Seine Idee, mit einem speziellen Fangnetz in unseren Meeren auf Plastikjagd zu gehen, machte den jungen niederländischen Erfinder Boyan Slat bei einem TED-Talk 2012 weltbekannt. Damals war er 18 Jahre alt und sein Projekt ging durch sämtliche Medien weltweit. Schockiert von Bildern, die ganze Inseln aus Plastik, heillos in Netzen verfangene Meerestiere oder deren plastikgefüllten Mägen zeigten, verbanden viele Menschen mit Slats Idee die Hoffnung auf ein Ende der Plastikflut in unseren Meeren. Innerhalb kürzester Zeit gelang es dem Erfinder, mehr als 40 Millionen US-Dollar einzusammeln, um seine Idee zu finanzieren.
Die Idee hinter dem Ocean Cleanup-Projekt war es, eine bogenförmige Konstruktion aus schwimmenden Plattformen zu entwickeln, die mittels der natürlichen ozeanischen Kräfte den Plastikmüll, der von den Meeresströmungen mitgeführt wird, fangen und konzentrieren sollten. Die sehr ambitionierten Berechnungen zeigten, dass das System innerhalb von fünf Jahren 50 Prozent des Great Pacific Garbage Patch, eine der größten Ansammlungen von Plastikmüll, reinigen könnte. Damit wäre es durchaus realistisch gewesen, in einer absehbaren Zeit unsere Meere von sämtlichen Kunststoffen zu befreien.
Tatsächlich hat Slat sein Projekt unermüdlich vorangetrieben und ab 2016 eine Reihe von Prototypen und Testgeräten entwickelt. Schließlich wurde dann 2018 ein 600 m langer Ausleger aus der Bucht von San Francisco verschifft, ausgestattet mit einem 3 m in die Tiefe hängenden „Rock“, in dem sich der schwimmende Kunststoff verfangen sollte. Nach einigen erfolgreichen Tests wurde der Ausleger tief in den Great Pacific Garbage Patch geschleppt, um dort, in einer der größten Plastikinseln, die bunten Abfälle unserer Zivilisation einzusammeln: Taschen, Flaschen, Tüten, Netze…
Ocean Cleanup sticht in See…. und fängt das Plastik nicht ein
Doch bei dem Betrieb auf hoher See gab es zwei große Probleme. Erstens konnte das System anfangs keine Kunststoffe einfangen. Das Team berichtete am 20. November letzten Jahres, dass Plastik hereingeflossen sei – und geradewegs wieder herausgetrieben wurde. Das wahrscheinliche Problem dahinter: Der Kunststoff, der von Wellen, Wind und Meeresströmungen angetrieben wird, bewegt sich schneller als das U-förmige Sammelsystem. Das Team will nun das System modifizieren, um die Geschwindigkeit zu verbessern. Dazu sollen die Öffnungen der U-Form weiter geöffnet werden, um die Oberfläche zu vergrößern und so ein größeres „Segel“ im Wasser zu schaffen.
Das zweite große Problem war, dass der Ausleger zerbrach – ein 18 m langer Abschnitt des Auslegers hatte sich gelöst. Der Grund war wohl „Materialermüdung“, wie Slat in einem Blogbeitrag auf der Ocean Cleanup-Seite schreibt. Er fügte hinzu, dass das Team „natürlich ziemlich deprimiert darüber ist“.
Insgeheim habe man gehofft, dass der Ausleger gleich am ersten Tag magischerweise wie geplant funktionieren würde, sagt Slat. Aber man sei durchaus realistisch gewesen und habe von Anfang an geplant, mehrmals ein- und auszufahren. Damit liegen die Probleme laut Boyan Slat durchaus im erwarteten Bereich.
Aktuell wird das System zur Aufrüstung und Reparatur nach Hawaii geschleppt. Im Gepäck: immerhin zwei Tonnen Plastik, darunter zwei riesige Geisternetze, die nun recycelt werden sollen.
„Wir haben dich gewarnt“, sagen die Kritiker.
Das Projekt Ocean Cleanup hatte von Anfang an nicht nur Fans, sondern auch Kritiker. Vor allem die konkrete Umsetzung wurde kritisiert mit Argumenten wie:
„Selbst ein ruhiger Ozean wird das System zerstören, geschweige denn, was ein Sturm anrichet.“
„Nur ein Bruchteil des Plastikmülls schwimmt an der Oberfläche des Ozeans. Es hilft nicht, nur den „Gipfel des Ozeans“ zu erklimmen.“
„Mit dem System kann das Meeresleben geschädigt werden.“
„Der Ozean ist ein großer, gemeiner Ort“, so drückt das die Ozeanographin Kim Martini aus, die das Projekt analysiert und überprüft hat. „Es klingt, als hätte es Materialermüdung durch wiederholte Bewegungen erlitten, was etwas ist, das, wie man weiß, auf dem Ozean unermüdlich passiert. Es ist nicht wirklich überraschend.“
Was bleibt also?
Zum aktuellen Zeitpunkt ist das Projekt noch nicht als gescheitert zu betrachten. Vielleicht lassen sich mit einigen Modifikationen ja tatsächlich die Probleme in den Griff bekommen. Und es ist nicht auszuschließen, dass sich andernorts eine Lösung findet. Auch weitere Projekte haben sich auf eine ähnliche Mission begeben, wie z.B. die Seekuh, das Projekt Pacific Garbage Screening oder die Waste Sharks.
Nichts desto trotz zeigt die schwierige Projektentwicklung einmal mehr, dass wir nicht darum herum kommen, das Problem bei der Wurzel anzupacken, statt alle Hoffnungen in aufwändige, technische Lösungen zu setzen, die sich hinterher um den Schlamassel kümmern müssen, den wir selbst angerichtet haben. An erster Stelle geht es darum, dass Plastik erst gar nicht in unseren Meeren landet. Wie das geht? Die Formel ist einfach: Plastik vermeiden, richtig entsorgen und recyceln. Die Umsetzung? Mitunter leider sehr schwierig – aber nicht unmöglich! Hoffnung macht, dass auch auf politischer Ebene mittlerweile Schwung in die Sache kommt; das im Dezember 2018 von der EU verabschiedete Verbot bestimmter Plastikartikeln zeigt das deutlich.
Dieser Artikel ist in Teilen eine Übersetzung des auf unserer englischsprachigen Webseite erschienen Artikels von Tristan Rayner.