Wenn wir eine Straße entlanglaufen, erzeugen wir durch unsere Schritte ständig kinetische Energie: Ein Nebenprodukt, das aber durchaus genutzt und in Strom umgewandelt werden kann. Das Londoner Startup Pavegen arbeitet seit einigen Jahren an einer Lösung, um genau das zu erreichen.
Seit 2009 hat das Unternehmen insgesamt 129 (zunächst rechteckige) Prototypen für den smarten Bodenbelag entwickelt. Seit 2016 hat die spezielle Hartgummi-Fliese, die Schritte und Sprünge zu Strom werden lässt, eine dreieckige Form. In die Fliese sind drei Induktionsgeneratoren eingebaut – in jeder der drei Ecken einer. Dadurch wird sichergestellt, dass immer mindestens einer der Generatoren aktiviert wird, auch wenn man nicht genau in die Mitte der Fliese tritt. Das Gewicht der Schritte drückt die Generatoren nach unten und löst eine Rotationsbewegung aus. Die dadurch erzeugte Energie wird in Batterien gespeichert und kann beispielsweise für Beleuchtung genutzt werden. Ein eigentlich ziemlich simples Konzept.
Je nach Gewicht und Stärke des Auftretens erzeugt ein Schritt etwa sieben Watt. Das ist zugegebenermaßen nicht besonders viel. Denkt man sich jedoch einen Ort, wo konstant massenhaft Fußgänger von A nach B strömen – eine belebte Bahnhofshalle beispielsweise – dann kommt doch einiges zusammen. Laut Pavegen ließe sich damit beispielsweise die Beleuchtung eines Bahnhofs ganz unabhängig vom Netz mit sauberem Strom versorgen.
Strom und Daten auf Schritt und Tritt
Ursprünglich ging es dem Unternehmen vor allem um die Beleuchtung von Orten, die vom Stromnetz abgeschnitten sind. Allerdings änderte das Londoner Startup 2016 die strategische Ausrichtung seines Geschäftsmodells und beschränkt sich seither nicht länger nur auf die Erzeugung von Strom durch Schritte.
Das „multifunktionale Fußbodensystem“ sammelt nun nämlich auch Daten: „Das ist nützlich, um Menschenströme abzubilden – man kann sehen, wie sich Leute durch die Städte bewegen“, so Laurence Kemball-Cook, Industriedesigner, Gründer und Ideengeber von Pavegen, gegenüber The Guardian. Damit ließe sich nicht nur die Beleuchtung in Städten effizienter verteilen, auch für Ladenbesitzer ermögliche dies Einblicke, wie viele Menschen in die Geschäfte kämen und wann sie wo sie länger verweilen würden. Der kommerzielle Fokus des veränderten Geschäftsmodells beinhaltet auch maßgeschneiderte, interaktive Werbung auf den Bodenplatten. Denn die smarten Fliesen sind sowohl für drinnen als auch draußen geeignet, es gibt sogar eine Kunstrasen-Version, z.B. für Fußballplätze.
Wesentlich mehr Potenzial für die Stadt der Zukunft sehe ich persönlich im Bereich „Smart Lightning“: Pavegen hat eine hochwertige LED-Matrix entwickelt, mit einer nach eigenen Angaben mindestens 90 prozentigen Effizienz. Wer also über eine mit Pavegen-Belag gepflasterte Straße ginge, könnte für seine eigene Straßenbeleuchtung sorgen.
Dass ganze Straßen mit den dreieckigen Platten gepflastert werden, ist jedoch noch Zukunftsmusik. Das Startup arbeitet daran, seine derzeit noch recht kostspieligen Fliesen so weiterzuentwickeln, dass sie insgesamt günstiger und damit rentabel werden.
Aktuell gibt es weltweit etwa 200 Installationen, viele davon temporär. So konnte man beispielsweise im vergangenen Herbst auch hierzulande seine Schritte mithilfe der schlauen Fliesen zu Strom und Licht werden lassen: Im Rahmen des Festivals of Lights 2016 hatte Pavegen mit Google kooperiert. In diesem Video kann man sich die Installation anschauen:
Dass unsere Straßen und Gehwege riesige Flächen sind, die wir zur Stromerzeugung nutzen können, haben auch schon andere Projekte und Startups gezeigt: Im Besucherzentrum der NASA in Cape Canaveral funktioniert das Ganze nach einem ähnlichen Prinzip wie bei Pavegen. Hier erzeugen die Schritte der Besucher sogenannte Piezoenergie, bringen LEDs zum Leuchten und lösen aus, dass via WiFi oder Bluetooth Informationen über das Space Center zur Verfügung gestellt werden.
Dagegen nutzt das Potsdamer Startup Solmove mithilfe spezieller Solarfliesen die Sonnenstrahlung auf Straßen und Gehwegen zur Energieerzeugung. Auch hier kann der dadurch gewonnene Strom zur Straßenbeleuchtung genutzt werden – oder sogar, um per Induktion E-Autos während der Fahrt mit sauberem Strom aufzuladen.
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