Greenpeace-Report deckt die Verbindung der Tech-Giganten mit der Gas- und Ölindustrie auf

Der neue Greenpeace-Report „Oil in the Cloud: How Tech Companies are Helping Big Oil Profit from Climate Destruction“ zeigt, wie die Internetgiganten der Öl- und Gasindustrie dabei helfen, den Klimawandel weiter anzuheizen.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 11.06.20

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut:

Google, Amazon, Microsoft – alle drei Tech-Giganten haben in den letzten Jahren ambitionierte Klimaziele bekannt gegeben. Google war eines der ersten Technologieunternehmen, das sich verpflichtete, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen. Seit 2017 kauft das Unternehmen jedes Jahr genug erneuerbare Energien, um seinen weltweiten Stromverbrauch komplett zu decken. Darüber hinaus berichtet Google über seinen Gesamtenergieverbrauch und konnte zeigen, dass sein CO2-Fußabdruck von geschätzten 4,9 Millionen Tonnen CO2 auf 1,2 Millionen Tonnen CO2 gesunken ist. Nun unternimmt Google den nächsten Schritt und plant, auch aus seinen Rechenzentren fossile Brennstoffe zu verbannen. Microsoft verkündete Anfang diesen Jahres, bis 2030 „kohlenstoffnegativ“ werden zu wollen, mit dem langfristigen Ziel, auch alle seine bereits in die Atmosphäre gepusteten Emissionen bis 2050 auszugleichen. Und auch Amazon hat Pläne, seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren: Im September 2019 gab Jeff Bezos, der CEO von Amazon, als Reaktion auf den zunehmenden Druck seiner Beschäftigten und der Öffentlichkeit ein neues „Klimaversprechen“ des Unternehmens bekannt. Darin setzt Amazon sich das Ziel, bis 2030 ebenfalls seinen Strombedarf durch 100 Prozent erneuerbare Energien abzudecken und bis 2040 CO2-neutral zu werden.

Die neuen, teilweise sehr ambitionierten Ziele klingen beeindruckend. Doch weder in Googles sorgfältiger Aufstellung der Kohlenstoffemissionen noch in Microsofts oder Amazons Kohlenstoff-Rechnung tauchen die zusätzlichen Emissionen auf, die durch die Verbindung der Big Player der Tech-Industrie zu einigen der schmutzigsten Firmen der Welt entstehen. Denn die Konzerne verkaufen ihre Dienstleistungen an die Öl- und Gasindustrie und unterstützen diese so dabei, mehr Öl und Gas schneller und billiger aus dem Boden zu holen und auf den Markt zu bringen – und heizen damit den Klimawandel weiter an.

Der neuste Greenpeace-Report deckt diese Verknüpfungen von Big Tech und Big Oil auf. Mit vielen Beispielen belegen die Autor*innen, wie die großen Ölkonzerne wie Shell, BP, Chevron, ExxonMobil und andere die Dienste der Cloud-Giganten und ihre leistungsstarken Rechenkapazitäten nutzen. Greenpeace konnte in jeder Phase der Öl- und Gasförderkette Verträge zwischen Technologiefirmen und Öl- und Gasunternehmen finden: Cloud Computing und KI-Software unterstützen die Entdeckung, Förderung, Verteilung, Raffinierung und Vermarktung von Öl und Gas und technologische Innovationen – vom Hydraulic Fracturing bis hin zu Horizontalbohrungen – haben dazu beigetragen, dass Öl- und Gasvorkommen, die früher als zu riskant oder teuer galten, nun für die Förderung erschlossen werden. Dazu zählt beispielsweise auch der amerikanischen Schiefer-Boom.

Die Uhr tickt – Zeit, Verantwortung zu übernehmen

Die Wissenschaft ist sich einig darin, dass die weiter zunehmende Öl- und Gasproduktion unsere Klimaziele außer Reichweite rückt – die Verträge von Microsoft, Google und Amazon mit der Ölindustrie unterlaufen die neu verkündeten Klimaverpflichtungen daher komplett.

