Kreislaufwirtschaft fängt – wie das Wort schon suggeriert – nicht erst beim Recycling an, sondern zielt darauf ab, dass grundsätzlich weniger Abfall entsteht. Neben der schlauen Produktentwicklung bringt die Digitalisierung zusätzlich Schwung in die Sache.
Experten des Beratungs- und Technologiedienstleisters Accenture sehen in digitaler Technik einen Beschleuniger der Kreislaufwirtschaft. In einer Analyse heißt es, digitale Disruptionen rütteln derzeit an zahlreichen bisher stabilen Industrien und eröffnen neue, profitable Wachstumsmöglichkeiten. Laut Accenture sind digitale Lösungen der Treiber, um neue Konzepte zum Mainstream werden zu lassen und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Startups spielen dabei eine Schlüsselrolle, denn das Thema Circular Economy ist bei vielen jungen Gründern angekommen. Sie haben das Potenzial der Kreislaufwirtschaft und ihrer neuen Geschäftsfelder entdeckt und arbeiten an cleveren Lösungen und Apps.
Lebensmittelverschwendung eindämmen mit dem Smartphone
Der Gründer von FoodLoop, Christoph Müller-Dechent, hat sich vorgenommen, die tägliche Lebensmittelverschwendung in Supermärkten zu reduzieren. Jeden Tag werden pro Supermarktfiliale mindestens zwei Einkaufswagen voller Lebensmittel weggeworfen, die eigentlich noch lange genießbar wären. Deshalb hat das 2014 gegründete Startup eine App entwickelt, die Produkte kurz vor dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums im Handel günstiger anbietet und den Verbraucher leicht finden lässt. Dazu koppelt FoodLoop das Warenwirtschaftssystem der Märkte mit einem Tool für Verbraucher.
Diese einfache Idee hat eine große Wirkung, denn am Ende landen nicht nur viel weniger Lebensmittel im Abfall. Auch Produktion, Logistik oder Lagerung der Waren in der Lebensmittelindustrie sind aufwendig. Alles, was am Ende der Kette nicht auf dem Teller, sondern in der Tonne landet, ist gleichzeitig auch eine Verschwendung von Landnutzung, Wasser-, Energieverbrauch und Arbeitskraft. Auch die internationale Jury des Green Alley Awards war von Müller-Dechents Geschäftsidee begeistert und kürte ihn 2014 zum Sieger des europäischen Startup-Wettbewerbs der Circular Economy.
Das finnische Start-up ResQ Club hat eine App entwickelt, die Nutzern die Möglichkeit bietet, übrig gebliebene Speisen in Restaurants aus der Umgebung günstig zu erwerben. Über 65.000 Kilogramm Lebensmittel hat das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2016 schon vor dem Wegwerfen bewahrt. Dass dieses Konzept gefragt ist und international Potenzial hat, zeigt auch die Fusion von ResQ Club mit Mealsaver. Letztere haben bislang ein ähnliches Business-Konzept in Deutschland verfolgt.
Weniger Reste in der Baubranche dank Online-Plattform
Das „Kleinanzeigen-Prinzip“ von ResQ Club, FoodLoop und ähnlichen Anbietern lässt sich auch auf andere Wirtschaftssektoren übertragen, so zum Beispiel auf die Baubranche – übrigens die Branche, die für den mit Abstand größten Teil des Abfallaufkommens hierzulande verantwortlich ist. Über 52 Prozent der Abfälle in Deutschland entstehen allein durch Bau und Abbruch.
Über die Verkaufsplattform von restado aus Stuttgart, die es seit 2015 gibt, können übrig gebliebene Baumaterialien digital ver- und gekauft werden. Von Fenstern, Steinen und Beton über Holzfliesen bis hin zu Dämmmaterial ist hier alles zu finden. Bislang landeten Fehlbestellungen oder eine zu große Mindestabnahmemenge bei privaten oder gewerblichen Bauprojekten zu oft im Abfall. Mit restado können auch Kleinstmengen online angeboten und dadurch teilweise sehr umweltschädlicher Abfall tonnenweise vermieden werden.
Und die ausgedienten digitalen Endgeräte?
Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft greifen an vielen Punkten perfekt ineinander. Sobald wir aber unsere Zeitung nicht mehr gedruckt, sondern digital am Handy oder Tablet lesen, entsteht statt Papiermüll jetzt Elektroschrott. Für die Endgeräte, die wir nutzen, müssen ebenfalls kreislauffähige Lösungen her – und die sollten schon weit vor dem eigentlichen Recycling ansetzen. Ein Ansatz ist Circular Design, bei dem Produkte so gestaltet sind, dass sie sich leicht zerlegen lassen, um eine bessere Wiederverwertung zu ermöglichen. Wichtig ist aber auch, die ausgedienten Geräte richtig zu entsorgen, damit wertvolle Rohstoffe wieder aufbereitet werden können und gefährliche Substanzen nicht Mensch und Umwelt gefährden. Der Restmüll ist dafür nämlich nicht geeignet. Leider landet E-Schrott dort aber noch zu häufig.
Abfallentsorgung darf auch Spaß machen, finden die Gründer von binee. Das Leipziger Start-up und Finalist des Green Alley Awards 2015 verbessert die Sammlung von Elektro- und Elektronik-Schrott durch eine smarte Tonne, die mit einem Kamerasystem ausgestattet ist. Diese liest das Produkt beim Wurf ein und informiert den Verbraucher spielerisch mit Hilfe einer App über den Entsorgungsprozess des Altgerätes. Zusätzlich wird der Verbraucher mit Anreizen belohnt.
Gute Ideen brauchen Unterstützung
Alle genannten Start-ups waren in den letzten Jahren Finalisten und Preisträger des Green Alley Awards, einem europäischen Gründerwettbewerb zur Förderung innovativer Ideen in der Circular Economy. Er wird seit 2014 jährlich von einer internationalen Jury aus Circular Economy Experten vergeben. Aktuell ist der Green Alley Award wieder ausgeschrieben – nur noch für wenige Tage. Auch digitale Pioniere aus ganz Europa sind aufgerufen, sich zu bewerben.
Mit ihren Ideen ermöglichen Startups wie binee, restado oder FoodLoop, die Kreislaufwirtschaft praktisch umzusetzen. Doch allein können die Gründer keinen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen, der unser bisher lineares Wirtschaftssystem in eine wahre Kreislaufwirtschaft überführt und nachhaltiger macht. Auch die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, Großkonzerne und Verbraucher müssen mitziehen
Über den Green Alley Award:
Green Alley fördert mit einem eigenen Award junge Gründer und Start-ups, die mit ihren Ideen zu einer Circular Economy beitragen. Die Bewerbungsfrist für den Green Alley Award endet am 25. Juli 2017. Mehr Informationen unter www.green-alley-award.com