Mit der App Flora Incognita Pflanzen bestimmen – und die Forschung unterstützen

Flora Incognita

Die KI gestützte Pflanzenbestimmungs-App liefert dir Namen zu bisher unbekannten Pflanzen und macht dich zum Citizen Scientist.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 15.05.24

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Na, was blüht da in deinem Garten oder am Wegrand? Mal wieder keine Ahnung? Macht nichts, denn hier kommt Hilfe: Die App Flora Incognita kann mehr als 16.000 Pflanzenarten bestimmen. Dazu einfach ein Bild der unbekannten Pflanze mit der Kamera deines Smartphones oder Tablets aufnehmen und in Sekundenschnelle erhältst du den Namen und einen Steckbrief. Darin findest du Informationen zu den Merkmalen, der Verbreitung und dem Schutzstatus. Doch die App kann noch mehr: Jede mit der Kamera eingefangene Pflanze liefert nebenbei auch wichtige Daten für die Biodiversitätsforschung.

Pflanzenerkennung mit KI

Die App auf dem Smartphone oder Tablet öffnen, ein Foto schießen und innerhalb von Sekunden erscheint der Name und ein Steckbrief auf dem Bildschirm. Flora Incognita ist schnell und genau. Dahinter steckt eine KI, die alle Bilder mit einer Abfolge von tiefen neuronalen Netzen auf dem Computercluster von Flora Incognita analysiert. Das bringt allerdings auch ein kleines Manko mit sich: Die Bilder und Metadaten können nur mit einer Internetverbindung an den Server übertragen werden. In Gebieten ohne Netzabdeckung sind daher keine Ergebnisse zu erwarten. Ahnungslos bleiben muss dennoch niemand. Mit der App aufgenommene Bilder von Pflanzen lassen sich auch später bestimmen. Alle wichtigen Metadaten, die zu diesem Bild gehören, bleiben im Offline-Modus erhalten.

Seit 2018 wurde die Flora-Ingognita-App nach eigenen Angaben über 5 Millionen Mal heruntergeladen – und jeden Tag gehen über 300.000 Bestimmungsanfragen darüber ein. Damit hat sich das digitale Nachschlagewerk in Deutschland nicht nur unter Pflanzenkundler:innen etabliert, sondern ist zudem zu einer wichtigen Instanz in Sachen Biodiversitätsmonitoring geworden. Durch die weite Verbreitung in der Bevölkerung wird nun das Vorkommen von Pflanzen in einem noch nie da gewesenen Umfang in Echtzeit dokumentiert. Und das ist auch wichtiger denn je.

Der Biodiversitätsverlust ist eine große Bedrohung

Der Verlust der biologischen Vielfalt stellt – neben der Klimakrise – eine der größten Bedrohungen für die Menschheit dar. Wenn Arten aussterben oder neue Arten einwandern, kann das ganze Ökosysteme zerstören. Und da letztlich alle Ökosysteme zusammenhängen kann das weitreichende Folgen haben. Ein umfassendes Monitoring der pflanzlichen Biodiversität ist daher wesentlich für den Artenschutz, denn so werden Veränderungen frühzeitig sichtbar.

Allerdings ist das Monitoring herausfordernd, denn mit dem Bedarf an wirkungsvollen Schutzmaßnahmen steigt auch der Bedarf an räumlich und zeitlich hoch aufgelösten Erhebungen. Gleichzeitig geht die Artenkenntnis der Bevölkerung zurück.

Beim Monitoring kommen heute schon verschiedenste Methoden zum Einsatz. Mithilfe von Satellitenbildern lässt sich das Ergrünen ganzer Landstriche erkennen und Kameras in Baumkronen erstellen automatisierte Bilderserien von oben. Konkrete Details darüber, welche Pflanzen sich auf dem Boden tummeln und in welcher Wachstumsphase oder in welchem Zustand sie sich gerade befinden, sind so allerdings schwer zu erkennen. Die App Flora Incognita und fleißige Pflanzensammler:innen schließen diese Lücke.

Monitoring for Future: Veränderungen der Pflanzenwelt sichtbar machen

Wir Menschen haben eine Gemeinsamkeit mit Insekten: Farbenfroh blühende Pflanzen locken uns an. Daher werden die meisten Fotos in der App dann geschossen, wenn die Pflanzen in voller Blüte stehen. Aus den Tausenden an Anfragen über viele Jahre hinweg sind so mithilfe der App langfristige Beobachtungsdaten enstanden. Sie zeigen zum Beispiel, ob sich die Blütezeiträume verschieben. Das hilft dabei, die Auswirkungen der Klimakrise auf biologische Systeme besser zu verstehen. Die Beobachtungsdaten der Flora-Incognita-App ergänzen dabei die Erhebungen des Deutschen Wetterdienstes.

Mithilfe der Smartphone-Beobachtungen konnten auch überregionale phänologische Muster nachgewiesen werden. Dazu gehört zum Beispiel die spätere Blüte vieler Arten in Nord- und Osteuropa und eine europaweite Verschiebung des Blühbeginns zwischen den Jahren.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Flora-Incognita-Daten ist das Monitoring von invasiven Pflanzenarten. Diese stellen oft eine Bedrohung der ansässigen biologischen Vielfalt dar. Doch die Kontrolle und Bekämpfung ist mit hohen Kosten für unsere Gesellschaft verbunden. Die frühzeitige Erkennung und eine schnelle Reaktion sind entscheidend, um die Ausbreitung und Etablierung solcher invasiven Arten zu verhindern. Flora Incognita kann einen wertvollen Beitrag leistern, da auch invasive Arten vor den Kameras der Nutzer:innen landen. Damit schafft die Dokumentation von Pflanzenvorkommen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort eine wachsende und robuste Datenquelle – über nationale Grenzen hinweg.

Die App Flora Incognita wurde von der Technischen Universität Ilmenau und dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie entwickelt und ist aktuell in 20 Sprachen für Android-, iOS- und Harmony OS-Geräte frei verfügbar.

Flora Incognita wird ständig weiterentwickelt. Nach und nach kommen qualitativ hochwertige Steckbriefe für alle unterstützten Sprachen dazu und auch eine globale Reichweite wird angestrebt. Außerdem sollen noch Steckbriefe speziell für Kinder integriert werden. Stehen mehrere Steckbriefe zur Verfügung, kann über die Einstellungen der App dann der gewünschte Steckbrief ausgewählt werden.

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