Bis 2050 will Ursula von der Leyen die EU klimaneutral gestalten. Damit das klappt, reicht es nicht aus, nur die Energie- und die Verkehrswende in Angriff zu nehmen. Auch im Bausektor soll viel passieren. Es wurde sogar eigens ein „Bundespreis Umwelt & Bauen“ ausgerufen, der in diesem Jahr das erste Mal verliehen werden soll. Dieser Preis fokussiert sich in erster Linie auf nachhaltiges Bauen. Das ist zwar lobenswert und könnte mehr Anreize in diesem Bereich schaffen, jedoch verbraucht natürlich auch jedes Bauen zunächst Ressourcen und führt zu neuen CO2-Emissionen.
Hinzu kommt, dass vor allem ältere Bestandsbauten wenig energieeffizient sind und oft einen sehr großen ökologischen Fußabdruck besitzen. Unternehmen und Forschungsprojekte wollen daher im Rahmen der notwendigen Gebäudewende auch die schon vorhandenen Gebäude effizienter wärmen – mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Ein Unternehmen aus Finnland hat schon viel Erfahrung im praktischen Bereich: Mittlerweile arbeiten knapp 50 Prozent der finnischen Wohnungsgesellschaften mit dem System von Leanheat by Danfoss.
Mithilfe von intelligenter, selbstlernender Regelung, also maschinellem Lernen, werden die Bedürfnisse der Bewohner*innen eines Mehrfamilienhauses dabei kombiniert mit der aktuellen Wetterlage und auch die erlernte Thermodynamik des Gebäudes, um Spitzenlasten zu optimieren. Es geht Leanheat dabei nicht darum, die Zentralheizung zum richtigen Zeitpunkt ferngesteuert einzuschalten, sondern die Wärme so konstant zu halten, dass möglichst wenig Energie verbraucht wird. Ein weiterer Aspekt, den das Unternehmen durch dieses System anbieten möchte, ist die Wartung und Instandhaltung des Heizungssystems. Normalerweise muss bei einer defekten Heizung ein Fachdienst kommen und zunächst analysieren, wo das Problem liegt. Erst dann kann es behoben werden. Dieser erste Schritt soll durch das Leanheat-System ersetzt werden.
„Durch automatisierte Alarme erkennt Leanheat dabei Anomalien im System, welche teilweise bereits durch eine optimierte Regelung behoben werden. Dies könnte zum Beispiel ein defekter Wärmetauscher sein oder eine schlechte Wärmeverteilung“, erklärte Nico Klecka, zuständig für Business Development bei Leanheat by Danfoss, gegenüber RESET.
Die Sache mit der Privatsphäre
Grundsätzlich funktioniert maschinelles Lernen besser, je mehr Informationen vorliegen – so auch bei Leanheat. Ein Sensor in der Wohnung misst daher die Durchschnittsemperatur und die Luftfeuchtigkeit, um das Raumklima anzupassen. Daten über die Bewohner*innen sind dafür nicht notwendig. Wie Klecka gegenüber RESET versichert, sei das System vollständig DSGVO-konform und alle Daten seien Ende-zu-Ende verschlüsselt. „Wir haben keinerlei Informationen gespeichert, wer oder wie viele Personen in einer Wohnung sind und nutzen die erhobenen Daten anonymisiert unter der Verwendung der neuesten Verschlüsselungsmethoden.“
Mithilfe dieser Daten und dem Algorithmus von Leanheat soll das System zehn Prozent der Gebäudeheizkosten und ca. 15 Prozent der Wärmeenergie einsparen können – und damit auch CO2-Emissionen. Die Amortisationszeit für das System liegt zwischen einem Jahr und, wie das Unternehmen mitteilt, „im schlechtesten Fall bei drei bis vier Jahren“.
Nichts für Einzelmieter*innen
Nach Unternehmensangaben funktioniert das System „in jedem Mehrfamilienhaus mit Zentralheizung“. Anders als zum Beispiel bei intelligenten Heizkörpern muss das System von Leanheat aber für eine komplette Wohngemeinschaft installiert werden. Die Entscheidung muss also die Vermietung bzw. die Wohnungsgesellschaft treffen – für Individualist*innen und Mieter*innen ohne Einwilligung der Vermietung ist das Leanheat-System (noch) nicht geeignet.
Neben Leanheat arbeiten noch weitere Akteure an Lösungen für intelligentes, energieeffizientes Heizen. So hat auch das niederländische Unternehmen Hero Balancer eine KI entwickelt, um Großheizungsanlagen effizienter zu gestalten. Und das Projekt ANNsolar des Fraunhofer ISE forscht an neuronalen Netzwerken für die Anwendung in der Solarthermie. Bei RESET haben wir auch schon über ein System aus Schweden berichtet, das die Wärmeenergie aus Abluft speichern und wiederverwenden kann. Und nach einer Studie aus der Schweiz könnte sogar die Wärme aus U-Bahntunneln zum Heizen und Kühlen von Wohnungen genutzt werden.
Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.
Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Künstliche Intelligenz – Können wir mit Rechenleistung unseren Planeten retten?“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier KI
Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.
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