Syrien, Libanon, Irak – dies sind nur einige der Regionen, die in den letzten Jahren von Kriegen geprägt waren. Und wo Krieg ist, da sind naturgemäß viele Kranke und Verletzte, doch wo können diese Menschen die notwendige Versorgung und Ruhe zur Genesung erhalten, wenn der Großteil der Krankenhäuser bei den Gefechten zerstört wurde?
Oliver Rentzsch ist Professor für internationale Gesundheitswissenschaften an der Fachhochschule Lübeck und war im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation und der Vereinten Nationen neun Wochen mit einem Team in Syrien unterwegs, um eine Bestandsaufnahme über die medizinische Versorgung des Landes zu machen.
Sein Resümee: „Durch die Zerstörungen von Versorgungseinrichtungen und Krankenhäusern in den umkämpften Städten wie Homs oder Aleppo sind katastrophale Zustände entstanden. (…)Wir erleben hier eine humanitäre Katastrophe, die weitaus schlimmer ist als die in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg.“
Die schlechte Versorgungssituation ist neben der Flucht vor der Gewalt einer der Hauptgründe, warum Menschen den beschwerlichen Weg in Gebiete mit einer besseren Infrastruktur auf sich nehmen.
Rentzsch dazu:„In Syrien selbst sind 11,5 Millionen Menschen auf der Flucht in die Gebiete mit noch halbwegs funktionierenden Versorgungssystemen. Deshalb brauchen wir hier dringend kurz-, mittel- und langfristige Lösungen, die sowohl die technische Ausstattung, die Infrastruktur, die Versorgung, Versicherung wie auch eine Qualifizierung der Menschen vor Ort berücksichtigen.“
Zurück in Deutschland wandte sich der Experte an seine Kollegen an der FH Lübeck vom Fachbereich Bauen: Wie könnte ein Krankenhaus aussehen, welches örtliche Begebenheiten berücksichtigt, sich schnell und vor Ort errichten lässt und zudem noch möglichst günstig ist? Sarah Friede nahm sich im Rahmen ihrer Masterarbeit der Herausforderung an und entwickelte in wenigen Monaten das Modell eines Krankenhauses, welches all diese Kriterien berücksichtigt.
Ein Krankenhaus im Lego-System
Das von der Studentin entwickelte Krankenhaus entspricht einem Baukastensystem: Die Module für den Bau können vor Ort in Serie gefertigt werden und beliebig nach Bedarf zusammengesetzt werden – so ist das Krankenhaus bespielsweise durch An- oder Aufbau schnell vergrößerbar. Die einzelnen Module können mit dem Lkw transportiert und sogar vor dem Zusammensetzen möbliert werden. Die Größe der Krankzimmer selbst berücksichtigt, dass in Ländern wie Syrien der Familienzusammenhalt völlig anders ist als in Deutschland und sich teilweise die ganze Familie um das Bett eines Kranken versammelt und ihn oder sie pflegt.
Friede hat aus den Modulen ein konkretes Krankenhaus geplant, welches in den nächsten Jahren vielleicht bereits in der syrischen Stadt Homs realisiert werden könnte: Aus fast 2.500 der von ihr entworfenen Module gestaltete Friede ein siebengeschossiges Krankenhaus mit 1.500 Räumen und acht Operationssälen. Die Innenhöfe des Krankenhauses sollen begrünt werden und so nicht nur einen funktionalen Ort, sondern eine „Oase der Hoffnung“ schaffen.
Mit ihrem Projekt beeindruckte die Master-Studentin nicht nur ihre Professoren, sondern auch Mitarbeiter der WHO und der UN, die bereits Verhandlungen mit Regierungsvertretern Syriens geführt haben, um die Idee in die Realität umzusetzen. „Sobald die Situation in Syrien hinreichend befriedet ist, wollen wir zwei Krankenhäuser dort realisieren“, so Professor Rentzsch.
Wenn sich der Bau des Modulkrankenhauses bewährt, könnte das Krankenhaus als Fertigbau möglicher Weise auch in anderen Krisenregionen durchsetzen. Wichtig für die Mitarbeiter der FH Lübeck ist es vorher jedoch erst einmal zu überprüfen, ob das für die Menschen des Landes gedachte Krankenhaus nicht letztlich zweckentfremdet wird – in solch einem Fall wollen sie sich aus der Weiterentwicklung zurückziehen.