Die Auswirkungen von Fast Fashion auf die Umwelt sind in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten, denn lange Lieferketten, Materialien auf Erdölbasis und schlechte Arbeitsbedingungen stehen der Nachhaltigkeit der Industrie im Weg. Nun hat ein britisches Designlabor einen innovativen Ansatz entwickelt, um die Auswirkungen von Kleidung auf die Umwelt zu reduzieren – und zwar auf sehr direkte Weise.
Das Post Carbon Lab (PCL) hat eine Methode entwickelt, Kleidung mit Algen zu beschichten, mit denen Kleidung wie ein lebender, atmender Organismus funktionieren und den CO2- Fußabdruck des Trägers buchstäblich mit jedem Schritt reduzieren kann. Das Projekt mit dem Titel „Post Carbon Fashion“ ist Teil des „Regenerative Sustainability Activism“-Ansatzes des Labs, der viele Probleme der Bekleidungsindustrie ins Visier nimmt.
Dian-Jen Lin, Mitbegründerin des Post Carbon Lab, sagte gegenüber RESET: „Ökologisch gesehen ist Mode allein für 10 Prozent der Kohlenstoffemissionen der Menschheit und 20 Prozent der globalen Wasserverschmutzung verantwortlich. Aus sozialer Sicht steht sie für moderne Sklaverei, kulturelle Aneignung und systematische Ausbeutung von Randgruppen. Wirklich, es ist eine viel zu problematische Industrie, um ohne große Regulierungen zu arbeiten.“
Während der Produktion wird die Kleidung mit einer Schicht aus Algen überzogen, die auf der Oberfläche des Stoffes wachsen und leben. Einmal gewachsen, gehen die Organismen dann ihrem normalen Lebenszyklus nach, nehmen Kohlendioxid auf und produzieren Sauerstoff. Dian-Jen Lin fährt fort: „Es ist einfach die Photosynthese, wie wir sie kennen: Sie nimmt Kohlendioxid auf und wandelt den Kohlenstoff in Glukose oder andere Produkte um und gibt als Abfallprodukt Sauerstoff ab. Im Idealfall kann der Benutzer, wenn er das Kohlendioxid als Abfallprodukt ausatmet, eine symbiotische Beziehung mit den behandelten Textilprodukten eingehen, ähnlich wie bei einer heimischen Luftpflanze.“
Laut Post Carbon Lab kann ein einziges T-Shirt – etwa ein Quadratmeter Stoff – so viel Sauerstoff produzieren wie ein junger Baum, abhängig natürlich von lokalen Umweltfaktoren. Ein Vorteil der Algen ist, dass sie viel schneller heranreifen können als ein Baum. Die Algenschicht kann auch als allgemeine Beschichtung oder als Druck aufgetragen werden, was bedeutet, dass sie vielseitig genug ist, um auf einer Reihe von Kleidungsstücken und anderen Stoffartikeln wie Rucksäcken, Kissen, Regenschirmen, Schuhen, Vorhängen und möglicherweise sogar Vordächern von Gebäuden verwendet zu werden.
Allerdings sind die Post Carbon Fashion Kleidungsstücke nicht gerade die Art von Kleidung, die man tagelang auf einem Stapel liegen lassen kann. Wie jedes Lebewesen benötigt die Alge Pflege und Aufmerksamkeit, einschließlich täglicher Bewässerung und Handwäsche in einem pH-neutralen Waschmittel. Die Kleidung kann auch nicht an einem dunklen Ort, wie zum Beispiel einem Kleiderschrank, aufbewahrt werden, sondern braucht Sonnenlicht und saubere Luft. Mit diesen Anforderungen ist es unwahrscheinlich, dass die Algen auf der Kleidung von den großen Fast Fashion-Herstellern verwendet werden, die niedrige Kosten und Bequemlichkeit für ihre Kunden bevorzugen. Aber auch das ist Teil des Plans.
Post Carbon Lab möchte mit kleinen und mittleren Unternehmen in verschiedenen Kooperationen zusammenarbeiten, die ihre „lebende Kleidung“ der Öffentlichkeit zugänglicher machen können. Allerdings wollen sie auch vermeiden, den CO2-Fußabdruck des Produktionsprozesses zu vergrößern, und konzentrieren sich zunächst hauptsächlich auf lokale Märkte. Außerdem zeigt die Alge, wie jede andere Pflanze auch, an, wenn sie leidet, und ändert ihre Farbe, wenn sie dringend etwas Pflege braucht. Laut den Forschungen von Post Carbon Lab könnte ihre Kleidung mit einer photosynthetischen Schicht über Jahre hinweg tragbar sein.
Kürzlich hat sich Post Carbon Lab mit dem französischen Autohersteller DS Automobiles und dem lokalen Bekleidungslabel EgonLab zusammengetan, um eine Reihe von Kleidungsstücken zu produzieren, die das Konzept unterstützen – neben der Werbung für ein DS-Elektroauto. Die „Capsule Collection“ wurde auf der Pariser Modewoche vorgestellt und umfasste eine Bomberjacke, einen Trenchcoat und zwei T-Shirts. Die Produktion der Kollektion dauerte etwa 7 bis 10 Wochen, wobei das Wachstum und die Reifung der Algen ein Großteil dieser Zeit benötigt. Während dieser Zeit hat die Kleidung laut Post Carbon Lab 1,45 Kilogramm Kohlenstoff absorbiert – eine Menge, für die eine Eiche etwa ein halbes Jahr bräuchte, um sie zu binden.
Insgesamt befindet sich das Konzept noch in der Prototypenphase, und das Team experimentiert noch mit dem Hochfahren der Produktion. Laut Dian-Jen Lin ist es jedoch durchaus möglich, dass solche lebenden photosynthetischen Schichten irgendwann in größerem Maßstab eingesetzt werden könnten: „Wir sind noch in der Pilotphase, um weitere Möglichkeiten zu erforschen. Es gibt zahlreiche Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, um eine größere Produktion zu ermöglichen. Das Interesse aus verschiedenen Branchen des Textilsektors ist jedoch überwältigend. Wir gehen davon aus, dass wir das Anwendungsspektrum durch Pilotprojekte mit mehreren Industriepartnern erweitern können, um das Potenzial dieser Technologie vollständig zu verstehen.“
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.