Pilze mit Appetit auf Bauschutt

mycelium can be used to break down materials in demolition debris
© Zoltan Tasi/ Unsplash Lizenz

Pilze sind vielseitig: Sie können sowohl beim Bau eines Gebäudes helfen als auch bei der Zersetzung von Abrissschutt eine Rolle spielen.

Autor Christian Nathler:

Übersetzung Luisa Ilse, 11.09.23

Die Umweltauswirkungen von Bauschutt sind vielfältig.

Die Zerstörung von Ökosystemen, der Verbrauch natürlicher Ressourcen, die Umweltzerstörung – all dies sind Merkmale einer echten ökologischen Bedrohung. Tatsächlich ist die Bauindustrie weltweit für etwa ein Drittel aller Abfälle verantwortlich. Ein Großteil davon fällt am Ende eines Gebäudelebens an, in Form von Abbruchschutt.

Komplexe Herausforderungen dieser Größenordnung erfordern vielschichtige Lösungen. Die Verwendung nachhaltiger Baumaterialien ist ein guter Anfang. Trotzdem sollten bereits verbaute Ressourcen wie Beton, Holz, Metalle, Kunststoffe und Ziegelsteine wiederverwendet oder recycelt werden. Das Gleiche gilt für Altreifen und sogar für Windeln. Und schließlich sollten schwer wiederverwertbare Materialien in eine Kreislaufwirtschaft überführt werden.

Dabei können Pilze helfen. So wie Pilze zum Bau eines Gebäudes beitragen können, so können sie auch bei dessen Abbau eine Rolle spielen.

Pilze machen aus fast allem eine Mahlzeit – auch aus Bauschutt

Wir alle wissen, dass Pilze organisches Material gut abbauen können. Weniger bekannt ist, dass das fadenförmige Myzel – also der eigentliche Pilz ohne Fruchtkörper zur Vermehrung – ein Enzym produzieren kann, das in der Lage ist industrielle Chemikalien abzubauen.

Im April setzten Forschende der Universität Sydney zwei gängige Pilzstämme ein, um Polypropylen (PP) – einen Kunststoff, der in Alltagsprodukten wie Lebensmittelbehältern, Kleiderbügeln und Frischhaltefolien verwendet wird – erfolgreich biologisch abzubauen. Obwohl PP ein leicht wiederverwertbares Material ist, wird weltweit nur etwa ein Prozent davon tatsächlich recycelt. Es besteht die Hoffnung, dass die Recyclingquote für Materialien wie PP zukünftig erheblich verbessert werden kann, indem neue Wege für entsprechende Recyclingprozesse gefunden werden können, anstatt nur von zentralen Recyclingzentren abhängig zu sein.

SIND PLATINEN AUS PILZEN DER SCHLÜSSEL FÜR DAS RECYCLING VON ELEKTROSCHROTT?

Pilze sind die großen Recycler der Wälder, aber können sie auch zur Verringerung von Elektroschrott beitragen? Ein Forscherteam hat ein neues Material aus dem einfachen Waldpilz entwickelt, das als Ersatz für Kunststoffplatinen in bestimmten elektronischen Geräten verwendet werden könnte.

Neben Plastik hat sich gezeigt, dass das Myzel auch gängige Baumaterialien wie Asphalt, Teppich, Gummi und Gips abbaut.

Abfall in eine wertvolle Ressource verwandeln

Dazu werden spezielle Pilzarten in Bauschutt eingebracht, wo das Myzel wächst, Enzyme absondert und die Materialien in einfachere Verbindungen aufspaltet. Das Myzel nimmt diese Nährstoffe auf und bildet eine Matte, die zu nachhaltigen Biomaterialien für den Bau, die Isolierung und andere Anwendungen geformt werden kann. Das Verfahren steht im Einklang mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft, da es Abfälle in wertvolle Ressourcen umwandelt.

Ein Unternehmen, das hier eine Vorreiterrolle spielt, ist Mycocycle. Das in den USA ansässige Startup konzentriert sich insbesondere auf die Zerlegung von Trockenmauern in wiederverwendbare Biomaterialien. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden die Pilze mit ihrem Myzel darauf trainiert, Trockenbauabfälle in einem Meta-Rechenzentrum in Gallatin, Tennessee, zu verzehren. Das abgebaute und ausgehärtete Material kann im Anschluss als Füllmaterial oder in Form von Isolier- und Akustikplatten verwendet werden. Myzel-Verbundstoffe sind nicht nur haltbar genug, um Kunststoffe zu ersetzen, sie sind sogar feuer- und wasserfest.

Dieses Verfahren zur Abfallumwandlung stellt einen wichtigen Schritt für die Bewältigung des in großen Mengen anfallenden Abbruchschutts im Baugewerbe dar. Derzeit werden nur etwa zwei Drittel der Bau- und Abrissabfälle einer neuen Verwendung zugeführt. Der Rest wird auf Deponien entsorgt. Weitere Fortschritte auf dem Gebiet der Myzel-getriebenen Kreislaufwirtschaft könnten zu einer noch besseren Recyclingquote in der Bauindustrie beitragen.

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