Luftanalyse-Tool air-Q: „Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel“

Ein kleines, smartes Tool soll helfen, die Luftqualität in Innenräumen zu verbessern. Mario Körösi von air-Q erzählt im Interview, wie der Luftanalysator funktioniert – und wie eine Party zur Entwicklung des Geräts beigetragen hat.

Autor*in Lydia Skrabania, 02.09.19

Feinstaub, CO2, Stickoxid – die Luft, die wir atmen, ist oft mit Schadstoffen belastet. Und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Luftverschmutzung längst nicht nur an vielbefahrenen Straßen ein Problem ist, sondern auch in Innenräumen. Vieles kann die Qualität der Luft in unseren Wohnungen und Büros negativ beeinflussen, z.B. können Einrichtungsgegenstände, Möbel oder Putzmittel, die uns im Haushalt ganz selbstverständlich begegnen, kontinuierlich chemische Stoffe freisetzen. Da wir diese nicht sehen können, merken wir das jedoch häufig gar nicht.

Die Chemnitzer Corant GmbH bringt ein Gerät auf den Markt, das mithilfe von Sensortechnologie Luftschadstoffe identifizieren und so dabei helfen soll, deren Quellen zu beseitigen. Das kleine, kompakte Tool heißt air-Q und soll außerdem Schimmel frühzeitig erkennen und so vorbeugen helfen und als Rauchmelder und Lärmpegelmesser dienen. Der Prototyp des Geräts entstand Anfang 2017, inzwischen wurde der air-Q weiterentwickelt und geht nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne nun in Serienproduktion.

RESET hat mit Mario Körösi Geschäftsführer von Corant, darüber gesprochen, was das Luftanalyse-Tool leisten kann und welche Pläne es für die Zukunft auch für den Außenbereich gibt.

Worum geht es bei air-Q? Mit welchen Zielen seid ihr an die Entwicklung eures Luftanalysators herangegangen?

Die Idee kam Dr. Daniel Lehmann, einem der Gründer: Nachdem er auf einer Party mit mieser Raumluft war, machte er sich auf die Suche nach einem entsprechenden Gerät zur Analyse und Verbesserung der Luftqualität – seine Recherchen enttäuschten ihn allerdings. Da er als Physiker ohnehin zum Thema Sensortechnologie an der TU Chemnitz promovierte, machte er sich selbst an die Entwicklung eines Prototyps. Dieser entstand bis Frühjahr 2017 und war funktionstüchtig – allerdings viel zu groß und zu schwer für den Markt. Trotzdem half der Prototyp, eine Reihe von Unterstützern und Geldgebern zu finden, um daraus tatsächlich ein verkäufliches Produkt zu machen. Zu diesen Unterstützern zählen bis heute u.a. die Sächsische Aufbaubank und der Technologiegründerfonds Sachsen.            

Das Gerät ist heute der umfassendste und leistungsstärkste Luftanalysator der Welt – und dabei so kompakt, dass es auf jedem Sideboard, jedem Kaminsims, jeder Fensterbank oder jedem Schreibtisch Platz findet.

Wie funktioniert das Gerät? Und wer ist eure Zielgruppe?

Der air-Q analysiert die Luftqualität, erfasst Feinstaub, Chemikalien und andere Luftschadstoffe in Echtzeit. Insgesamt erfasst er 14 Stoffe und Stoffgruppen über jeweils einzelne, hoch qualitative Sensoren, die auch in großen, sperrigen Industriegeräten zum Einsatz kommen.

Von der Datenerfassung dieser Sensoren sowie den algorithmischen Auswertungen profitieren gesundheitsbewusste Menschen im Allgemeinen ebenso wie besonders gefährdete Gruppen wie Allergiker, Senioren oder Kinder. Das Gerät zeigt aber nicht nur einfach Zahlen an. Durch die Analyse von vergangenheitsbezogenen Daten sind noch mehr Aussagen möglich. So kann durch Auswertung der relativen Luftfeuchtigkeit im Zeitverlauf, eine Schimmelbildung treffsicher vorhergesagt und vorgebeugt werden. Zusätzlich ist der air-Q auch als Rauchmelder und Lärmpegelmesser einsetzbar.

