Maximal Gutes tun mit deiner Spende? Eine neue Plattform will hier helfen!

Auf der neuen Plattform effektiv-spenden.org finden alle jene, denen es um die maximale Wirksamkeit ihrer Spende geht, konkrete Projektempfehlungen. Was steckt hinter den Empfehlungen? Worum geht es beim Effektiven Altruismus? Antworten findest du in diesem Interview.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 09.09.19

Wer sich dafür entschieden hat, einen Geldbetrag zu spenden, steht vor der großen Frage: An wen soll das Geld gehen? Angesichts der Vielzahl an Projekten und Initiativen rund um den Globus, die verschiedenste ökologische und soziale Probleme angehen, fällt die Antwort darauf nicht leicht. Viele entscheiden sich daher für Spenden an Projekte, zu denen es einen emotionalen Bezug gibt – persönliche Kontakte, Parallelen zur eigenen Biographie, man profitiert selbst von der Projektarbeit…

Man kann sich aber auch die Frage stellen, wo die eigene Spende am wirkungsvollsten angelegt ist. Doch woher soll man das wissen? Mit dem Effektiven Altruismus gibt seit einigen Jahren eine wachsende Bewegung, die genau hierauf Antworten geben will. Die Idee dahinter: mit einem bestimmten Geldbetrag maximal Gutes zu tun. Die Grundannahme dabei: Jedes Leben ist gleichwertig. Ein Projekt oder Hilfsprogramm ist damit umso wirksamer, je mehr Menschen (oder Tieren) mit dem gleichen Betrag geholfen werden kann. Den Nachweis dafür erbringen intensive Wirksamkeitsstudien, mit denen die Projekte auf Herz und Nieren geprüft werden.

Seit einigen Jahren findet die Bewegung einen großen Zustrom; Plattformen und Forschungsinstitute wurden gegründet und ihre Anhänger treffen sich auf eigenen Konferenzen. Mit effektiv-spenden.org hat jetzt auch Deutschland eine eigene Plattform, auf der Effektive Altruisten direkt an maximal wirksame Projekte spenden können.

Aber worum geht es eigentlich genau beim Effektiven Altruismus? Und wieso brauchen wir dafür eine eigene Plattform? Darüber haben wir uns mit Sebastian Schwieker, einem der beiden Gründer, unterhalten.

Sebastian, gleich am Anfang die etwas provokante Frage: Warum braucht es eure neue Plattform effektiv-spenden.org?

Im Gegensatz zu bestehenden Spendenplattformen geht es uns von effektiv-spenden.org nicht darum, eine möglichst große Zahl verschiedener Hilfsorganisationen zu präsentieren, sondern nur die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft weltweit wirksamsten. Im Gegensatz zu den Spendensiegeln, wie sie z.B. vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) oder Phineo vergeben werden, reicht es für uns dabei nicht aus, dass die empfohlenen Organisationen bestimmte Mindeststandards erfüllen oder über ein Wirkungspotenzial verfügen. Ihre Wirkung muss auf wissenschaftlicher Basis nachgewiesen und im Vergleich zu anderen Organisation signifikant höher sein. Das bedeutet, dass man durch Spenden an diese Hilfsorganisationen besonders vielen Menschen helfen kann.

Ein guter Vergleich ist hier vermutlich der Unterschied zwischen dem TÜV und der Stiftung Warentest. Während der eine die grundlegende Funktionsfähigkeit bescheinigt, prämiert die andere herausragende Qualität. Wir konzentrieren uns auf Letzteres.

© effektiv-spenden.org Für das gleiche Geld konnte mit Entwurmungsprogrammen eine 19- bis 50-mal höhere Wirkung erzielt werden.

Da wir nicht nur in Deutschland, sondern weltweit nach den besten Organisationen suchen, haben viele unserer Empfehlungen ihren Sitz im Ausland. Direkte Spenden an sie können bisher in Deutschland nicht von der Steuer abgesetzt werden. Bei Spenden über effektiv-spenden.org ist dies allerdings möglich, weil wir vom deutschen Finanzamt als gemeinnützig anerkannt sind. Da wir die Spenden zu 100 Prozent weiterleiten, kommen sie dennoch komplett der ausgewählten Organisation zugute.

Viele Organisationen können von euch ja erst gar nicht empfohlen werden, weil sie nicht analysiert wurden; entweder, weil sie einfach nicht bekannt sind oder es an personellen Ressourcen fehlt, um für die Analyse alle Informationen zur Verfügung zu stellen. Bleiben damit kleinere NGOs, die dennoch sehr wirksam arbeiten, nicht auf der Strecke, während sich der „Spendenmarkt“ auf wenige große Organisationen konzentriert?

