Okular: Der kostenlose Dokumentenbetrachter ist die weltweit erste Software mit Umweltsiegel

Nicht nur die Hardware digitaler Technologien hat einen Einfluss auf den Energieverbrauch unserer Technologien, sondern auch die Software. Der blaue Engel schafft Transparenz.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 20.04.22

Die Digitalisierung hat ihren Preis, denn unsere digitalen Tools sorgen für steigende CO2-Emissionen. Im Fokus steht dabei hauptsächlich die Hardware, also der Strombedarf von Computern, Laptops und Smartphones. Doch auch die Software selbst hat einen Einfluss. Software ist im Grunde eine Liste von Anweisungen, die die Hardware ausführen muss. Obwohl also am Ende die Hardware die Energie verbraucht, ist es die Software, die diesen Verbrauch steuert. Dabei gilt: Je komplexer eine Software ist oder je ineffizienter sie programmiert wurde, desto härter müssen Computersysteme arbeiten, um ihre Funktionen zu erfüllen. Dies führt dazu, dass mehr Energie verbraucht und mehr Abwärme erzeugt wird.

Doch langsam, aber sicher rücken auch die Auswirkungen von Software auf den Energieverbrauch in den Fokus. Am deutlichsten zeigt sich das vielleicht an der zunehmenden Kritik an Kryptowährungs- und Blockchain-Plattformen, die extrem energieintensive Algorithmen für ihren Betrieb verwenden. Insbesondere die jüngste Explosion von NFTs hat für Schlagzeilen gesorgt, wobei sogar gemeinnützige Organisationen selbst wegen dem Einsatz NFTs unter Beschuss geraten sind.

Der Vorstoß für klimafreundliche Software wurde von staatlichen Organisationen wie dem Umweltbundesamt unterstützt, das nun neue Vergabekriterien für sein seit langem bestehendes Umweltzeichen Blauer Engel entwickelt hat. Seit über 40 Jahren zeigt das Umweltzeichen Blauer Engel den Verbraucher*innen, welche Produkte wirklich umweltfreundlich und nachhaltig sind – vom Auto bis zum Wasserkocher. Damit ist der Blaue Engel das älteste Umweltzeichen der Welt – und hat sich nach Rechenzentren und Hardware jetzt auch der Zertifizierung von Software zugewandt.

Der Preis geht an…

Der erste Blaue Engel für Software wurde an Okular verliehen, einen universellen Dokumentenbetrachter, der vom Open-Source-Softwareentwickler KDE entwickelt wurde. Auf den ersten Blick scheint Okular kein besonders ehrgeiziges Projekt zu sein – schließlich stellt es lediglich PDFs, EPubs, Bilder und andere Formate auf dem Bildschirm dar. Das machen unzählige andere Softwareprogramme auch. Aber genau aus diesem Grund wurde es für den Preis ausgewählt, da es die Funktionen anderer Software übernimmt, aber mit einer wesentlich höheren Effizienz.

All dies hat einen Dominoeffekt: Je effizienter eine Software ist, desto weniger Energie benötigt sie und desto weniger CO2 wird letztlich produziert. Effizientere Software belastet auch Hardware-Systeme wie Grafikprozessoren und Kühlsysteme weniger, was bedeutet, dass sie länger halten und ihr Leistungsniveau beibehalten- und trägt letztlich dazu bei, das digitale Zeitalter nachhaltiger zu gestalten.

Okular ist nicht nur effizienter, sondern hält sich auch an andere Grundsätze für nachhaltige Software, die mit dem Blauen Engel ausgezeichnet wurden. Dazu gehört unter anderem, dass darauf geachtet wurde, dass die Software abwärtskompatibel, deinstallierbar, modulal, offline-fähig und werbefrei ist und die Datenschutzvereinbarungen transparent sind.

Es bleibt zu hoffen, dass Initiativen wie der Blaue Engel für Software nicht nur Verbraucher*innen darüber informiert, welche Rolle Software für den ökologischen Fußabdruck ihres digitalen Lebens spielt, sondern auch einen neuen Maßstab schaffen, an dem sich Softwareentwickler*innen in Zukunft messen lassen können. Denn auch bei Computerprogrammen, Videospielen und Streaming-Diensten ist noch viel Luft nach oben, wenn es um die Nachhaltigkeit der Software geht.

Den „Blauen Engel“ gibt es nun auch für Software, Server und Rechenzentren

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