Beton aus Windeln – die Lösung für eine nachhaltige Baubranche?

Wissenschaftler*innen in Japan haben ein innovatives und günstiges Baumaterial aus gebrauchten Windeln entwickelt. Kann der Windel-Beton eine Lösung für erschwinglichen Wohnraum und weniger Sandverbrauch darstellen?

Autor*in Christian Nathler:

Übersetzung Luisa Ilse, 05.07.23

Wissenschaftler*innen in Japan haben einen Weg gefunden, gebrauchte Windeln zu einem Baumaterial für den Wohnungsbau zu recyceln. Das Ergebnis? Nachhaltiger und erschwinglicher Wohnraum. Der Durchbruch wurde von einem Forscherteam an der Universität Kitakyushu bekannt gegeben. In einem ersten Versuch wurde das Material beim Bau eines 36 Quadratmeter großen, einstöckigen Hauses in Indonesien eingesetzt.

Mehr als ein Viertel weniger Sand für den Bau eines Hauses

Bei dem indonesischen Konzepthaus wurden etwa 27 Prozent des Sandes, der traditionell für den Bau solcher Häuser verwendet wird, durch Windelabfälle ersetzt. Verschiedene Bauelemente lassen unterschiedliche Verhältnisse von konventionellem Beton zu Beton aus recycelten Windelabfällen zu, ohne die Festigkeit zu beeinträchtigen. Für die Wände konnte beispielsweise Beton verwendet werden, dem bis zu 40 Prozent gebrauchte Windeln beigemischt waren. Für tragende Bauteile wie Säulen und Balken wurde ein geringerer Anteil von dem neuartigen Material verwendet. Solche Reduzierungen können erhebliche Auswirkungen auf die Zementherstellung haben, die jährlich etwa 50 Milliarden Tonnen Sand verbraucht und für fast sieben Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.

Der Prozess: Von Windeln zu Beton

Bei der Verarbeitung von Windeln zu Beton werden gebrauchte Wegwerfwindeln gesammelt, gewaschen und dann in kleine Stücke zerkleinert. Die geschredderten Windeln werden im Anschluss in einem bestimmten Verhältnis mit herkömmlichen Baumaterialien wie Zement, Kies, Sand und Wasser gemischt. Nach dem gründlichen Mischen lässt man die Betonmischung aushärten, so dass ein haltbares und stabiles Material entsteht. Durch Prüfverfahren wird sichergestellt, dass die strukturellen Anforderungen erfüllt und die Bauvorschriften eingehalten werden.

Weniger Sand, weniger Müll

In großem Maßstab umgesetzt, könnte das mit Windeln ergänzte Baumaterial sowohl die Anzahl der Windeln auf Mülldeponien erheblich verringern als auch weniger Sand – einen wichtigen Bestandteil von Beton – verbrauchen. Derzeit landen allein in Nordamerika etwa 30 bis 40 Milliarden Windeln auf Mülldeponien. Ihre langsame Zersetzung, die auf das Vorhandensein von Kunststoffen zurückzuführen ist, trägt zu einem immer größer werdenden Abfallproblem bei. Gleichzeitig zeichnet die drohende Sandknappheit ein besorgniserregendes Bild für eine Welt, für die bis 2060 ein Anstieg der Nachfrage um 45 Prozent abzusehen ist. Sand ist weltweit die am zweithäufigsten genutzte Ressource und für die Baubranche unerlässlich. Ohne einen ordnungsgemäßen Umgang mit dem feinkörnigen Material kann es in den Abbauländern zu zerstörerischen Überschwemmungen und Stürmen kommen, die Gemeinden und Lebensräume verwüsten.

Praktische und ökologische Herausforderungen

Nach Ansicht von Christof Schröfl, einem auf nachhaltige Baustoffe spezialisierten Chemiker an der Technischen Universität Dresden, stellt das Projekt einen bedeutenden Schritt nach vorne dar. Er weist jedoch auch auf die potenzielle Herausforderung des Transports von Windelabfällen zu Verarbeitungsanlagen oder Baustellen hin. Dies könnte einige der Umweltvorteile schmälern. Schröfl schlägt außerdem vor, die Verwendung von Verbundwerkstoffen auf Holzbasis für Wände zu prüfen, um die Umweltfreundlichkeit dieser erschwinglichen Wohnungen weiter zu erhöhen.

Ein großes Hindernis für die Einführung des Materials in größerem Maßstab ist die Trennung der Windeln vom allgemeinen Abfallstrom. In Ländern wie Indonesien, in denen nur ein kleiner Teil der Kunststoffe recycelt wird, stellt das Fehlen eines effektiven Recyclingsystems für die Verwaltung und Trennung von Windeln eine große Hürde dar. Daher sind Fortschritte in der Abfallwirtschaft und bei den Recyclingsystemen notwendig, um diese umweltfreundliche Wohnungslösung praktikabel zu machen.

Grüne Dächer aus alten Reifen

Ein niederländisches Unternehmen verwendet geschredderte Gummireifen und Kunstrasen-Abfälle, um Dachpaneele zu bauen, die die Temperatur von Gebäuden auf natürliche Weise regulieren.

Neues intelligentes Dachmaterial reguliert Temperaturen in Gebäuden automatisch – emissionsfrei

Ein neues Dachmaterial kann dazu beitragen, Emissionen beim Heizen und Kühlen von Gebäuden das ganze Jahr über zu reduzieren.

Ein feuerfester Baustoff aus Reisstroh und Meeresplastik

Viele moderne Errungenschaften wie das Penizillin oder die Mikrowelle wurden eher zufällig entdeckt, wenn eigentlich etwas ganz anderes entwickelt werden sollte. So entstand auch HiperIn, ein neuer Baustoff, der die Umweltbelastung in der Bauindustrie reduzieren könnte.

Ecoworks: Alte Gebäude werden mit einer zweiten Haut CO2-negativ

Ältere Gebäude mit einer energiesparenden Isolierung auszustatten ist oft kostspielig und zeitaufwendig. Das Startup Ecoworks will den Prozess effizienter und einfacher machen.

Möglicher Recycling-Meilenstein: Hat Trinasolar die Lösung für die Solarzellen-Kreislaufwirtschaft gefunden?

Der chinesische Solar-Gigant Trinasolar hat das erste zu 100 Prozent recycelte Photovoltaik-Modul gefertigt. Das Verfahren könnte eine große Chance sein, da immer mehr Solarpaneele zu Elektroschrott werden.

Secondhand kaufen bei Modemarken: Resale-As-A-Service-Software macht das möglich

Resale-as-a-Service-Software ist die Technologie, die Secondhand-Plattformen für Mode antreibt – und dafür sorgt, dass Kleidung länger im Umlauf bleibt.

Jijani app
© Justdiggit
Kijani-App unterstützt Kleinbäuer:innen in Subsahara-Afrika bei der Wiederbegrünung

Welche Pflanzen gedeihen gut in Subsahara-Afrika? Über eine App erhalten Landwirt:innen lokales Wissen.

© The Ocean Cleanup
The Ocean Cleanup: Lassen sich unsere Ozeane für 7,5 Milliarden Euro von Plastikmüll befreien?

In unseren Meeren treibt immer mehr Plastikmüll. Das Projekt The Ocean Cleanup will das Problem angehen – aber wie wirksam ist es wirklich? Und wie steht es um andere Technologien? Spoiler: Die Lösungen liegen woanders.