Microsoft scheint die meisten Verträge mit Öl- und Gasunternehmen zu haben und bietet KI-Lösungen für alle Phasen der Ölförderung an. Allein ein Vertrag von Microsoft mit ExxonMobil könnte zu Emissionen führen, die mehr als 20 Prozent des gesamten jährlichen Kohlenstoff-Fußabdrucks von Microsoft ausmachen. Amazon hat vor allem Verträge für Pipelines, Verschiffung und Lagerung für Öl- und Gasunternehmen. Und die Amazon Web Services (AWS)-Cloud ist die größte der Welt und wird von Öl- und Gasunternehmen genutzt, um Öl effizienter auf den Markt zu bringen.

Zusätzlich zu spezifischen Verträgen über KI und maschinelles Lernen für die Verwaltung von Datensätzen sind alle drei Cloud-Unternehmen Teil des Open Subsurface Data Universe-Forums (OSDU), einer internationalen Gruppe von Öl- und Gasunternehmen, die eine offene Datenplattform für die Öl- und Gasindustrie aufbauen will. Unter ihnen befinden sich Shell, Chevron, Schlumberger, ExxonMobil, Total, BP, ConocoPhillips und Devon Energy. Die Öl-Unternehmen wollen mit dieser offenen Datenplattform bisher nicht erkannte Ölvorkommen effizienter und effektiver ausfindig machen und diese Vorkommen mit Methoden erschließen, die bisher als zu riskant oder zu teuer galten. All dies wird durch die Technologien des maschinellen Lernens und des Hochleistungsrechnens ermöglicht, die von Google Cloud, Microsoft Azure und Amazon Web Services bereitgestellt werden.

Alle drei Technologieunternehmen scheinen sich der Diskrepanz zwischen ihren erklärten Klimazielen und den tatsächlichen Klimaauswirkungen der Unterstützung des Sektors für fossile Brennstoffe bei der Steigerung von Produktivität und Effizienz durchaus bewusst zu sein, wie der Greenpeace-Report feststellt. Seitdem das öffentliche Bewusstsein für diese Verträge gestiegen ist, haben alle drei Unternehmen ihre Websites aktualisiert und sprechen nun den Energiesektor allgemein und nicht mehr explizit den Öl- und Gassektor an.

Wirklich geändert hat sich damit jedoch noch nichts. Daher fordert Greenpeace die Cloud-Unternehmen auf, sich öffentlich zu verpflichten, problematische Verträge mit dem Öl- und Gassektor zu beenden, die explizit der Exploration oder erhöhten Produktion fossiler Brennstoffe dienen: „Wenn Microsoft, Amazon und Google es wirklich erst meinen mit ihrer Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise voranzugehen, müssen sie aufhören, Geschäftsabschlüsse zu verfolgen, die die Expansion der Industrie für fossile Brennstoffe vorantreiben, eine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schaffen und die Zukunft des Planeten weiter gefährden.“ Immerhin erklärte Google kürzlich, dass es keine kundenspezifischen Lösungen, die auf KI und maschinelles Lernen setzen, mehr entwickeln wird, um die Förderung für Öl- und Gasunternehmen zu erleichtern. Dies ist ein erster guter Schritt – doch für einen wirklichen Ausstieg aus dem fossilen Energiemarkt müssen die Tech-Unternehmen ihre noch laufenden Verträge mit der fossilen Brennstoffindustrie von KI und Cloud-Services auslaufen lassen. Außerdem sollten die Technologiekonzerne neben der Beendigung problematischer Verträge auch ihre eigenen betrieblichen Emissionen so schnell wie möglich weiter reduzieren. Die Hebelwirkung könnte groß sein, denn Microsoft, Alphabet (Alphabet Inc. ist eine börsennotierte US-amerikanische Holding der vormaligen Google LLC ) und Amazon gehören zu den fünf größten Unternehmen der Welt (nach Börsenwert).

Um den Druck auf die Tech-Giganten zu erhöhen, nicht weiter beim Öl-Business mitzumischen, läuft eine Kampagne bei Greenpeace. Hier kannst du sie unterzeichnen: Tell Tech Companies: Stop Fueling the Climate Crisis! End Big Oil Contracts!

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