Der öffentliche Raum unserer Innenstädte ist hart umkämpft, sichtbar wird das vor allem am Straßenrand: Neue Sharing-Mobilitätskonzepte, Paket- und Lieferdienste, öffentliche Verkehrsmittel, parkende Autos und Fußgänger konkurrieren um den begrenzten Platz. Der Wettbewerb wird zunehmend härter und auch gefährlicher: Taxis und Lieferdienste weichen schnell auf Fuß- und Fahrradwege aus, wobei die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen gefährdet werden. Eine sorgfältig geplante und effektive Nutzung von Straßenrändern ist daher für alle Nutzer*innen wichtig.
Das US-amerikanisches Startup Coord will hier Abhilfe schaffen: Im April 2019 ging die Open-Access-Plattform „Open Curbs“ online. Das Tool gibt den genauen Standort von Hydranten, Parkzonen, Einfahrten oder Bushaltestellen an. Zuvor mussten Stadtplaner, Mobilitätsunternehmen und andere Nutzende des Raums am Straßenrand selbst aufwändige Beobachtungen durchführen. Mit Open Curbs sind diese Daten nun digitalisiert und als offene API frei zugänglich.
Mit der Plattform soll eine Informationslücke geschlossen werden; sowohl der öffentliche als auch der private Sektor sollen von den Daten profitieren. Reguliert wird die Nutzung der Straßenränder von Stadtplanern und öffentlichen Ämtern. Hier kann Open Curbs wichtige Informationen liefern und die Regulierungen können auf die ortsspezifische Nutzung zugeschnitten werden. So kann beispielsweise der öffentliche Nahverkehr verbessert werden. Private Anbieter von Sharing-Mobilitäts-Services oder sonstigem Personentransport können ihre Angebote mithilfe der Plattform an das Straßenbild anpassen und so deutlich effektiver funktionieren. Außerdem greifen Forschungsprojekte bezüglich Routing-Effizienz von Staus, Lieferunternehmen oder Parking-Apps auf die Daten zurück. Coord schreibt in einer Pressemitteilung, dass mit seiner Plattform eine „gemeinsame Sprache für die Bordsteinkante“ („shared language for the curb“) geschaffen wurde und so eine Zusammenarbeit aller Nutzer*innen ermöglicht wird. „Wir erhöhen den Wasserstand, damit alle Boote schwimmen können“, so Coord-CEO Stephen Smyth.
Coord ist ein Spin-off von Alphabet (Googles Muttergesellschaft) und sammelt die Daten für Open Curbs vor allem durch die eigene App „Surveyor“. Hier können Nutzende ein Foto schießen und sich dann mithilfe von Augmented Reality auf einer Karte positionieren. Diese Informationen werden mit Daten aus bestehenden Plattformen wie Google Street View kombiniert. Mithilfe von maschinellem Lernen kann die App mittlerweile einen Block innerhalb von durchschnittlich drei Minuten digital visualisieren.
Kostenlos und leicht verständlich
Zuvor waren das Sammeln und Pflegen solcher Daten für einzelne Städte sehr teuer und mühsam. „Ursprünglich wurden wir durch die Bemühungen vieler Städte um offene Datenportale inspiriert“, berichtet Sara Wiedenhaefer, Marketing Manager von Coord, gegenüber RESET. Die Städte New York und Seattle stellten Coord bereits früh verschiedene Daten über die Nutzung der Straßenränder zu Verfügung. „Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, diese Daten an andere Städte weiterzuleiten“, so Wiedenhaefer weiter. Da die einzelnen Städte unterschiedliche Formate nutzten, wurde ein gemeinsamer Standard für die offenen Daten geschaffen. Mithilfe der Plattform können die Informationen nun zwischen Städten geteilt werden, indem sie gesammelt, standardisiert und frei zugänglich gemacht werden.
Coord setzt das Konzept mittlerweile schon in mehreren Ländern um: Neben vielen US-amerikanischen Metropolen (Santa Monica, Denver, Los Angeles, San Francisco, San Diego, Miami, Washington D.C., Austin und Philadelphia) konnten auch in den europäischen Städten Paris und Mailand bereits genaue Beobachtungsdaten gesammelt werden, die nun über Open Curbs zugänglich sind.
Mit Open Curbs stellt Coord eine Plattform zur Verfügung, die helfen kann, dem Verkehrschaos in unseren Innenstädten entgegen zu arbeiten. Der interdisziplinäre Ansatz der Idee und die Vernetzung verschiedener Akteure bergen großes Potenzial. Mittlerweile gibt es verschiedenen Mitbewerber, z.B. curbFlow oder Passport, die an ähnlichen Projekten arbeiten. Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung der Daten ist sicherlich, dass Akteure aus dem öffentlichen und privaten Sektor an einem Strang ziehen. Um die Straßenränder zu entlasten und effektiver nutzen zu können, müssen Kompromisse eingegangen werden und es bedarf einer gemeinsamen Planung. Die Open-Curbs-Plattform kann hierbei durchaus ein wichtiges Informationsmedium sein.
Dennoch bleibt der Raum am Straßenrand auch bei sehr guter Vernetzung begrenzt und kann natürlich nicht von unendlich vielen Fahrzeugen genutzt werden. Wichtig ist daher, dass weiter an Lösungen und Strategien gearbeitet wird, die dazu beitragen, dass möglichst wenige Fahrzeuge unsere Innenstädte verstopfen und aus Klimaschutz- und Gesundheitsaspekten CO2-Emissionen deutlich reduziert werden. Ein Beispiel, über das wir bei RESET bereits berichtet haben, ist u.a. die Zurücklegung der sogenannten „letzten Meile“ mithilfe von E-Fahrradkurieren und Lastenrädern.
Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.
Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Künstliche Intelligenz – Können wir mit Rechenleistung unseren Planeten retten?“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier KI

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.
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