Moderne Satellitentechnik erkennt die zunehmende Versauerung der Meere

Der ESA-Satellit SMOS liefert neue Einblicke in den chemischen Aufbau der Meere und Ozeane.

Traditionell wurde der Zustand unserer Meere und Ozeane von Schiffen aus gemessen, doch diese Methodik könnte bald überholt sein: Inzwischen sind Satelliten nämlich in der Lage, unter die Wellen zu schauen.

Autor*in Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 18.08.20

Der Einsatz fortschrittlicher Satelliten hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir unseren Planeten wahrnehmen, zu revolutionieren. Satelliten, die mit hochmoderner Kameraausrüstung ausgestattet sind, können noch nie dagewesene Aufnahmen von der Erde liefern und es Forschenden ermöglichen, riesige Gebiete in nur einem Augenblick zu erfassen. Kombiniert man dies mit Methoden des maschinellen Lernens, so kann Software aus der Satellitenfotografie eigenständig Probleme identifizieren – wie zum Beispiel die Abholzung von Wäldern.

Doch Satellitentechnologie ermöglicht noch mehr: Durch den Einsatz spezieller Kameraausrüstung können Satelliten inzwischen auch dazu verwendet werden, Dinge zu messen, die für das menschliche Auge im Wesentlichen unsichtbar sind, wie etwa Luft- und Meeresverschmutzung.

So verfügt beispielsweise der 2017 gestartete Sentinel-5P-Satellit der Europäischen Weltraumorganisation ESA über ein fortschrittliches Instrumentarium, mit dem verschiedene Schadstoffe in der Erdatmosphäre gemessen werden können. Besonders hervorzuheben ist das Tropomi (TROPOspheric Monitoring Instrument), ein Spektrometer, das die Erdatmosphäre im ultravioletten (UV), sichtbaren (VIS), nahen (NIR) und kurzwelligen Infrarot-Spektrum (SWIR) abtasten kann. Durch die Erkennung von Fluktuationen in diesen verschiedenen Wellenlängen kann der Satellit das Vorhandensein von Verbindungen wie Schwefel- und Stickstoffdioxid nachweisen.

Luftverschmutzung ist jedoch nicht auf unsere Atmosphäre beschränkt, sondern dringt zunehmend auch in unsere Meere und Ozeane vor. Diese neue Dimension soll in einer Kooperation von Weltraum-, akademischen und Naturschutzinstitutionen erforscht werden.

Unsere Ozeane vom Weltraum aus untersuchen

Sowohl die NASA als auch die ESA befassen sich mit ihren Programmen SMOS (Soil Moisture and Ocean Salinity) bzw. Aquarius mit der Messung der Ozeanversauerung vom Weltraum aus. Unsere Ozeane haben bisher entscheidend zur Eindämmung des Klimawandels beigetragen, da sie riesige Mengen an Kohlenstoff aufnehmen und so die globale Temperatur senken können. Doch dieser Effekt fordert seinen Tribut. In den letzten Jahren hat sich das chemische Gleichgewicht der Ozeane verschoben, da das Meerwasser weniger alkalisch und saurer geworden ist.

Dieser Prozess hat das Potenzial, die biologische Vielfalt des Ozeans stark zu beeinträchtigen, insbesondere in Bezug auf kleinere Lebewesen, wie den sogenannten Thecosomata, kleinen Meeresschnecken. Eine verstärkte Versauerung der Ozeane kann das Wachstum der Schalen der planktischen Schnecken stören und damit deren Überlebensfähigkeit beeinträchtigen. Da Thecosomata die Grundlage vieler Nahrungsketten im Ozean bilden, ist dies besonders relevant.

Vor kurzem wurden neue Forschungsarbeiten abgeschlossen, die die Machbarkeit der Messung der Ozeanversauerung vom Weltraum aus untersuchten. Demnach sind Satelliten nicht in der Lage, den pH-Wert des Ozeans zu messen, was das eindeutigste Anzeichen für die Versauerung der Ozeane darstellt. Sie können jedoch den Salzgehalt des Ozeans messen, also die Salzmenge im Meerwasser.

