Der Prototype Fund fördert Hacker*innen, Datenjournalist*innen und andere kreative Software-Entwickler*innen dabei, ihre Ideen für technische und soziale Innovation umzusetzen. Das Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) richtet sich an Einzelpersonen oder kleine interdisziplinäre Projektteams und deren Open-Source-Projekte. Dabei bewegt sich das Themenspektrum der geförderten Projekte zwischen Civic Tech, Data Literacy, Security und Software-Infrastruktur. Die Förderung besteht aus einer Anschubfinanzierung von bis zu 47.500 Euro über sechs Monate. Dies erlaubt den Entwickler*innen, sich während dieser Zeit vollständig auf ihr Projekt und das Testen möglicher Wege für dessen Umsetzung zu konzentrieren. Zur Förderung gehören außerdem zwei Coachings und die Möglichkeit zum Aufbau eines Netzwerks, das auch nach dem Förderzeitraum weiter Unterstützung bietet. Dafür stehen den Geförderten das Team des Prototype Fund und auch die Community der bereits geförderten Projekte zur Seite.
Im August geht der Prototype Fund in die neunte Förderrunde. Wir haben mit Patricia Leu über die Arbeit des Prototype Fund, Public Interest Tech und die Mitinitiation des „WirVsVirus“-Hackathon gesprochen. Der Hackathon wurde im März 2020 initiiert, um Ideen aus der Zivilgesellschaft zu sammeln und zu Lösungen im Umgang mit der Corona-Pandemie weiterzuentwickeln.
Patricia Leu verantwortet beim Prototype Fund die Kommunikation und ist für die Weiterentwicklung der Content-Strategie zuständig.
Patricia, ihr fördert Open-Source-Projekte und -Lösungen im Bereich Public Interest Tech. Was bedeutet „Public Interest Tech“ eigentlich? Und wann ist die Entwicklung einer technischen Lösung von Interesse für die Öffentlichkeit?
Public Interest Tech bedeutet den Einsatz von Technologie zum Wohl der Gesellschaft – und das kann von einem Tool für Bürger*innenbeteiligung bis zu einer dezentralen Kommunikationsinfrastruktur ganz Unterschiedliches sein. Wichtig ist, dass Public Interest Tech im Interesse der Nutzer*innen ist und nutzerzentriert sowie losgelöst von Marktkräften entwickelt wird. Die Ergebnisse sind frei verfügbar und adaptierbar, denn keine Software passt für alle Anwendungsfälle. Uns ist bewusst, dass das Konzept im deutschsprachigen Raum bisher wenig bekannt ist. Dies wollen wir ändern, unter anderem mit unserem kürzlich gelaunchten „Public Interest Podcast“.
Welchen Stellenwert nimmt Nachhaltigkeit bei eurer Auswahl von Projekten ein?
Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig. Oft fällt es schwer, Technologie und Nachhaltigkeit miteinander in Verbindung zu bringen, deswegen ist es uns wichtig zu betonen, dass allein die Art und Weise, in der Technologie entwickelt wird, einen großen Einfluss darauf hat. Wir fördern beispielsweise ausschließlich Open-Source-Software. Der Code von Open-Source-Software steht für alle zur freien Verfügung, kann benutzt und weiterentwickelt werden. So können bestehende Programme für den eigenen Bedarf angepasst werden, anstatt viele Ressourcen in die komplette Neuentwicklung einer Software zu stecken. Darüber hinaus produziert proprietäre Software Versionsabhängigkeiten: Wenn alte Versionen nicht mehr unterstützt werden, wird unter Umständen auch ein Gerät nicht mehr mit Updates versorgt. Also muss beispielsweise ein neuer Laptop angeschafft werden – dieses Problem umgeht man mit offener Software. Außerdem achten wir darauf, dass die Förderprojekte keine Insellösungen sind, sondern idealerweise in größere Community-Projekte integriert werden können und somit nachhaltig im Ökosystem ankommen. Darüber hinaus befassen sich auch viele Projekte inhaltlich mit Nachhaltigkeit. Unsere sechste Förderrunde hatte dieses Thema sogar als Förderschwerpunkt.
Die letzte Förderrunde war themenoffen, um einen Überblick darüber zu bekommen, welche Themen aktuell wichtig für Entwickler*innen sind. Gab es „Trend“-Themenfelder, die herausstachen?
