Über 27.000 Tier- und Pflanzenarten sind laut IUCN vom Aussterben bedroht und stehen auf der sogenannten Roten Liste – mehr als 27 Prozent aller untersuchten Arten. Etwa 25 Prozent aller bekannten Säugetierarten wurden in die Rote Liste aufgenommen. Seit 2016 ist diese traurigerweise um ein weiteres großes Säugetier reicher: die Giraffe. Ungefähr 70.000 ausgewachsene Giraffen streifen noch durch die Steppen von Subsahara-Afrika – 40 Prozent weniger als noch vor 30 Jahren.
Gründe dafür gibt es viele. Landwirtschaftliche Flächennnutzung verkleinert den Lebensraum der Tiere, und die Jagd auf die Langhälse ist immer noch ein lukrativer Geschäftszweig. Um Schutzmaßnahmen für Giraffen zu implementieren, sind Informationen und Daten über den Bestand äußerst wichtig. Das können zum Beispiel Informationen über die Gruppengröße, den Aufenthaltsort und die Anzahl generell sein. Diese Erhebungen sind jedoch sehr kostenintensiv und langwierig, vor allem wenn sie nur von einigen wenigen Wissenschaftler*innen vorgenommen werden. Hier kommt das Konzept von Citizen Science ins Spiel.
Die Online-Datenbank GiraffeSpotter ist eine Foto-Identifikationsdatenbank, in der Begegnungen mit Giraffen festgehalten und die Tiere individuell katalogisiert werden können. Jede Giraffe verfügt über ein einzigartiges Muster, ähnlich wie ein Fingerabdruck. Die Open-Source-Software Wildbook ermöglicht es dann Besucher*innen von Nationalparks, Forschenden und allen anderen, ihre Fotos der Giraffen hochzuladen. Durch die mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete Software ist es möglich, die Giraffen auf den Fotos anhand ihrer Muster zu identifizieren, ähnlich wie Gesichtserkennungssoftware. Falls die Datenbank das identifizierte Muster aufweist, wird es der erkannten Giraffe zugeordnet. Falls nicht, wird ein neuer Eintrag erstellt.
Doch diese Datenanalyse gibt nicht nur Informationen über das Aussehen und die Anzahl der Giraffen in freier Wildbahn. Es werden wichtige Sozialdaten für Wildtierpopulationen gesammelt, wie zum Beispiel wohin und wie weit sich die Tiere bewegen. Diese Informationen können helfen, bessere Schutzmaßnahmen für die gefährdeten Giraffen zu entwerfen, denn je detaillierter der Wissensstand ist, desto passgenauer können Wissenschaftler*innen Gefahren für den Bestand ermitteln und Lösungsvorschläge unterbreiten.
Diese Mischung aus KI, Big Data und Citizen Science gibt es nicht nur für die Datensammlung über Giraffen. Die Software Wildbook wird von mehreren Projekten verwendet. Flukebook fokussiert sich auf verschiedene Walarten, wie Buckel- und Pottwale, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Körperfärbung oder Flossenränder unterschieden werden können. MantaMatcher sammelt Daten über Mantas, die ihre Identifikationsmerkmale auf dem Bauch tragen.
Aber auch hier bei uns gibt es ganz ähnliche Ansätze: Vom 2. bis 11. August findet der “Insektensommer” statt, ein NABU-Projekt, um eine kontinuierliche Erfassung von heimischen Insekten zu etablieren. In diesem Fall läuft das zwar ohne “Gesichtserkennung”, aber trotzdem kann dieses Zusammenspiel von Big Data und Citizen Science helfen, Daten zur Artenvielfalt und der Häufigkeit der Insekten zu sammeln.
Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.