Neue KI- und Bilderkennungssoftware kann erkennen, wie sich Tiere fühlen

Maschinelles Lernen kann riesige Datenmengen in kürzester Zeit analysieren – und ist damit zu einem unverzichtbaren Werkzeugen für die Naturschutzforschung geworden.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 18.07.22

Dort, wo Bilderkennungssoftware und maschinelles Lernen zusammentreffen, ist das Potenzial groß, Forschungen aller Art voranzubringen, insbesondere auch im Umwelt- und Artenschutz. Die Technologie wird bereits in verschiedenen Projekten eingesetzt, um Tiere in freier Wildbahn zu erkennen und zu identifizieren, aber ein neues Verfahren scheint das Konzept noch weiter zu bringen: Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich haben einen neuen Bildanalyse-Algorithmus entwickelt, der nicht nur einzelne Tiere identifiziert, sondern auch Einschätzungen über ihr Befinden und sogar ihre Gedanken machen kann.

Die Forschenden trainierten den maschinellen Lernalgorithmus an Mäusen und Makaken im Zoo. Durch die Analyse der Bewegungen und Handlungen der Tiere kann der Algorithmus darauf schließen, ob ein bestimmtes Tier krank ist oder Angst, Neugier oder Freude empfindet. Außerdem könnte er wohl auch in der Lage sein, einige der komplexen Geheimnisse der Tierwelt zu entschlüsseln, wie zum Beispiel die Hierarchien in Primatengruppen und die Rolle der Fellpflege. Markus Marks, Professor für Neurotechnologie an der ETH Zürich, geht davon aus, dass die Technologie besonders für unsere nächsten Primatenverwandten geeignet: „Es gibt ein großes Interesse, vor allem unter Primatenforschern. Eine Gruppe, die wilde Schimpansen in Uganda erforscht, nutzt unsere Technologie… Im Vergleich zu bisherigen Algorithmen zur Verhaltensanalyse, die auf maschinellem Lernen basieren, hat unsere Methode große Vorteile, vor allem, wenn es um die Analyse von Sozialverhalten in komplexen Umgebungen geht.“

Dies ist nicht das einzige Projekt, das versucht, das Potenzial von Gesichts- und Bilderkennungssoftware im Artenschutz auslotet. finFindR nutzt beispielsweise maschinelles Lernen, um einzelne Delfine anhand ihrer Rückenflossen zu identifizieren, während FishFace die Gesichtserkennungstechnologie einsetzt, um kommerzielle Fischereidaten besser zu erfassen.

An Land wurde die Gesichtserkennungssoftware von Google auf Nashörner – und ihre Wilderer – angewandt, wobei das Konzept nicht auf visuelle Bilder beschränkt ist. Und Rainforest Connection nutzt Mikrofone und künstliche Intelligenz, um den Dschungel zu belauschen, gefährdete Papageien aufzuspüren und illegalen Holzeinschlag zu erkennen.

Theoretisch könnte der gleiche Ansatz jedoch auch auf jede andere Tierart angewendet werden. Zu diesem Zweck hat das Team seine Technologie auf einer öffentlichen Plattform zur Verfügung gestellt, so dass sie weltweit genutzt werden kann. Damit werden nicht nur neue Werkzeuge bereitgestellt, sondern es wird auch sichergestellt, dass Forschende in Projekten auf verschiedenen Kontinenten denselben Standard verwenden können. Das macht ihre Arbeit leichter vergleichbar und fördert auch die Zusammenarbeit und das Peer-Reviewing.

Doch diese Anwendungen der Künstlichen Intelligenz liefern nicht nur neue Erkenntnisse, sondern die Forschenden sparen damit auch Zeit und Aufwand. Noch vor wenigen Jahren mussten Forscherinnen und Forscher stundenlang Filmmaterial sichten, um das Verhalten von Tieren besser zu verstehen. Das Team der ETHZ verweist beispielsweise auf eine kürzlich durchgeführte Studie, bei der die Forschenden Unmengen an Filmmaterial von schlafenden Elefanten manuell ansehen mussten, um ein tieferes Verständnis für diesen Vorgang zu entwickeln. Eine solche Aufgabe dürfte selbst die Ausdauer des enthusiastischsten Elefantenliebhabers auf die Probe stellen und wahrscheinlich zu verpassten Beobachtungen führen. Der Algorithmus des maschinellen Lernens hingegen kann innerhalb kürzester Zeit riesige Mengen an Informationen analysieren.

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Das spart nicht nur Zeit, Arbeit und letztlich auch Geld, sondern der Computer kann seine Leistung durchgehend beibehalten. Das bedeutet, dass der Algorithmus unter Umständen besser darin ist, subtile Verhaltensänderungen zu erkennen, die sich langsam bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg entwickeln.

Derzeit untersucht das Team, wie die Technologie in der Tierhaltung und im Naturschutz eingesetzt werden könnte. So könnte der Algorithmus beispielsweise zur Überwachung von Tieren rund um die Uhr eingesetzt werden, um außergewöhnliches Verhalten automatisch zu beobachten und zum Beispiel Krankheiten früher zu erkennen. Der Algorithmus könnte auch im medizinischen Bereich eingesetzt werden, um Versuchstiere auf nicht-invasive Weise zu überwachen und so den Stress und die Anzahl der benötigten Tiere zu verringern.

Torge Peters
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