Ja, es gibt immer wieder Themen, die in den Einreichungen besonders hervorstechen. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Begleitforschung, in der wir übergeordnete Trends recherchieren und analysieren. So können wir sehen, dass Trends in den Einreichungen sich oft bereits allgemein im Ökosystem der Softwareentwicklung abgezeichnet haben – wie beispielsweise Cloud-Computing oder Privacy. Ein weiterer Trend, der schon seit Langem zu beobachten ist, ist, dass zunehmend für mobile Geräte programmiert wird und weniger für klassische PCs.
Daran anschließend und mit Blick auf die momentane Situation der Corona-Pandemie, die in den Einreichzeitraum der achten Förderrunde fiel: Inwieweit hat sich die derzeitige Situation der Corona-Pandemie auf die Einreichungen ausgewirkt?
Die Corona-Pandemie hat sich natürlich insofern ausgewirkt, als dass die Begriffe „Corona“, „COVID-19“ oder auch „Isolation“ überhaupt zum ersten Mal in den Einreichungen aufgetaucht sind. Darüber hinaus wurden wirklich sehr, sehr viele Projektideen eingereicht – mit 385 gültigen Einreichungen so viele, wie seit der allerersten Runde vor vier Jahren nicht mehr. Man könnte also vermuten, dass Menschen aufgrund des Lockdowns mehr Zeit hatten, ihre Projektideen zu entwickeln und einzureichen, und dass es viele kreative Ideen gibt, wie wir auf die Krise reagieren können. Wir sind ja alle aktuell noch mehr auf digitale Hilfsmittel angewiesen als sonst. Da wird dann schnell deutlich, an welcher Stelle man sich vielleicht andere oder besser funktionierende Tools wünscht.
Ihr habt den relativ spontanen Hackathon „WirVsVirus“ mitinitiiert und zusammen mit der Bundesregierung und sechs anderen Organisationen organisiert. Was war das Ziel des Digital-Hackathons und wie beurteilt ihr das Ergebnis?
Das Ziel dieses Hackathons war es, das Potenzial in unserer Zivilgesellschaft im Angesicht einer Krise bisher unbekannter Dimensionen zu bündeln und für die Lösung der vielfältigen Herausforderungen, die im Zuge der Corona-Pandemie entstanden sind, zu mobilisieren. Daran haben sich dann mehr als 28.000 Menschen beteiligt – damit hatte wirklich niemand von den Mitorganisator*innen gerechnet. Es war sehr schön zu sehen, wie gut sich die Teilnehmenden organisiert und wie engagiert sie über das Wochenende zusammen an ihren vielfältigen Lösungsideen gearbeitet haben. Allein das war also schon mal sehr beeindruckend. Natürlich hilft es aber nichts, wenn im Zuge eines Events Ideen und Prototypen entstehen und dann nichts weiter damit geschieht. Wir haben deswegen schon während der Vorbereitungen des Hackathons auch ein Umsetzungsprogramm konzipiert und sind sehr froh, über den Prototype Fund gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 34 der entstandenen Projekte fördern zu können.
Was für Projekte und Ideen sind denn aus dem „WirvsVirus“ entstanden? Und welche davon sind besonders vielversprechend und werden nun weiterentwickelt?
Die Bandbreite der entstandenen Ideen ist kaum zu überblicken: Sie reichen von der Unterstützung des lokalen Einzelhandels über Nachbarschaftshilfe und den 3D-Druck von Atemmasken bis hin zum Aufdecken von Fake News rund um die Pandemie. Zahlreiche der Projekte werden nun in der einen oder anderen Form weiterentwickelt und erhalten Unterstützung durch einen der verschiedenen Bausteine des Umsetzungsprogramms. Neben der Förderung durch das BMBF gibt es zum Beispiel noch einen Matching Fonds für Projekte, die nicht im Hackathon entstanden sein müssen. Besonders vielversprechend sind grundsätzlich die Projekte, die auch über den ganz konkreten Pandemiefall hinaus Anwendung finden, weil sie gut adaptiert sind oder auch in ihrer derzeitigen Form in unseren „normalen“ Alltag integriert werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist das Projekt „Digitale Bühne“, das virtuelle Proben und Auftritte von Chören, Theater- oder Tanzgruppen ermöglicht – so ein Konzept ist natürlich auch außerhalb von Krisen sehr interessant. Die 34 Projekte, deren Förderung das BMBF übernimmt, werden im Juni mit einer ausführlichen Beschreibung auf unserer Website veröffentlicht. Dann können sich die Leser*innen auch selbst ein umfassendes Bild davon machen.