Lab-On-a-Fish: Ein neuer Biosensor erfasst Gesundheitszustand und Aktivitäten von Fischen

Fische möchten wandern und laichen – nur hat der Mensch ihnen dabei viele Hindernisse in den Weg gelegt. Ein neuer Fitnesssensor für Fische soll testen, wie anstrengend ihre Reisen wirklich sind.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Lara Sophie Sander, 10.05.22

Tragbare Fitness-Technologie hat sich unter Zweibeinern in den letzten Jahren zu einer aufstrebenden Industrie entwickelt. Jetzt wird die Idee auch auf Wildtiere ausgeweitet – in diesem Fall auf Fische. Das Pacific Northwest National Laboratory (PNNL) hat ein neues „Lab-On-a-Fish“ entwickelt, einen winzigen Sensor, der detaillierte Informationen über den Gesundheitszustand und die Aktivität von ökologisch und kommerziell wichtigen Fischarten liefern kann.

Der Biosensor des PNNL, auch als „Fitbit für Fische“ bezeichnet, kann gleichzeitig Informationen über bestimmte Fische und über eine verschiedene Umweltvariablen sammeln. Er ist in der Lage, den Standort, den Herzschlag, die Schwanzbewegung und das Aktivitätsniveau der Fische sowie die Temperatur und den Druck des Wassers, in dem sie schwimmen, zu messen. All diese Informationen sind für das Verständnis der Gesundheit und des Stressniveaus von Fischen auf ihrer Reise durch verschiedene Bereiche von Flusssystemen von entscheidender Bedeutung. Viele Gewässer sind durch menschliche Aktivitäten stark beeinträchtigt – mit Auswirkungen auf die Fische. Das Material des Biosensors kann von Meeresbiolog*innen, Entwickler*innen von Wasserkraftwerken und Betreiber*innen von Aquakulturen genutzt werden, um bessere Strategien für die Bewirtschaftung und Erhaltung der Fischarten zu entwickeln.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sender an Fischen eingesetzt werden, aber bisher wurde oft nur eine bestimmte Variable erfasst. Das Lab-On-a-Fish hingegen verfügt über mehrere Sensoren, die jedoch so klein sind, dass sie den Fisch nicht beeinträchtigen. Das aktuelle Modell wiegt nur 2,4 Gramm und ist etwa so groß wie eine Stiftkappe, so dass es auch bei kleineren Fischarten eingesetzt werden kann.

Damit der Sensor funktioniert, wird er chirurgisch unter der Haut des Fisches in der Nähe der hinteren Rückenflosse eingeführt. Anschließend sendet dieser drahtlos Informationen über eine Reihe von Pieptönen an einen Empfänger. Sobald die Informationen empfangen werden – entweder drahtlos oder vom Gerät selbst – werden die Pieptöne durch einen Algorithmus maschinellen Lernens geleitet, der die Rohdaten zu Zahlen verdichtet, die die Forscher*innen wiederum für ihre Studien verwenden können. Die Batterie im Sensor hat eine hohe Lebensdauer und kann bis zu acht Monate lang Informationen liefern.

Bislang hat das Team Laborversuche mit drei Fischarten durchgeführt: Regenbogenforelle, Weißer Stör und Zander. Die Anwendung könnte jedoch auf viele weitere wichtige Flussfischarten ausgeweitet werden. Natürlich bringt der Einsatz der Sensoren in freier Wildbahn zusätzliche Herausforderungen mit sich, insbesondere wenn der Kontakt mit den markierten Fischen aufrechterhalten und die Sensoren wiedergefunden werden sollen. 

Die erhaltenen Informationen sind jedoch sehr hilfreich, um den Stresspegel der Fische an verschiedenen Punkten ihrer Wanderungen und Reisen besser zu bewerten. Damit lässt sich zum Beispiel feststellen, ob und welche Auswirkungen die kommerziellen Aktivitäten des Menschen und Wasserkraftwerke auf die natürlichen Rhythmen bestimmter Fischarten haben.

Wasserkraft: Gut für uns, schlecht für die Fische?

Obwohl Wasserkraftwerke große Menge erneuerbarer Energie liefern können, geraten sie immer wieder in die Kritik hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Fischarten. Groß angelegte Staudammprojekte in Nordamerika haben den Bestand an Salmoniden stark reduziert, und die Stauung des chinesischen Jangtse-Flusses hat wahrscheinlich zum Aussterben des Chinesischen Löffelstörs beigetragen. Dies hat nicht nur ökologische Auswirkungen, sondern beeinträchtigt auch die Lebensgrundlage der Einheimischen, die von der Aquakultur leben. Das gilt insbesondere für den Globalen Süden, in dem derzeit zahlreiche Wasserkraftprojekte durchgeführt werden.

Dämme können nicht nur Fische von ihren Laichplätzen trennen, sondern auch deren natürliche Lebenszyklen durcheinanderbringen – insbesondere bei Arten, die zur Fortpflanzung flussaufwärts schwimmen. Viele von Menschenhand geschaffene Hindernisse sind heute mit Fischtreppen ausgestattet, um den Wassertieren ihre Reise flussaufwärts zu erleichtern. Herkömmliche Fischtreppen bestehen in der Regel aus einer Reihe von kleinen Stufen, die die Fische hinaufspringen können, größere und moderne Wasserkraftwerke stellen jedoch ganz neue Herausforderungen dar. Um dem entgegenzuwirken, wurden neue, etwas ungewöhnlichere Konstruktionen ausprobiert, darunter Aufzüge, die die Fische in Trichtern nach oben befördern, oder pneumatische Kanonen, die die Fische an einem Ende ansaugen und am anderen Ende wieder abschießen.

Die Wirksamkeit dieser Vorrichtungen ist jedoch umstritten. Sie sollten so konstruiert sein, dass sie die Fische nicht überfordern und sie noch genug Energie haben, um ihre harte Reise flussaufwärts fortzusetzen – aber das kann nicht immer garantiert werden. Einer US-Studie zufolge schafften es nur drei Prozent der Alse über alle Fischtreppen auf ihrem Weg zu ihren Laichgründen.

Das größte Problem bei der Entwicklung wirksamer Hilfen für den Aufstieg der Fische ist der Mangel an zuverlässigen Daten über deren Schwimmfähigkeit selbst. Zwar können Labortests durchgeführt werden, doch sind sie im Vergleich zu wild lebenden Fischen oft von zweifelhafter Aussagekraft. Es bleibt zu hoffen, dass neue innovative Biosensoren wie das Lab-On-a-Fish dabei helfen können, bessere Strategien für eine fischfreundliche Wasserkraft zu entwickeln.

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