Neue Tracking-Technologie soll das Vertrauen in die humanitäre Hilfe auf der letzten Meile wiederherstellen

Eine Frau aus Sierra Leone und ihr Kind folgen einem britischen Soldaten, der Lebensmittel in ihr Dorf bringt.

Gewalt, Korruption und ineffiziente Infrastrukturen können die Bereitstellung humanitärer Hilfe erschweren. Track & Trust soll die letzte Meile zu den Hilfsbedürftigen erleichtern.

Autor*in Lana O'Sullivan:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 22.07.24

Bei der Bereitstellung von Lebensmitteln und Medikamenten in der humanitären Hilfe ist die letzte Meile der wichtigste Abschnitt. Die „letzte Meile“ ist die Etappe, bevor die Hilfe die Hände derer erreicht, die sie benötigen. Obwohl es sich hierbei um den wohl wichtigsten Schritt in der humanitären Hilfe handelt, ist er in der Regel auch der schwierigste. Verschiedene, oft komplexe Hindernisse verhindern regelmäßig, dass die Hilfe die Empfänger:innen erreicht. Dazu gehören wie logistische Ineffizienzen, Gewalt und Korruption. Das wiederum kostet Logistikunternehmen Zeit und Geld und hat einen enormen Einfluss auf das Vertrauen der Menschen in die Hilfe insgesamt.

Die Tracking Technologie Track & Trust, das vom Web3-Innovator Datarella in Zusammenarbeit mit der humanitären Hilfsorganisation Aid Pioneers entwickelt und von der Europäischen Weltraumorganisation finanziell unterstützt wurde, will sich der anhaltenden Herausforderungen annehmen. Die Technologie wurde speziell für den Einsatz in Krisenregionen mit schlechter Internetverbindung entwickelt.

Hilfslieferungen auf der letzten Meile in Westafrika während des Ebola-Ausbruchs

Nehmen wir zum Beispiel die Hilfslieferungen während des tödlichen Ebola-Ausbruchs in Westafrika in den Jahren 2014 bis 2016. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldete über 11.000 Todesfälle bei mehr als 28.000 Fällen, was die Epidemie zu einer der tödlichsten des 21. Jahrhunderts macht. Die letzte Meile der Hilfslieferungen war aufgrund der tödlichen Wirkung und der schnellen Ausbreitung des Virus besonders kritisch.

Die Versorgung der lokalen Gesundheitshelfer:innen mit medizinischer Ausrüstung wie Schutzkleidung, Desinfektionsmitteln und Behandlungskits war für die Eindämmung der Virusausbreitung und die Behandlung der Patient:innen von entscheidender Bedeutung. Aufgrund der Straßen- und Gesundheitsinfrastruktur, des Mangels an medizinischem Personal und massiver Probleme in der Lieferkette durch Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen war eine schnelle und effektive Versorgung auf der letzten Meile jedoch kaum möglich.

Obwohl genaue Zahlen schwer zu ermitteln sind, deuten mehrere Studien und Berichte darauf hin, dass viele Todesfälle tatsächlich vermeidbar gewesen wären. Die WHO und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) betonten beispielsweise, dass die verzögerte internationale Reaktion und die unzureichenden Ressourcen zu der hohen Zahl an Todesfällen beigetragen haben. Frühere und robustere Interventionen hätten laut ihrer Forschung die Auswirkungen des Ausbruchs erheblich gemildert.

Humanitäre Hilfe auf der letzten Meile steht vor großen Herausforderungen

Traditionelle Systeme zur Bereitstellung von humanitärer Hilfe sind auf eine kontinuierliche Internetverbindung angewiesen, um die einzelnen Schritte der Hilfslieferungen zu verfolgen. In abgelegenen Gebieten oder Konfliktgebieten mit zerstörter Infrastruktur ohne zuverlässigen Internetzugang kann die Hilfe nicht mehr verfolgt werden.

