Muscheln können mehr, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Als extrem widerstandsfähige Lebewesen können die Weichtiere auch in so verschmutzten Gewässern überleben, in denen viele andere Arten nicht mehr durchhalten. Und nicht nur das: Sie sind außerordentlich geschickt im Filtern von Wasser – eine Fähigkeit, die uns helfen könnte, Flüsse, Seen und Ozeane zu reinigen, wie die Forscher*innen des Plymouth Marine Laboratory (PML) hoffen.
Das Team an Wissenschaftler*innen hat daher Muscheln und ihre Fähigkeit, Mikroplastik zu filtern, ins Visier genommen. In einer einjährigen Studie wollen die Forschenden herausfinden, ob dies auch in größerem Maßstab möglich ist.
Plastic-Ocean – eine globale Herausforderung
Unsere Ozeane sind mit Plastik überschwemmt. Das Wichtigste, was wir dagegen tun können, ist, weniger Plastik zu verwenden, ganz klar. Aber wir brauchen auch umweltfreundliche Methoden, um die Menge an Plastik zu reduzieren, die sich bereits in den Meeren befindet.
Mikroplastik – also winzige Plastikteile, die kleiner als fünf Millimeter sind – stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Die Partikel entstehen als Abrieb von größeren Plastikteilen durch Wind, Wetter und Strömungen und lassen sich aufgrund ihrer winzigen Größe nur schwer einfangen. Bei dem Versuch, sie aus dem Wasser zu sieben, werden unweigerlich auch organisches Materialien und wertvolle Meereslebewesen eingesammelt.
Muscheln als natürliche Filtermaschinen sind daher vielversprechend. An einem einzigen Tag kann eine erwachsene Muschel mehr als 50 Liter Wasser filtern. Indem sie Wasser ansaugen und das Plankton und andere Nährstoffe heraussieben ernähren sich die wirbellosen Tiere. Die unerwünschten Partikel – darunter auch Mikroplastik – werden dann mit den Ausscheidungen der Muscheln ausgeschwemmt.
Natürlich verbleibt das Mikroplastik in den Ausscheidungen – aber die Muscheln haben es nun fein säuberlich verpackt, so dass man es nun leichter einsammeln und entfernen könnte. Das Team der Plymouth University prüft derzeit ein Systems aus Käfigen und Netzen, um diese mit Plastik gefüllten „Abfälle“ aufzufangen. Tatsächlich könnte so nicht nur Mikroplastik aus dem Ökosystem gefiltert werden; da die Ausscheidungen der Muscheln zudem reich an Kohlenstoff sind, könnten sie vielleicht irgendwann sogar als Biokraftstoff verwendet werden.
In der ersten Phase der PML-Forschung, die im Labor durchgeführt wird, soll herausgefunden werden, wie sich der Muschelkot am besten einsammeln lässt. Anschließend wird die Wirksamkeit des Einsatzes von Muscheln in verschiedenen Meeresumgebungen getestet.
Wie bekommt Mikroplastik den Muscheln?
Es scheint, dass Mikroplastik den Tieren in den üblichen Konzentrationen nicht wirklich schadet, denn die meisten Partikel sind zu groß, als dass sie ihre Membranen durchdringen könnten. Allerdings können kleinere Kunststoffteile – die so genannten Nanopartikel – dennoch in das Gewebe der Muscheln gelangen.
Natürlich ist die Muschelfilterung nicht die alleinige Lösung, denn die Weichtiere können nicht den gesamten von uns Menschen verursachten Müll beseitigen. Computermodellrechnungen der Plymouth-Forschenden haben ergeben, dass sie – unter idealen Bedingungen – nur etwa ein Viertel des Mikroplastiks im Wasser filtern können. Aber als ergänzende Lösung sind sie vielversprechend, da die Wiederansiedlung von Muscheln auch die Artenvielfalt und ein gesundes Meeresleben fördert.
Die Studie zeigt aber auch noch etwas ganz anderes, nämlich wie wertvoll es sei kann, sich von der Natur und natürlichen Prozessen des tierischen und pflanzlichen Lebens inspirieren zu lassen, um die nächste Generation klimabewusster Projekte zu entwickeln – sei es die Verwendung von Algen zur Filterung landwirtschaftlicher Abwässer oder die Erzeugung von Treibstoff durch Photosynthese.
Das Projekt des Plymouth Marine Laboratory wird von Plan Plastic finanziert. Plan Plastic ist ein Projekt der britischen Supermarktkette Waitrose, deren Gelder leider aus dem Verkauf der Plastiktragetaschen des Supermarktes stammen. Besser wäre es, die Plastiktüten erst gar nicht in Umlauf zu bringen, anstatt deren Verkauf durch andere Initiativen auszugleichen.