So ist der NASA-Satellit Aquarius mit Geräten ausgestattet, die die die von der Meeresoberfläche ausgehenden Mikrowellen, die durch Schwarzkörperstrahlung entstehen, erkennen und messen können. Mit diesen Daten kann der Salzgehalt der oberen zwei Zentimeter des Ozeans abgeschätzt werden. Es ist dann möglich, diese Informationen zu extrapolieren und mit Kohlenstoffmessungen zu kombinieren, um eine genaue Vorhersage der Ozeanversauerung zu erhalten. Ein großes internationales Team unter der Leitung des Plymouth Marine Laboratory untersucht derzeit die Durchführbarkeit dieses Modells. Der Leiter des Projekts, Dr. Peter Land, erklärte gegenüber RESET:

„Der Hauptvorteil, den Satelliten bieten, ist die regelmäßige Abdeckung des gesamten Globus, die uns eine weitaus detailliertere, synoptische Sicht ermöglicht, als dies mit Vor-Ort-Daten möglich ist, insbesondere in schwer zugänglichen Regionen. Die größte Herausforderung besteht darin, ob Satellitenmessungen die Parameter der Ozeanversauerung mit ausreichender Genauigkeit abschätzen können, um nützlich zu sein. Mit dem Aufkommen von Satelliten, die den Salzgehalt messen, gab es diesbezüglich einen großen Schub.“

Wenn Satelliten dieser Aufgabe gewachsen sind, könnte dies die Effizienz von Studien zur Ozeanversauerung erheblich steigern und gleichzeitig deren Kosten senken. Helen Findlay vom Plymouth Laboratory erklärte, dass früher die Ozeanversauerung in situ, also unmittelbar am Ort, von Schiffen oder Liegeplätzen aus gemessen wurde: Dabei wurden Wasserproben entnommen und zur Analyse an ein Labor zurückgeschickt.

In jüngerer Zeit wurden außerdem Sensoren eingesetzt, die jedoch auch Nachteile haben, wie die Notwendigkeit der Kalibrierung, das Risiko des Abdriftens und der Bioverschmutzung durch Algenbildung. Die Bergung der Sensoren und das Sammeln von Wasserproben stellen eine zusätzliche logistische Belastung dar, die den für die Forschung benötigten Raum und die Zeit einschränkt.

Der Einsatz von Satelliten bringt ebenfalls einige Nachteile mit sich, doch die wissenschaftlichen Teams versuchen, diese so weit wie möglich zu reduzieren und die Aussagekraft der Satellitenmessungen zu verbessern. „Die Messung des Salzgehalts aus dem Weltraum ist eine große Herausforderung, insbesondere in Küstennähe, in Gebieten, in denen illegale Sender, die Hochfrequenzstörungen verursachen, das Signal verzerren können, und in kalten polaren Gewässern, wo die Sensoren weniger empfindlich auf den Salzgehalt reagieren“, so Dr. Land. „In den letzten zehn Jahren gab es jedoch neue Satelliten und viele Verbesserungen darin, wie wir die Daten analysieren, was uns immer mehr Vertrauen in unser Verständnis dessen gibt, was wir mit den Messungen erreichen können.“

Satellitentechnik wird bereits für vielfältige Bereiche im Bereich der nachhaltigen Entwicklung eingesetzt. Bei RESET haben wir bereits darüber berichtet, wie die „fliegenden Helfer“ dabei helfen, Plastikverschmutzung in Meeren zu erkennen, das Monitoring bestimmter UN-Nachhaltigkeitsziele zu vereinfachen und durch satellitengestützte Tierbeobachtung sogar eine Früherkennung von Erdbeben möglich machen.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Website.

Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Satelliten und Drohnen – Wertvolle Helfer für eine nachhaltige Entwicklung“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Satelliten und Drohnen

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.


Mehr Informationen hier.

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© ESA
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