Durch unseren enormen Plastikkonsum sind wir Menschen mittlerweile dafür verantwortlich, dass Plastik auf dem kompletten Erdball verteilt ist. Kleinste Plastikteilchen, das sogenannte Mikroplastik, lassen sich mittlerweile auch in Regionen nachweisen, in die sich kaum je ein Mensch verirrt, wie in der Arktis und in der Tiefsee. Die Forschung zu den Folgen für Natur und Menschen steckt noch in den Kinderschuhen, aber es zeichnet sich ab, dass Mikroplastik einen irreparablen Schaden in der Umwelt – und auch in unseren Körpern – anrichtet.
Seit längerem werden deshalb diverse Techniken zur Reinigung von Gewässern erprobt, wie zum Beispiel auch bei Wasser 3.0. Das Startup geht ganz an den Anfang – dorthin, wo das Mikroplastik ins Wasser gelangt. Um dies eben zu verhindern, hat das Startup einen Lowtech-Ansatz entwickelt: Das Wasser wird gefiltert, bevor es in den Wasserkreislauf zurückkehrt. Alles, was es dazu braucht, ist ein Reaktor mit einer Art Rührvorrichtung, der überall dort, wo Wasser gereinigt werden soll, aufgestellt werden kann.
Katrin Schuhen, die Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen GmbH, und ihr Team haben ein Verfahren entwickelt, das Mikroplastik im Wasser bündelt. In der Fachsprache bezeichnet man das, was dabei passiert, als „Agglomerationsfixierung“ des Mikroplastiks. Dabei verklumpt das Mikroplastik und kann dann abgeschöpft werden. Die Verklumpung wird durch ein spezielles Hybridkieselgel erreicht, dessen Hauptbestandteil Kieselsäure ist, was wiederum auch in Quarzsand enthalten ist. „Das Material wird speziell für die jeweilige Anwendung hergestellt, angepasst an das Wasser und die Anforderungen vor Ort“, erläutert Katrin Schuhen gegenüber RESET. Der konkrete Ausgangsstoff sei jedoch Betriebsgeheimnis, erklärt die promovierte Chemikerin, ergänzt aber, dass es trotzdem eine frei zugängliche Ressource sei.
Die individuelle Anpassung sorgt dafür, dass das Gel mit allen im jeweiligen Wasser auftretenden Kunststoffpartikeln reagiert und Klumpen bildet, die sich leicht abschöpfen lassen. Diese Klumpen sollen – so das Ziel – wiederverwendet werden. Katrin Schuhen verweist an dieser Stelle auf den Unterschied zum Recycling. „Es geht uns darum, dass die Produkte im Ganzen in neuen Prozessen wieder Verwendung finden, deswegen sprechen wir von Re-Use. „In der Baubranche könne das Material für Füllungen genutzt werden und auch in der Glasindustrie gebe es Potenzial. Aktuell laufen in Bezug auf die Weiterverwendung noch wissenschaftliche Studien.
Bisher fasst ein Reaktor aufgrund der nötigen Rührvorrichtung maximal zwei Kubikmeter. Katrin Schuhen betont, dass es bei größeren Mengen ressouceneffizienter sei, mehrere Reaktoren aufzustellen. Das erklärte Ziel von Wasser 3.0 ist es, dafür zu sorgen, dass Mikroplastik erst gar nicht in die Ökosysteme gelangt. Auf Nachfrage erläutert Katrin Schuhen, dass sie dabei zwei Ansätze sieht, die Hand in Hand gehen. Zum einen sollten Industrien, bei denen es möglich ist, ihre Prozesse so umwandeln, dass der Einsatz von Mikroplastik nicht mehr nötig ist. So geschehen ist das beispielsweise schon in der Produktion von einigen Kosmetika. Der zweite Weg betrifft die Industriezweige, bei denen Mikroplastik entsteht. Bei ihnen könne die Technik von Wasser 3.0 greifen, und zwar am besten, wenn sie prozessintegriert am Standort stattfindet. Tests dazu laufen zur Zeit mit einzelnen Partnern. Doch hier gebe es ein Problem, so Katrin Schuhen: „Es fehlen Regularien zum Eingang von Mikroplastik in die Umwelt, es gibt nur Handlungsempfehlungen. Und in der Detektion fehlt auch ein Verfahren, das nach DIN-Maßgaben die Menge des Mikroplastiks misst.“ Im laufenden Prozess arbeite Wasser 3.0 deshalb auch an der Entwicklung eines neuen Verfahrens zum Messen von Mikroplastik.
Um also aktiv ihren Eintrag von Mikroplastik zu reduzieren, fehlt vielen Industrien im Moment (noch) der Handlungsbedarf. Mit entsprechenden Richtlinien und politischen Rahmenbedingungen könnte sich aber die Nachfrage nach Filtersystemen wie die von Wasser 3.0 erhöhen. Und diese sind dringend nötig, um die globale Plastikflut einzudämmen. Wie verschiedene Studien zeigen, sind viele Stellschrauben bereits bekannt…