Neues Verfahren soll Zement weniger klimaschädlich machen

Zement ist der Grundstoff wachsender Städte schlechthin. Aber der Baustoff ist mit enormen Umweltkosten verbunden. Neue Verfahren sollen das ändern.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 17.08.22

Mit der zunehmenden Weltbevölkerung erhöht sich auch der Druck auf die Versorgung all dieser Menschen mit Wasser, Nahrungsmitteln und Energie. Gleichzeitig wächst auch der Bedarf an Wohnraum. Zement und Beton sind dabei oft die einfachste Lösung für die wachsende Stadtbevölkerung und die ausufernde Urbanisierung, insbesondere im globalen Süden.

Zement, der häufig als Markenzeichen schlecht geplanter Wohnsiedlungen oder kommunistischer Nachkriegsregime gilt, ist der Hauptbestandteil bei der Schaffung unserer „Beton-Dschungel“. Und während Psycholog*innen und Soziolog*innen über die gesellschaftlichen und psychologischen Auswirkungen von Beton debattieren, ist ein Punkt auf jeden Fall klar: die negativen Auswirkungen des Baustoffs auf die Umwelt.

Die Herstellung von Zement ist vor allem aus zwei Gründen umweltschädlich. Erstens erfordert der Herstellungsprozess viel Wärme, was sich in einem hohen Energiebedarf niederschlägt. Zweitens entsteht bei der Kalzinierung – dem Erhitzen von Kalkstein zur Herstellung von so genanntem Klinker – auch Kohlendioxid als Abfallprodukt. Rund 60 Prozent des CO2-Fußabdrucks von Zement resultieren allein aus diesem Prozess. Damit ist die Zementindustrie weltweit für rund acht Prozent aller Emissionen verantwortlich ist. Laut IEA stieg die direkte CO2-Intensität der Zementproduktion zwischen 2015 und 2020 um 1,8 Prozent pro Jahr. Um im Jahr 2030 bei Netto-Null-Emissionen anzukommen, ist daher ein jährlicher Rückgang um 3 Prozent erforderlich.

Die IEA schlägt vor, sowohl neue Zementmischungen, die weniger Klinker verbrauchen, als auch innovative Technologien einzusetzen, um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen. Auch das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) hat in zusammen mit der Heriot-Watt University Studien zu genau diesem Thema durchgeführt.

Die deutsch-schottische Zusammenarbeit hat sich mit dem Prozess der CO2-Mineralisierung befasst, um eine Form der Kohlenstoffabscheidung zu schaffen. Bei der Mineralisierung wird das abgeschiedene CO2 mit anderen Mineralien wie magnesium- oder kalziumreichen Silikaten umgesetzt, die unbegrenzt gelagert oder zur Herstellung anderer Produkte verwendet werden können. Das bringt viele Vorteile mit sich.

Versuche, die Bauindustrie mit anderen Technologien oder Materialien, wie zum Beispiel der Kohlenstoffabscheidung und Holz, zu dekarbonisieren, werden dadurch eingeschränkt, dass sie kaum durchführbar oder wirtschaftlich unzumutbar sind. Das Ergebnis der CO2-Karbonisierung kann jedoch entweder als separates Produkt verkauft oder in die Herstellung von Beton selbst zurückgeführt werden. Bestimmte Mineralisierungsverbindungen könnten zum Beispiel als Zusatzstoffe für Zement verwendet werden, wodurch neue, weniger ressourcenintensive Zementmischungen entstehen.

Der Mineralisierungsprozess kann in bestehende Strukturen integriert werden.

Laut den Autor*innen einer Studie, die in Communications Earth & Environment (Nature Portfolio) veröffentlicht wurde, könnte der resultierende Zement die CO2-Emissionen um acht bis 33 Prozent reduzieren und einen zusätzlichen Gewinn von 32 EUR pro Tonne Zement einbringen. Derzeit wird eine Tonne Zement für rund 120 EUR verkauft – ein Rekordhoch.

Das 1,5-Grad-Ziel ist ohne eine echte Transformation unseres Energiesystems unerreichbar. Aber wie kann sie gelingen? Was sind die Energiequellen der Zukunft? Welche digitalen Lösungen stehen bereit und wo sind Innovationen gefragt? Und wie kann die Transformation vorangetrieben werden?

