indigene Gemeinschaften ihre Ansprüche formell geltend machen und sie an die zuständigen Behörden weiterleiten können. Denn die mit Hilfe der Technologie gewonnenen Informationen sind nur dann von Nutzen, wenn sie tatsächlich zu Handlungen vor Ort führen, wie Tom Bewick, der Leiter von RFUS in Peru, erklärt:
„Was nützen die Informationen, wenn sie nur von einer Reihe von Fachleuten und Menschen in Bürogebäuden gesehen werden? Der springende Punkt ist, sie in die Tat umzusetzen.“
RFUS hat daher ein fünfstufiges Programm entwickelt, um konkrete Ergebnisse zu erzielen.
1. Sicherstellung der Rechtsansprüche zur Gebietskontrolle
Einer der Gründe, weshalb indigenes Land so häufig ins Visier genommen wird, ist das Fehlen formeller Vereinbarungen, die die Kontrolle und Ansprüche der lokalen Gemeinschaften sicherstellen. Mit Unterstützung von RFUS erhalten indigene Gemeinschaften die entsprechenden Urkunden und Dokumente, um ihre Besitzrechte an ihrem Land im Rechtssystem zu verankern.
2. Monitoring mit Technologie
Den lokalen Gemeinschaften werden Hilfsmittel wie Smartphones, Drohnen und Satellitenbilder zur Verfügung gestellt, mit denen sie Abholzungen überwachen können. Wird eine Abholzung festgestellt, erhält die indigenen Gemeinschaften eine Warnung und kann dann die Verstöße vor Ort untersuchen und Beweise dokumentieren. Handelt es sich um netzfernen Gebiete, werden die Informationen per Boot zu den Gemeinden gebracht.
3. Formalisierung der Entscheidungsprozesse
Wenn entsprechende Nachweise gesammelt wurden, kommt die indigene Gemeinschaft in offiziellen Sitzungen zusammen, um gemeinsam zu entscheiden, wie als Nächstes vorgegangen werden soll. Aus den Gemeinschaften werden offizielle Beauftragte gewählt, wodurch Rollen mit Verantwortung und Führungsqualitäten sowie langfristigem Fachwissen entstehen. Solche Prozesse sind wichtig, um sicherzustellen, dass Beschwerden und Ansprüche der indigenen Gemeinschaften eine solide Grundlage haben, von der aus Druck ausgeübt werden kann.
4. Die Regierung einschalten und Druck ausüben
Mit den Nachweisen, einem Gemeinschaftsmandat und den entsprechenden Unterlagen ausgestattet, können indigene Gemeinschaften nun bei den zuständigen Behörden direkt Beschwerde gegen illegale Abholzung einreichen. Die Verbindung dieser Faktoren ermöglicht es ihnen, datengestützte und vollständige Beschwerden zu erstatten, die von den Behörden viel schwerer zu ignorieren sind.
5. Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft
Konnte die Abholzung eingedämmt werden, arbeitet die Rainforest Foundation auch mit den lokalen Akteuren zusammen, um Wiederaufforstungsprojekte und eine nachhaltige Landwirtschaft zu unterstützen.
Um diesen fünfstufigen Ansatz zu testen, führte das RFUS-Team eine von Expert:innen begleitete Studie durch, die im Juli 2021 veröffentlicht wurde. Sie zeigte, dass die illegale Abholzung im peruanischen Amazonasgebiet durch den Rainforest-Alert-Ansatz um 52 Prozent reduziert werden konnte. Darüber hinaus zeigte sie, dass der Ansatz viel kosteneffizienter war und eine viel höhere Rendite brachte als frühere Methoden. Die Organisation hofft nun, diese Erfolgsgeschichte in anderen Gebieten des Amazonasgebietes wiederholen zu können, vor allem im Bundesstaat Roraima im Norden des brasilianischen Amazonasgebietes sowie in Guyana und Panama.
Der Einsatz von Technologien wie Satelliten und Drohnen zur Überwachung der Entwaldung ist nicht neu: Bei RESET haben wir bereits über spannende Projekte berichtet, die Satelliten zur Überwachung der Abholzung einsetzen und auch die Rolle von KI in der nachhaltigen Forstwirtschaft unter die Lupe genommen. Das Konzept von Rainforest Alert geht jedoch noch einen Schritt weiter, indem es technologische Ansätze mit den Rechten indigener Völker, der kommunalen Verwaltung und der Selbstversorgung kombiniert. Auf diese Weise macht sich die NGO eine weitere große Ressource im Regenwald nutzbar: das Wissen und das große Interesse der indigenen Bevölkerung, ihr eigenes Land zu schützen.