Mehl aus Kaffee als neuer Akteur gegen Lebensmittelabfälle

Mehr als die Hälfte der Kaffeekirsche landet bei der Kaffeeproduktion im Müll. CoffeeFlour will das jetzt ändern: Mit Kaffeemehl

Durch die Wiederverwendung eines der Haupt-Nebenprodukte der Kaffee-Industrie hat CoffeeFlour einen Weg gefunden, ein Abfallprodukt in eine ökonomisch, sozial und ökologisch wertvolle Ressource zu verwandeln. 

Autor*in Marisa Pettit, 18.05.17

Den meisten von uns ist bewusst, dass unser morgendlicher Kaffee sein Leben irgendwo in Lateinamerika, Asien oder Afrika begonnen hat. Dass die braunen Bohnen, die uns das morgendliche Lebenselixir schenken, ursprünglich als kleine rote Frucht vom Baum gepflückt wurden, dürfte weniger Leuten bekannt sein. Die Früchte, die optisch irgendwo zwischen Kirsche und Cranberry liegen, müssen erst einen langen und mehrstufigen Verarbeitungsprozess durchlaufen, bis wir sie zur Zubereitung unseres geliebten Kaffees verwenden können.

Da sich die Kaffeepflanze besonders in bergigen Gebieten zuhause fühlt, werden die Früchte in der Regel von Hand gepflückt. Anschließend wird als erster Schritt des Verarbeitungsprozesses das Fruchtfleisch der Kaffeekirsche entfernt. Tatsächlich wird damit über die Hälfte der Frucht weggeworfen: Aus 50 Kilogramm gepflückten Kaffeekirschen entstehen nur etwa 10 Kilo fertig verarbeitete Kaffeebohnen. Die großen Mengen an Abfall-Fruchtfleisch, die während dieses Prozesses anfallen, können bei unsachgemäßer Entsorgung in nahe gelegenen Flüssen und Bächen die Wasserversorgung der lokalen Bevölkerung verunreinigen und stellen so ein erhebliches Umweltproblem in den Anbauregionen dar.

Das Potenzial von Food Waste in der Kaffeeherstellung

Die Gründer von CoffeeFlour haben sich diesem Problem angenommen und eine Lösung entwickelt, wie die Fruchtabfälle vor einem Ende auf der Mülldeponie gerettet werden können: Sie waschen das Fruchtfleisch, stabilisieren und trocknen es und verwandeln es in Form von „Kaffeemehl“ zu einem eigenständigen Nahrungsmittel! Und obwohl Kaffeemehl genau wie gemahlener Kaffee aussieht, soll es sich geschmacklich komplett von seinem berühmten Zwilling unterscheiden und mit einem blumigen Röstaroma geschmacklich besonders gut zu Kuchen, Saucen oder sogar Cocktails passen.

© CoffeeFlour

Das braune Mehl ist glutenfrei und überzeugt mit seiner erstaunlichen ernährungsphysiologischen Qualität: Das Produkt verfügt über hohe Mengen an Ballststoffen, Eiweiß, Eisen, Kalium und Kalzium. Hoffnungsfrohe Koffeinjunkies werden allerdings enttäuscht sein: Kaffeemehl verfügt nur etwa über genau so viel Koffein wie dunkle Schokolade. Zum Wachmachen braucht es dann also doch die ganze Bohne.

Die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen

Obwohl die Kaffee-Industrie ein riesiges Geschäft ist, sind viele derweltweiten Kaffee-Produzenten Kleinbauern. Eine Initiative wie CoffeeFlour hat damit einen effektiven und direkten Einfluss auf das Leben der Produzenten und eröffnet ihnen mit dem gleichen Ausgangsprodukt den Zugang zu einem weiteren Marktsegment. CoffeeFlour stellt sein Produkt derzeit in Hawaii, Nicaragua, Guatemala, Mexiko und Vietnam her. Während die Herstellung von Kaffeemehl automatisch weniger organische Abfälle bedeutet, ergibt sich auch ein zusätzliches Einkommen für Kaffeebauern und -Verarbeiter sowie die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen bei der lokalen Bevölkerung. Ein weiterer Vorteil: Während Kaffeekirschen verderblich sind und die Preise für die fertigen Kaffeebohnen starken Preisschwankungen unterworfen sind, kann Kaffeemehl lange gelagert werden und erfreut sich mehr oder weniger stabilen Markpreisen. Das sorgt für Umsatz- und Arbeitsplatzsicherung.

Für mehr Informationen über CoffeeFlour schauen Sie sich das nachfolgende, liebevoll animierte Video über die potenziellen Auswirkungen von Mehl aus Kaffee an.

Du möchtest mehr über andere ungewöhnliche Wiederverwertungsprojekte für Lebensmittelabfälle erfahren? Dann wirf einen Blick in unsere Artikel über Häuser aus Reisschalen in den Philippinen und Handtaschen aus Obstleder in den Niederlanden.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Laura Wagener. Das Original wurde auf unserer englischsprachigen Seite veröffentlicht.

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