Unsere Empfehlungen beruhen unter anderem auf den Analysen des Forschungsinstitutes GiveWell. Deren kostenloser Evaluierungsprozess steht allen Hilfsorganisationen weltweit zur Verfügung. Zugegeben stellt hier schon die Vorqualifizierung eine große Hürde dar, aber nicht, weil die Organisationen nicht bekannt genug sind, sondern weil sie auf Maßnahmen setzen, die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht zu den weltweit kosteneffektivsten gehören. In diesen Fällen ist also bereits absehbar, dass sie mit den gleichen Mitteln nicht so vielen Menschen helfen können wie andere Organisationen.

Für Initiativen, die noch zu klein sind, um die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen selber belegen zu können, gibt es sogenannte Incubation Grants. Diese sollen dabei helfen, die jeweilige Organisation auf ein Level zu bringen, das eine umfassende Evaluation und damit eine potentielle Empfehlung ermöglicht. Insofern ist es prinzipiell jeder Organisation, unabhängig von Größe und Standort, möglich, von GiveWell und damit auch uns empfohlen zu werden.

„Ohne Gesundheit ist alles nichts“ ist bei euch zu lesen – aber bezieht das nicht auch die Gesundheit unseres Planeten als Grundlage allen Lebens mit ein? Warum spielt das Thema Umwelt- und Klimaschutz in euren Empfehlungen keine Rolle?

Doch, das tut es. Wir sind gerade dabei, Forschungsergebnisse in den Bereichen Tier- und Klimaschutz auszuwerten, und wollen noch in diesem Jahr entsprechende Spendenempfehlungen auf unserer Plattform veröffentlichen. Zu Beginn haben wir uns auf den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit konzentriert, da hier besonders aussagekräftige Forschungsergebnisse vorliegen, zum Beispiel im Rahmen von randomisierten, kontrollierten Studien.

Wie ist die Resonanz bisher auf euer Angebot?

Natürlich könnten es immer mehr Spenden sein. Aber dafür, dass wir gerade erst gestartet sind, sind wir sehr zufrieden. Zum einen konnten wir schon mehr als 20.000 Euro an Spenden für die von uns empfohlenen Hilfsorganisationen sammeln, zum anderen haben wir eine Menge positives Feedback erhalten. Es scheint immer mehr Menschen wie uns zu geben, die nicht einfach nur an irgendwen spenden wollen, um ihr Gewissen zu beruhigen, sondern die mit dem, was sie bereit zu geben sind, so vielen Menschen wie möglich helfen wollen. Genau für diese Menschen ist effektiv-spenden.org gedacht.

© effektiv-spenden.org Pascal Zimmer und Sebastian Schwieker (li.), die beiden Gründer von effektiv-spenden.org.

Ihr leitet alle über euch getätigten Spenden zu 100 Prozent weiter, habe ich auf der Webseite gelesen. Wie finanziert ihr euch selbst?

Wir konnten einige Freunde und ehemalige Kollegen, die wie wir von der Sache überzeugt sind, dafür gewinnen, das Projekt sehr großzügig zu unterstützen. Daher ist es uns möglich, die eingeworbenen Spenden zu 100 Prozent weiterzuleiten.

Dem Effektiven Altruismus wird immer wieder vorgeworfen, mit seinen Wirksamkeitsempfehlungen nicht die wirklichen Ursachen des Elends – wie zum Beispiel Kapitalismus, Post-Kolonialismus oder den Klimawandel – zu bekämpfen. Wie siehst du das?

Am Klimawandel sind wir, wie ja schon gesagt, schon dran. Was den Kapitalismus angeht, so gibt es ja im gemeinnützigen Sektor und auch innerhalb der Parteien insgesamt nur wenig Initiativen, welche diesen wirklich hinter sich lassen wollen. Und auch bei diesen scheint mir nicht immer klar, ob die vorgeschlagenen Alternativen das Leben von Menschen, insbesondere denen in extremer Armut, wirklich nachhaltig verbessern würden. Das bedeutet natürlich nicht, dass bestimmte Kurskorrekturen nicht wünschenswert sind. Organisationen, die sich das zum Ziel gemacht haben, stehen wir grundsätzlich natürlich offen gegenüber. Wichtig bleibt allerdings auch hier, dass nicht nur hehre Ziele postuliert, sondern diese auch mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden und der dafür notwendige Mitteleinsatz nicht über dem vergleichbarer Organisationen liegt.

Ansonsten steht außer Frage, dass die Folgen des Kolonialismus auch heute noch negative Auswirkungen nach sich ziehen, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent. Das ist auch einer der Gründe, warum wir so einen starken Fokus auf die Entwicklungszusammenarbeit legen. Hier sind wir, was die jeweiligen Maßnahmen angeht, aber erst mal agnostisch, das heißt, wir entscheiden nicht bereits im Vorfeld, in welchem Bereich eine Organisation tätig sein muss, sondern konzentrieren uns darauf, herauszufinden, wen man unterstützen sollte, um möglichst vielen Menschen möglichst gut zu helfen. Ob das dann direkte Bildungsinvestitionen oder besser Entwurmungstabletten sind, steht bei uns am Ende, nicht am Anfang unseres Prozesses.

