Mehr soziale Gerechtigkeit, bessere Müllverwertung, wenig Arbeitslosigkeit – der Blick nach Schweden kann andere europäische Länder schon etwas beschämen. Jetzt scheint es, als könnten die Nordlichter auch noch eine Lösung für das Mikroplastikproblem präsentieren. Mikroplastik, also kleine und kleinste Plastikteilchen, geraten über vielfältige Wege – beispielsweise über Zahnpasta und Kosmetik oder auch gelöste Kunststoffpartikel aus der Wäsche – in den Wasserkreislauf. Klein, wie die Teilchen sind, verbreiten sie sich dort von den obersten in die tiefsten Wasserschichten und werden von Fischen als Nahrung aufgenommen und gelangen so in die Nahrungsmittelkette. Abgesehen davon, dass wir (und alle anderen Lebewesen) uns sicher nicht von Kunststoff ernähren möchten, binden die Plastikteile unter Wasser zudem giftige Substanzen, wie das früher als Insektizid genutzte Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) oder die Chlorverbindung PCB.
Im Rahmen des „Cleaning Litter by Developing and Applying Innovative Methods in European Seas (CLAIM)“ Programms haben Forscher des Königlichen Instituts für Technologie (KTH) jetzt eine Möglichkeit gefunden, kleine Plastikteile im Abwasser mit Hilfe von Photokatalyse in CO2 und Wasser aufzuspalten.
Nanotechnik gegen Mikroplastik
Wie genau gehen die Forscher dabei vor? Der ganze Prozess basiert auf dem Wissen, dass sich Plastik unter dem Einfluss von Sonnenlicht zersetzt. Das Ganze heißt „photokatalytische Oxidation“ und dauert unter natürlichen Bedingungen sehr, sehr lange – insbesondere unter Wasser, das das Sonnenlicht teilweise nicht mehr durchdringen kann. In ihrer Versuchsreihe nutzten die Wissenschaftler also einen Versuchsaufbau aus einem mit einer Halbleiter versehenen Filter aus Nanodrähten und ultraviolettem Licht. Das Mikroplastik, welches im Versuch aus normalem Haushaltsabwasser gefiltert wurde, kommt mit dem Halbleiter in Berührung und wird unter Einfluss von ultraviolettem Licht und Sauerstoff per Photokatalyse in harmloses CO2 und Wasserstoff zersetzt.
Die Forscher wollen mit ihrer Erfindung vorerst zumindest dafür sorgen, dass nicht noch weiteres Mikroplastik aus der Industrie und den privaten Haushalten über die Kanalisation in offene Gewässer gelangt. „Diese Kunststoffe beginnen sich in der Nahrungskette anzusammeln und werden von Spezies zu Spezies übertragen, mit direkten negativen Folgen für die menschliche Bevölkerung“, bestätigt Joydeep Dutta vom KTH. „Die Bekämpfung der Plastikverschmutzung an der Quelle ist der effektivste Weg, um die Abfälle im Meer zu reduzieren.“ Die Plastik-Filter sollen nach dem Ende der Versuchsreihe in den Abwasserleitungen und in den Ausläufen von Kläranlagen installiert werden.
Ob groß oder klein: Plastik muss raus aus den Gewässern
Das langfristige Ziel des CLAIM Programms ist jedoch ein groß angelegter Schlag gegen jedwedes Plastik in Gewässern. Zukünftig sollen neben dem neuen Filtersystem zudem Schwimmmaste in Flussmündungen in Europa eingesetzt werden, um größeren Plastikmüll zu sammeln. Da auch Schiffe ein großer Verursacher von Plastikmüll sind, sollen auf den Fährstrecken in Dänemark, im Golf von Lyon, im Ligurischen Meer und im Golf von Saronikos Kunststoff-Messsysteme getestet werden, die später auf Schiffen eingesetzt werden könnten.
Das Program wird vom Helenischen Zentrum für Meeresforschung (HCMR) in Griechenland koordiniert und umfasst ingesamt 19 Partner aus 13 EU-Ländern sowie aus Tunesien und dem Libanon. Es wird mit einem Horizont 2020-Zuschuss für innovative Maßnahmen finanziert. Das Projekt hat im November 2017 begonnen läuft bis zum Jahr 2021.