Die Folgen sind weitreichend. Einerseits ist die Tatsache, dass der Prozess der Hilfslieferung kompliziert und teuer ist, natürlich ein großer Hemmschuh für Logistikdienstleister. Andererseits besteht ohne zuverlässige Nachverfolgung auf der letzten Meile die Gefahr, dass Hilfsgüter verloren gehen, gestohlen oder fehlgeleitet werden. Diese logistischen und korruptionsbedingten Herausforderungen haben auch oft das Vertrauen in die humanitäre Hilfe untergraben (AidPioneers, 2024). Das führt dazu, dass Spender:innen und Investor:innen zögern, Projekte zu finanzieren, was die Unterstützungssysteme für Gemeinden, die dringend Hilfe benötigen, weiter schwächt.

„Hier kommt Track & Trust ins Spiel”, erklärt Rebecca Johnson, CTO von Datarella. „Die Technologie, die wir mit unseren Partnern entwickelt haben, ermöglicht eine mühelose Nachverfolgung der Zustellung auf der letzten Meile, selbst in den schwierigsten Umgebungen.” Dazu werden die Hilfsgüter-LKWs mit Track & Trust-Mesh-Knoten ausgestattet, die über mehrere Funksysteme verfügen und relevante Daten wie Ankunftsstatus, Verzögerungen oder Schäden, die von den Fahrer:innen eingegeben werden, empfangen und speichern können.

Track & Trust Die Bandbreite der Messdaten, die Track & Trust erfassen und übertragen kann – ohne Internetverbindung.

Wenn sich mit diesen Geräten ausgestattete LKWs begegnen, werden nützliche Informationen zum Sendungsstatus und GNSS-Daten zwischen ihnen ausgetauscht, ohne dass eine Internetverbindung erforderlich ist. Anschließend werden die gespeicherten Informationen an eine sichere Blockchain übertragen. Dadurch wird ein unveränderlicher Liefernachweis und eine zuverlässige Abschrift der Daten für alle Beteiligten der Lieferkette erstellt, die weitere Untersuchungen zum Missbrauch oder Verschwinden der Hilfsgüter ermöglicht.

Um die Wirksamkeit von Track & Trust zu bewerten, hat Datarella leistungsbezogene KPIs definiert und sammelt Kundenfeedback, das den Nutzer:innen über ein Dashboard zugänglich gemacht wird. „Mit Track & Trust wird die humanitäre Hilfe auf der letzten Meile transparent und nachvollziehbar, sodass Korruption, unsichere Routen und andere Hindernisse, die zwischen den Hilfsgütern und den Empfängern stehen, erkannt und beseitigt werden können”, erklärt Johnson.

Die Räder von Track & Trust rollen bereits

Nach einem erfolgreichen ersten Test und der Genehmigung durch die Europäische Weltraumorganisation (ESA) im Juni tritt Track & Trust nun in die Testphase ein. Die erste Lieferung, die für zwei Gesundheitszentren im Libanon bestimmt war, enthielt Solarmodule, die gravierende Stromengpässe im Land beheben sollen.

Der Erfolg des Pilotprojekts hat Datarella dazu ermutigt, seine Ziele weiter zu stecken. „Nach dem erfolgreichen Abschluss unserer Pilotlieferung in den Libanon planen wir, unsere Technologie auch anderen Logistik- und humanitären Hilfsorganisationen anzubieten.“ Dieser kooperative Ansatz „spiegelt unser Engagement wider, Technologie für das Gemeinwohl einzusetzen“, sagt Rebecca Johnson. „Durch die Integration von Track & Trust schaffen wir einen Präzedenzfall für ein höheres Maß an Verantwortlichkeit in diesem Sektor, dem hoffentlich andere folgen werden.“

Auf die Frage, welchen Rat sie anderen geben würden, die ähnliche Technologien implementieren möchten, machte Datarella deutlich, dass diese zwar das Potenzial haben, die Effizienz, Transparenz und Wirkung erheblich zu verbessern. Aber „die Implementierung neuer Technologien in Hilfeleistungsprozesse erfordert eine sorgfältige Planung, die Einbindung von Interessengruppen und eine kontinuierliche Evaluierung ”. Der Erfolg von Track & Trust hat jedoch gezeigt, dass neue Lösungen für die letzte Meile in der humanitären Hilfe das Potenzial haben, die kostbaren Güter auf die richtige Spur zu bringen.

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