Umweltfragen, zivilgesellschaftliche Bewegungen und die Sorge um die Energiesicherheit haben in den letzten Jahrzehnten zu hohen Investitionen in erneuerbare Energien geführt. Im Jahr 2004 wurden beispielsweise jährlich rund 50 Milliarden USD investiert. Bis 2015 stieg diese Zahl auf über 250 Milliarden – wobei insbesondere China den größten Zuwachs verzeichnete.
Dennoch sind wir, global gesehen, immer noch weit weg von der dringend nötigen Energiewende. Das liegt einerseits am politischen Willen, andererseits stellen erneuerbare Energien – aus wirtschaftlicher Sicht – immer noch Herausforderungen für Investor*innen und Energieerzeuger*innen dar, da sie oft mit höheren Anlaufkosten verbunden sind und es länger dauert, bis sie rentabel werden. Zudem bedeutet die unstete Natur einiger erneuerbarer Energien – wie Wind- und Solarenergie – dass die Möglichkeit, Energie zu speichern, von entscheidender Bedeutung ist. Gegenwärtig wird dies größtenteils durch den Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien erreicht, die ihrerseits Umweltprobleme mit sich bringen.
Um einige dieser Bedenken aus dem Weg zu räumen, sucht das in Deutschland ansässige Energie-Startup Phelas nach neuen und innovativen Wegen, um den Markt für erneuerbare Energien durch Flüssigluft-Energiespeicherlösungen bzw. Liquid Air Energy Storage (LAES) zu stärken. Phelas wurde 2020 gegründet und hat mit seinem Prototypen – dem thermodynamischen Aurora-Speicher – eine einfache und ressourcenschonende Energiespeicherlösung entwickelt, die in einen Standard-Schiffscontainer passt.
Was ist Flüssigluft-Energiespeicherung?
Flüssigluft-Energiespeicher – auch bekannt als kryogene Energiespeicher – gibt es eigentlich schon seit langer Zeit; ein Flüssigluftauto wurde bereits 1899 patentiert. Jetzt könnte diese Art der Energiespeicherung vielleicht eine Renaissance erleben, denn sowohl Regierungen als auch Stromerzeugende ziehen die Technologie in Betracht, um Kraftwerke zu verstärken.
Das Verfahren funktioniert folgendermaßen: In Zeiten, in denen Strom im Überfluss vorhanden ist, kann überschüssiger Strom genutzt werden, um Luft aus der Atmosphäre auf -195 Grad Celsius abzukühlen. Bei dieser Temperatur wird die Luft flüssig und reduziert ihr Volumen auf etwa ein Tausendstel des Volumens von Gas.
Dieses verflüssigte Gas kann dann gespeichert werden, bis seine gespeicherte potenzielle Energie benötigt wird. Ist dies der Fall, wird die verflüssigte Luft unter Nutzung der Umgebungstemperatur oder industrieller Abwärme zu einem Gas verdampft. Die dabei entstehende Expansion der Flüssigkeit in ein Gas baut Druck auf und treibt eine Turbine an. Die Effizienz des Prozesses lässt sich durch den Einsatz eines Kältespeichers, zum Beispiel ein großes Kiesbett, das die durch den Verdampfungsprozess erzeugte Kälte auffangen und wiederverwenden kann, erheblich steigern.
„Der Liquid Air Energy Storage (LAES) von Phelas bietet viele Eigenschaften, die mit herkömmlichen Technologien nicht abgedeckt werden können. Wir verwenden Luft und Kies als Hauptspeichermedium – beide Materialien sind universell verfügbar und im Gegensatz zu Lithium-Ionen weniger gefährlich und weniger ressourcenabhängig. Die Technologie bietet einen entscheidenden Kostenvorteil für große Energiemengen, bei gleichzeitig keiner zyklischen Degradation und hervorragender Umweltverträglichkeit“, sagt Phelas-Gründer Justin Scholz gegenüber RESET.
Derzeit geht es bei Experimenten mit LAES in Ländern wie Großbritannien und den USA meist um den Bau großer, teurer Anlagen, die an bestehende Kraftwerke angebaut werden. Mit Aurora hofft Phelas, der Technologie mehr Flexibilität und Einfachheit zu verleihen:
„Die Besonderheit von Phelas ist der modulare, für Container angepasste Ansatz, der sich grundlegend von bestehenden LAES-Ansätzen auf dem Markt unterscheidet, da herkömmliche LAES-Anlagen auf großen Luftverflüssigungsanlagen basieren. Der modulare Ansatz ermöglicht eine größere Flexibilität in der Anwendung. So sind wir in der Lage, auch kleinere Anwendungen zu adressieren, zum Beispiel für kleine Industrien oder Anlagen für erneuerbare Energien.“
Phelas peilt rund 50 Prozent Effizienz an. Das heißt, dass bei der Verflüssigung von Luft und deren Rückumwandlung in Gas etwa die Hälfte der gespeicherten Energie verloren geht. Das klingt zwar nach viel, aber miteinbezogen werden muss, dass ja erneuerbare Energien gespeichert werden, die sonst ungenutzt verpufft wären. Und auch wenn andere Speichertechniken vielleicht effizienter sind, sind deren Kosten oftmals höher, die eingesetzten Rohstoffe oft umwelt- und klimaschädlich und es besteht Explosions- oder Brandgefahr.
Aurora richtet sich in erster Linie an Entwickler*innen und Betreiber*innen von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, die mit verschiedenen Problemen konfrontiert sind, zum Beispiel mit sinkenden Markterlösen aufgrund fallender Energiepreise in Zeiten hoher Produktion – bekannt als „Preiskannibalisierung“. Indem sie einen Teil ihres Stroms kostengünstig speichern, kann dieser für spätere Zeiten mit hoher Nachfrage zurückgehalten werden. Zudem könnte sich mit den neuen Speichermöglichkeiten auch generell das Vertrauen der Industrie in volatile Strommärkte erhöhen.
Vorstellbar ist auch, dass der Energiespeicher im Container für die netzunabhängige Stromerzeugung eingesetzt werden könnte, insbesondere in Gebieten, in denen der Bau größerer Kraftwerke oder Speicher nicht machbar ist. Damit könnte Aurora zum Beispiel Dieselgeneratoren ersetzen, die üblicherweise für eine zuverlässige, netzunabhängige Stromversorgung eingesetzt werden.
Doch flüssige Luft könnte in Zukunft nicht nur als Energiespeicher dienen, sondern zudem als Transportkraftstoff fungieren, der schnell betankt werden kann, am Einsatzort selbst keine Emissionen verursacht und extrem niedrige CO2-Emissionen aufweist, wie ein Bericht des Centre for Low Carbon Futures feststellt. Ein Fahrzeug mit flüssiger Luft hätte bis 2030 geringere Lebenszyklusemissionen als ein Fahrzeug, das mit Strom oder Wasserstoff angetrieben wird; ein Kühlaggregat für einen LKW mit flüssiger Luft würde eine 80-prozentige Emissionsreduzierung basierend auf dem aktuellen Stromnetz liefern.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englsichsprachigen Seite.