Folgt man konsequent der Logik des Effektiven Altruismus, dürften Kunst und Kultur erst wieder durch Spenden gefördert werden, wenn es weltweit weder Armut noch Hunger, Unterentwicklung oder Seuchen gibt. Aber machen künstlerische und kulturelle Projekte die Welt zwar nicht objektiv besser für alle, aber dennoch schöner, interessanter oder vermitteln neue Erkenntnisebenen, die vielleicht gerade eine Grundlage für altruistische Handlungen sind?

Auf der einen Seite bedeutet der Effektive Altruismus für mich so etwas wie bedingungslose Nächstenliebe. Also da zu helfen, wo man am meisten bewegen kann, ganz unabhängig davon, wo die Betroffenen leben und welcher Nationalität, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung sie sich zugehörig fühlen. Und ganz gleich welche Maßnahme dafür notwendig ist. Dies würde, wie von dir angedeutet, in der Tat dazu führen, dass man sich erst mal darauf konzentriert, das millionenfache Sterben zu verhindern, das leider nach wie vor zum Alltag auf dieser Welt gehört.

Auf der anderen Seite sehe ich den Menschen als mehrdimensionales Wesen. Auch ich bin weit davon entfernt, jede meiner Handlungen der Maxime zu unterwerfen, den größtmöglichen positiven Impact zu haben. Insofern halte ich es nicht nur für legitim, sondern auch für unterstützenswert, wenn Menschen sich in ihrem direkten Umfeld für eine gute Sache engagieren, indem sie beispielsweise Geflüchteten helfen, sich in der Kita der Kinder engagieren oder auch eine Gedenkstätte, ein Museum oder Konzerthaus unterstützen. Das eine schließt das andere ja nicht aus.

Für das Engagement aber, das sich die Lösung der großen Herausforderungen der Menschheit zum Ziel gesetzt hat, wie den Hunger auf der Welt, den Klimawandel oder auch das milliardenfache Tierleid, scheint es mir in der Tat geboten, sich sehr bewusst zu entscheiden, wen man unterstützt. Nach unseren Schätzungen können die weltweit besten Organisationen mit dem gleichen Geld zum Teil 100-mal mehr bewirken als andere, also 100-mal mehr Menschen helfen oder pro Euro 100-mal mehr CO2 vermeiden. Die Wirkungsunterschiede sind schlicht zu groß, als dass man einfach aus dem Bauch heraus entscheiden sollte, an wen man spendet. Hier wollen wir mit effektiv-spenden.org Orientierung geben.

Deutschland ist international der zweitgrößte Geber in der Entwicklungszusammenarbeit. Wie sähe deine Empfehlung an die Bundesregierung aus, so dass mit diesen zehn Milliarden Euro möglichst viel Gutes erreicht werden könnte?

Zu Beginn meiner Karriere war ich in der KfW-Entwicklungsbank tätig und mein Mitgründer Pascal Zimmer hat under anderem für die GIZ und das BMZ gearbeitet. Insofern haben wir einen ganz guten Eindruck von der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Wie im gemeinnützigen Sektor insgesamt sehen wir auch dort noch eine Menge Potenzial, was die Wirkungsorientierung angeht. Im Positionspapier Evidenzbasierte Entwicklungszusammenarbeit, das wir auf unserem Blog veröffentlicht haben, empfehlen wir eine stärkere Priorisierung von Projekten mit herausragender Kosteneffektivität, den frühzeitigen Abschluss von Programmen, die nachweislich unwirksam sind und den vermehrter Einsatz von Evaluierungen und der Definition höherer Qualitätsstandards.

Darüber hinaus befürworten wir außerdem eine deutliche Erhöhung der zur Verfügung stehenden Mittel. Während der Etat der Bundeswehr alleine 2019 um mehr als vier Milliarden Euro erhöht wurde und perspektivisch auf 80 Milliarden Euro pro Jahr steigen soll, wird die Bundesregierung ihr vor nun fast 50 Jahren gemachtes Versprechen, zumindest 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren, auch 2019 brechen. Das halten wir für falsch.

Die Verfehlungen auf Regierungsebene sollen aber natürlich niemanden davon abhalten, sich selber ehrgeizigere Spendenziele zu setzen.

Vielen Dank!

Du willst mehr über den Effektiven Altruismus wissen? In unserem Hintergrundartikel erfährst du mehr: Von Nächsten- und Fernstenliebe – Was ist Effektiver Altruismus?

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