Das RESET-Greenbook „Energiewende- Die Zukunft ist vernetzt“ stellt digitale, innovative Lösungen vor und beleuchtet die Hintergründe.

Die Studie räumt jedoch auch ein, dass sich einige Dinge ändern müssen, damit der Mineralisierungsprozess für die Unternehmen rentabel wird. Die Vorschriften und der bürokratische Aufwand im Zusammenhang mit den Zementnormen müssen möglicherweise angepasst werden, um eine breitere Verwendung anderer Mischungen zu ermöglichen, während die Speicherung von CO2 in Mineralien auch für Gutschriften im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems oder ähnliches in Betracht kommen sollte. Und selbst wenn dies Realität wird, betonen die Autor*innen der Studie auch die Notwendigkeit von Subventionsprogrammen, wie sie bei den erneuerbaren Energien eingesetzt werden, um Anreize für alternative Verfahren zu schaffen.

Es gibt aber auch andere Alternativen und Methoden, die für die Sanierung von Zement entwickelt werden, wie zum Beispiel die Rückführung von Kohlenstoff in den Zement, um diesen zu verstärken und zu verfestigen. Oder in einem neueren Projekt werden Bakterien als Mittel zur Bindung von Zuschlagstoffen in Beton eingesetzt. Eine weitere potenzielle Lösung ist die Verwendung anderer Baumaterialien, wie zum Beispiel recycelte Kunststoffe.

dbu-logo

Dieser Artikel gehört zum Dossier „Energiewende – Die Zukunft ist vernetzt“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

Mehr Informationen hier.

Bauen, aber nachhaltig: Kann ein digital-gestütztes Wiederaufforstungsprojekt den Bausektor umstrukturieren?

Beton, Aluminium und Stahl sind wenig nachhaltige Baustoffe – insbesondere in feucht-warmen Klimaregionen. Ein Aufforstungsprojekt will nun die ökologische, ökonomische und soziale Komponente von Nachhaltigkeit im Bausektor kombinieren.

Biomason: Kann Zement aus Bakterien das Baugewerbe aufmischen?

Die aktuelle Zementherstellung ist schmutzig, langsam und kompliziert. Mit einem neuen „Biozement“ will ein US-amerikanisches Startup das ändern.

100 Prozent erneuerbare Energien gelingt nur mit Effizienz und Intelligenz. Severin Beucker (Borderstep Institut) im Interview

Wie gelingt die Transformation unseres Energiesystems hin zu Klimaneutralität? Für Severin Beucker, Mitgründer des Borderstep-Instituts, sind die wichtigsten Voraussetzungen: Effiziente und intelligente Netze und Verbraucher*innen.

Solar panels
© Unsplash-Lizenz
Eine echte Alternative: Perowskite in der Solarzellen-Technologie

Herkömmliche Solarzellen sind auf knappe Silizium-Ressourcen aus dem Bergbau angewiesen. Was wäre, wenn es eine umweltfreundlichere Lösung gäbe? Perowskit-Tandemsolarzellen sind effizient und einfach herzustellen.

solar panel on house
© Vivint Solar/ Unsplash-Lizenz
Erneuerbare Energien in Europa mithilfe eines geografischen Informationssystems stärken

Ein neues Instrument der EU soll bei dem Umstieg auf erneuerbare Energien unterstützen.

Mikro-Wasserkraftwerk: Energyfish generiert saubere Energie mit geringem Umwelteinfluss

Die kleinen Wasserkraftwerke sind schnell und einfach in Flüssen installiert und liefern kontinuierlich saubere Energie.

RESET
„Wahl-o-Mat“ für die Energiewende: Cleveres Online-Tool bringt euch zum passenden Projekt

Obwohl viele Menschen die Ziele einer Energiewende unterstützen, beteiligen sich nur wenige an Projekten und Initiativen. Das Online-Tool „Energiewende-O-Mat“ will das ändern.

Europe map
© KOBU Agency/ Unsplash-Lizenz
Erneuerbare Energien mittels Kartierungs-Tool voranbringen

Das EU-Labor für Energie- und Industriegeografie hat einen neuen Weg geschaffen, um die Mitgliedstaaten bei der Erschließung neuer Flächen für erneuerbare Energien zu unterstützen – und so das volle Potenzial auszuschöpfen.