Was unterscheidet eure von anderen Lösungen, die es bereits auf dem Markt gibt?

Der air-Q ist einerseits wirklich ein Messgerät, das heißt es sind echte, dezidierte Sensoren verbaut und die Werte werden nicht rein rechnerisch ermittelt, wie es bei anderen Geräten teilweise mit hoher Fehleranfälligkeit der Fall ist. Dazu gibt es keinen Luftanalysator zu diesem Preis-Leistungs-Verhältnis am Markt, der leistungsstärker ist – und von Kohlendioxid über Ozon, Stickstoffdioxid bis zu Feinstaub wirklich alles erfasst. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist, wie die Echtzeit-Daten ausgewertet und damit beispielsweise ein Leistungsindex und ein Gesundheitsindex ermittelt wird. So kann jeder nachvollziehen, was er zur Verbesserung der Raumluftqualität beitragen kann – ohne beispielsweise alle Messgrößen oder Grenzwerte im Detail kennen zu müssen.

© Corant GmbH /air-Q Mario Körösi, Geschäftsführer der Chemnitzer Corant GmbH

Und wie analysiert ihr die Wirkung bzw. den Impact des Geräts?

Wir haben die aktuell vorhandenen, seriennahen Geräte immer wieder in unterschiedlichen Umgebungen im Einsatz gehabt und dabei teilweise Erstaunliches festgestellt: In einem Kindergarten konnte zum Beispiel frühzeitig Schimmelbildung erkannt werden und in einer Papierfabrik stellte sich eine Gefahr durch Stickstoffdioxid heraus – obwohl der Kunde eigentlich die Luftfeuchtigkeit kontrollieren wollte.

Welche Rolle spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei air-Q?

Was kann nachhaltiger sein als für die Verbesserung der Luftqualität zu kämpfen? Denn Luft ist unser wichtigstes Lebensmittel – sie hat aber keinen Beipackzettel oder eine Produktverpackung, in der ihre Zutaten beschrieben werden. Der air-Q stößt quasi in diese Lücke und hilft den Menschen, erstmals zu verstehen, was sie eigentlich atmen. Und dies hat dann letztlich Auswirkungen auf Nachhaltigkeit etwa durch Ressourcenschonung: Weil air-Q-Nutzer darauf achten, weniger Produkte mit Weichmachern zu kaufen oder sie weniger zum Arzt müssen, weil sie stärker auf ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit achten.

Aber natürlich achten wir auch im Unternehmensalltag auf Nachhaltigkeit: Zum Beispiel kommen einige der Mitarbeiter – auch ich selbst – zumeist mit dem Fahrrad und wir gehen ausgesprochen sparsam mit Papier und Druckaufträgen um.

Gibt es Ideen in Zukunft auch mit Städten und Unternehmen zu arbeiten?

Ideen für die Zukunft haben wir mehr als genug – unsere air-Q-Geräte in übergreifende Netzwerke einzubinden und damit Raumluft und Außenluft zu kombinieren ist sicherlich ein naheliegendes Szenario. Mit den von uns entwickelten Plattformen ist unsere Technologie dafür prädestiniert.

Im Moment liegt euer Fokus vor allem auf Innenräumen. Soll air-Q perspektivisch dann auch für den Außenbereich nutzbar sein?

Ja, wir planen Weiterentwicklungen. Wir arbeiten unter anderem an einem Gerät für den industriellen Einsatz, das auf denselben Auswertungs-Algorithmen aufsetzen wird. Außerdem haben wir die Technologie hinter dem air-Q bereits so entwickelt, dass wir in der Lage sind, je nach individueller Situation in der Industrie oder Werkhalle passende Sensoren zu ergänzen. Diese werden dann automatisiert in die Auswertungen einbezogen und können zentral abgerufen werden. Im Gegensatz zu anderen Herstellern, die für solche individuellen Entwicklungen große Projekte starten, können wir das aufgrund des modularen Aufbaus des Gerätes unproblematisch individualisieren. Privatpersonen sollen diese Industrievariante als air-Q Messstation für den Außenbereich mit dann passenden Sensoren auch erhalten können.

Danke für das Interview!

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