Das UN Ziel 7 für eine nachhaltige Entwicklung fordert den „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle“. Und immerhin: Die globale Elektrifizierungsrate stieg in den letzten sieben Jahren um sechs Prozentpunkte auf 89 Prozent an. Doch noch immer haben weltweit etwa 840 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Vor allem in Subsahara-Afrika sind viele Menschen vom Stromnetz abgeschnitten. Hier beträgt die Elektrifizierungsrate nur 44,6 Prozent – wobei es natürlich auch riesige Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Das ostafrikanische Land Burundi verzeichnet nur 9,3 Prozent, wohingegen in Gabun 92 Prozent der Menschen Zugang zum Elektrizitätsnetz haben. Doch selbst hier gibt es einen großen Kontrast zwischen der urbanen und ländlichen Bevölkerung. In ländlichen Gebieten Subsahara-Afrikas ist die Elektrifizierungsrate erheblich geringer als in den Städten. Außerdem sind die Investitionen für ein Stromnetz in vielen ländlichen Regionen oft sehr hoch, vor allem im globalen Süden. Unwegsames Terrain, finanzielle, regulatorische und technische Herausforderungen erschweren den Ausbau. Hier sind Off-Grid-Lösungen wie Solaranlagen auf dem Hausdach für Beleuchtung oder Wasserpumpen meist die bessere Alternative – zumindest für Menschen, die sich das leisten können. Oder es wird auf traditionelle, CO2-intensive Energiequellen wie Feuerholz, Kerosinlampen oder auch Dieselgeneratoren zurückgegriffen.
Eine Alternative sind sogenannte „Mini-Grids“. Darunter wird eine Reihe von Stromerzeugern und eventuell auch Energiespeichersystemen verstanden, die untereinander und mit einem Verteilernetz verbunden sind. Dieses Netz versorgt dann lokale Kund*innen mit einer Leistung zwischen zehn kW und zehn MW und ist unabhängig vom nationalen elektrischen Netz. Die Energiequelle können dabei ein Dieselgenerator, erneuerbare Energien oder eine Mischung aus beidem sein. Schätzungsweise 47 Millionen Menschen sind weltweit an etwa 19.000 Mini-Grids angeschlossen. Die dezentrale Stromversorgung kann somit Haushalten, öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen Zugang zu Elektrizität verschaffen. Mini-Grids werden entweder von öffentlichen oder privatwirtschaftlichen Versorgungsunternehmen oder auch von der Gemeinde bereitgestellt.
In den letzten Jahren sind weltweit immer mehr Mini-Grids entstanden. Das liegt unter anderem auch an den sinkenden Kosten für Technologien für erneuerbare Energien, wie zum Beispiel Photovoltaik-Anlagen. Gleichzeitig boomen auch in Ländern Subsahara-Afrikas digitale Innovationen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wurde im Rahmen einer Studie des IASS Potsdam (Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung) erforscht, wie digitale Technologien für Mini-Grids angewandt werden könnten, um erneuerbare Energien statt fossile Brennstoffe zu nutzen und eine gerechte, bezahlbare und zuverlässige Stromversorgung zu gewährleisten. Dabei wurden zwei Anwendungsebenen für digitale Technologien in Mini-Grids untersucht:
- Die Ebene der technischen Funktionalitäten und des Systemausgleichs. Dies beinhaltet die Erzeugung und Speicherung, Verteilung und Steuerung sowie das Management der Nachfrageseite.
- Die Ebene der Wertschöpfungskette von Mini-Grids, die die Finanzierung, Planung und Design, Betrieb und Wartung, das Kundenmanagement und die produktive Nutzung von Elektrizität umfasst.
Wenn man sich zum Beispiel die Seite der Energieerzeugung und Speichersysteme anschaut, können Mini-Grids mit digitalen Technologien „smarter“ gemacht werden. Beispielsweise können Hybrid-Netzwerke, die aus einer Kombination von erneuerbaren Energien und Dieselgenerator ihren Strom erzeugen, sehr von Algorithmen zur Wettervorhersage profitieren und mithilfe der Vorhersagen ihren Einsatz optimieren. Somit ist die Stromerzeugung letztendlich weniger von den CO2-produzierenden Dieselgeneratoren abhängig.
Auch um dem Problem der Finanzierung zu begegnen, können digitale Technologien von Nutzen sein. Die Autor*innen der Studie nennen als Beispiel verschiedene Crowd-Finanzierungskampagnen via Online-Plattformen. Sie geben jedoch zu bedenken, dass damit zwar die hohen Anschaffungskosten gedeckt werden können, bisher aber noch nicht viel darüber bekannt ist, wie später beim Einsatz des Mini-Grids mit Problemen bei Zahlungsunfähigkeit der Kund*innen umgegangen wird. Ein anderer Ansatz zur Finanzierung geht mit der Idee des Einsatzes von Blockchain-Anwendungen einher, wie zum Beispiel beim Projekt SolarCoin. Diese Lösungen sind aber noch eine Nischenentwicklung.
Satellitendaten, Bilderkennung und Drohnen für die Planung von Mini-Grids
Bei der Planungsphase von Mini-Grids können mit Hilfe von Satellitendaten, digitalen Karten und Bilderkennung Standorte identifiziert werden, die sich für die Elektrifizierung eignen. Beispielsweise können Drohnen Bilder von einer potenziellen Region aufnehmen, was eine bessere Planung ermöglicht. Auch einem weiteren Problem – dem der Wartungsarbeiten – können digitale Technologien begegnen. Fernüberwachungssysteme, die häufig Cloud-basiert sind, erlauben eine Überprüfung des Systems, also zum Beispiel des Batteriestatus‘ und der Leistung in Echtzeit. Für die so genannte „vorausschauende Wartung“ können Algorithmen Fehler vorhersehen und das Servicepersonal benachrichtigen, damit es bei Bedarf Wartungsaufgaben durchführen kann. Somit können eventuell lange, beschwerliche Anfahrtswege in ländliche Gebiete besser geplant werden.
Für die Betreiber sind außerdem die Zahlungen der Kundinnen und Kunden ein wichtiger Aspekt, der durch digitale Technologien vereinfacht werden kann. Über mobiles Geld wie M-Pesa in Kenia können Kund*innen ihren Strom bezahlen. Darüber hinaus könnten Apps genauer über ihre Zahlungen, den Systemstatus und das Energieverbrauchsverhalten informieren – dies funktioniert aber nur in Gegenden mit guter Netzabdeckung und ist daher in vielen Teilen Subsahara-Afrikas noch nicht wirklich einsatzfähig.
Laut den Autor*innen der Studie birgt der Einsatz digitaler Technologien bei Mini-Grids im ländlichen Afrika jedoch auch neue Herausforderungen und Risiken. Insbesondere Themen wie der Schutz der Privatsphäre und die Datensicherheit erfordern ein hohes Maß an Bewusstsein. Nichtsdestotrotz können digitale Technologien – wenn sie richtig eingesetzt werden – eine entscheidende Rolle für eine nachhaltige Entwicklung spielen.