Neues intelligentes Dachmaterial reguliert Temperaturen in Gebäuden automatisch – emissionsfrei

Ein neues Dachmaterial kann dazu beitragen, Emissionen beim Heizen und Kühlen von Gebäuden das ganze Jahr über zu reduzieren.

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Übersetzung Lara Sophie Sander, 09.03.22

Als Folge des Klimawandels werden die jahreszeitlichen Schwankungen des Wetters immer extremer. Damit steigen auch die Emissionen, die beim Heizen oder Kühlen von Häusern entstehen. In den USA zum Beispiel entfallen etwa 13 Prozent der CO2-Emissionen auf die Haushalte, denn gerade in den Wintermonaten wird hier kräftig geheizt. Die US-Umweltschutzbehörde empfiehlt daher effizientere Heiz- und Kühlsysteme.

Forschende der Abteilung für Materialwissenschaften der UC Berkeley haben nun ein neues Produkt entwickelt – ohne Stromverbrauch und ohne Emissionen – das dieses Ziel verwirklichen könnte. Das neue Material nennt sich Temperature Adaptive Radiative Coating – kurz TARC. Das besondere an diesem Material ist die Fähigkeit, dass es seine Beschaffenheit bei Temperaturschwankungen im Laufe des Tages oder Jahres verändern kann. Herkömmliche Dachziegel, Dachschindeln oder Membrane verwenden üblicherweise „kühlfarbige“ Oberflächen, die Sonnenlicht absorbieren oder reflektieren. Hellere Farben geben einen Teil der absorbierten Sonnenwärme als thermische Infrarotstrahlung ab, ein natürlicher Prozess, der als Strahlungskühlung bekannt ist.

Dieser Ansatz trägt zur Kühlung von Gebäuden in den wärmeren Jahreszeiten bei, verursacht aber auch Probleme in den kälteren Monaten des Jahres. Im Winter reflektieren helle Oberflächen weiterhin die thermische Infrarotstrahlung, wodurch das Gebäude abkühlt und verstärkt geheizt werden muss – was wiederum zu höheren Emissionen führt.

Das Ziel des Berkeley-Teams war es daher, ein Material zu entwickeln, das im Sommer kühlt und im Winter wärmt. Bei dem Metall namens Vanadiumdioxid, das seine Beschaffenheit bei unterschiedlichen Temperaturen verändern kann, wurden sie fündig. Als sogenanntes Phasenwechselmaterial wird Vanadiumdioxid bei kühleren Temperaturen zu einem Isolator, der die Wärme im Gebäude hält. Bei niedrigeren Temperaturen ist das TARC darüber hinaus transparent, wodurch es weniger Wärmestrahlung im Infrarotbereich absorbiert – und diese dann auch nicht abstrahlt.
Bei höheren Temperaturen, etwa 67 Grad Celsius, verwandelt sich Vanadiumdioxid in einen metallischen Leiter, der die Wärme absorbieren und dann aus dem Gebäude abstrahlen kann. Im Grunde bietet eine TARC-Beschichtung so die Möglichkeit, ein Gebäude automatisch zu heizen oder zu kühlen, ohne dass irgendeine Art von Elektrizität oder Überwachung benötigt wird.

Bei einer Reihe von Experimenten ermittelte das Team die Auswirkungen von TARC-Beschichtungen auf Dachziegeln. Das TARC selbst ist ein Material, das sich ähnlich eines Klebebands schnell und einfach an bereits bestehenden Strukturen anbringen lässt. Nachdem die Forschenden die grundlegende Leistungsfähigkeit in Tests unter realen Bedingungen in Kalifornien festgestellt hatten, wurden die Testdaten dann verwendet, um die Leistungsfähigkeit von 100.000 theoretischen Gebäuden in 15 verschiedenen Klimazonen auf dem amerikanischen Festland zu simulieren.

Die Ergebnisse zeigten, dass das neue TARC in 12 der 15 Zonen besser abschneidet als bestehende Dachbeschichtungen. Diese Ergebnisse ließen sich vor allem in Regionen mit starken Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, wie in San Francisco, oder zwischen Sommer und Winter, wie in New York City, beobachten.

Nach den Messungen der Forscher reflektiert das TARC ganzjährig etwa 75 Prozent des Sonnenlichts, gibt aber bei warmem Umgebungswetter (über 25 Grad Celsius) etwa 90 Prozent der Wärmestrahlung ab. Bei kühleren Temperaturen sinkt diese Strahlung automatisch und trägt dazu bei, die absorbierte Wärme aus der Sonnenstrahlung und der internen Heizung zu speichern. Dadurch könnte der Heizbedarf um etwa 10 Prozent gesenkt werden.
„Die einfache Physik sagte voraus, dass TARC funktionieren würde, aber wir waren überrascht, dass es so gut funktioniert. Ursprünglich dachten wir, dass der Wechsel von Erwärmung zu Kühlung nicht so dramatisch sein würde. Unsere Simulationen, Freiland- und Laborexperimente haben das Gegenteil bewiesen – das ist wirklich aufregend“, berichtet Junqiao Wu, einer der Forschenden.

Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.

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Der nächste Schritt des Projekts wird sein, Experimente im größeren Maßstab durchzuführen, um die Leistung von TARC als praktische Dachbeschichtung zu testen. Darüber hinaus könnte das Material aber auch andere Verwendungsmöglichkeiten haben, zum Beispiel zum Wärmeschutz von Batterien, um die Lebensdauer von Laptops und Smartphones zu verlängern oder um Satelliten und Fahrzeuge vor extremer Hitze zu schützen. Aufgrund seiner klebebandähnlichen Eigenschaften könnte es auch für die Entwicklung spezieller temperaturregulierender Stoffe für Zelte oder sogar Kleidung verwendet werden.

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