Plastikmüll ist ein allgegenwärtiges Problem, aber unsere Wasserwege und Meere sind am stärksten von der Verschmutzung durch Plastik betroffen: Etwa sechs Milliarden Kilogramm des Kunststoffes gelangen jedes Jahr in die Weltmeere. Dort sind die nicht biologisch abbaubaren Partikel sowohl für große als auch für kleine Meerestiere gefährlich, noch dazu beeinträchtigen die aus den Kunststoffen austretenden Chemikalien die hormonelle Entwicklung einiger Meeresbewohner.
Es gibt bereits zahlreiche Ansätze, um das Problem anzugehen, darunter groß angelegte Säuberungsaktionen für Ozeane, schwimmende Drohnen und alternative Biokunststoffe, die sich in wesentlich kürzerer Zeit zersetzen können. Forscher einer US-amerikanischen Universität haben nun entdeckt, dass die Ozeane selbst einen neuartigen Biokunststoff der Zukunft hervorbringen könnten – in Form von „Tintenfischzähnen“.
Das Center for Research on Advanced Fiber Technologies (CRAFT) der Penn State University hat neue Forschungen vorgestellt, die zeigen, dass die kreisförmigen zahnähnlichen Strukturen auf den Gliedmaßen von Tintenfischen, sogenannte Saugringzähne (squid ring teeth, SRT), eine ganze Reihe erstaunlicher Eigenschaften haben, die künftig Verwendung in intelligenten Geweben und Materialien finden könnten. Und: Das Ganze soll möglich sein, ohne einem einzigen Tintenfisch Schaden zuzufügen.
Laut einem kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Chemistry veröffentlichten Paper sind die SRT nicht nur sehr widerstandsfähig, langlebig und biologisch abbaubar, sondern können sich auch von selbst regenerieren und weisen optische, thermische und elektrische Leitungseigenschaften auf. Der Schlüssel zu dieser Vielseitigkeit liegt in der molekularen Struktur der Proteine, die modifizierbar sind, um so unterschiedliche Reaktionen auszulösen.
Die Bausteine der Proteine sind so angeordnet, dass eine sogenannte Mikrophasenseparation im Nanobereich stattfinden kann. Das heißt im Wesentlichen, dass die Blöcke in verschiedene Formen gebracht werden können, wie z.B. sich wiederholende zylindrische Blöcke, ungeordnete Mischformen oder geordnete Bahnen – wobei die endgültige Ausformung der Blöcke die Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten des Materials bestimmen.
Von Tintenfischzähnen zu High-Tech-Kleidung
Die Forscher von CRAFT haben bereits mit verschiedenen Varianten experimentiert, um Biokunststoffe herzustellen, die sowohl für breite als auch für spezifische Anwendungen eingesetzt werden können. Beispielsweise können SRTs aufgrund ihrer optischen Eigenschaften eine ähnliche Funktion wie LEDs oder andere Lichtanzeigegeräte erfüllen, ohne dass Materialien wie Quarz, Glas oder Schwermetalle benötigt werden. Wenn dieses Material bei Bekleidung eingesetzt wird, könnte es bei der Entwicklung von „intelligenter“ Kleidung verwendet werden, beispielsweise im Bereich implantierbarer Geräte zum Biomonitoring.
Auch die selbstreparierende Eigenschaft der SRT-Biokunststoffe könnte bei Bekleidung eingesetzt werden: Mit einem dünnen Film der Substanz könnten die in Kleidung verwendeten empfindlichen Biochemikalien geschützt und ihre Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit erhöhen werden. Dies hätte eine vergleichsweise große Wirkung, denn der Zerfall und die Auswaschung dieser Biochemikalien und Mikrofasern, insbesondere beim Waschen in Waschmaschinen, ist eine der Hauptquellen für die Mikroplastikpartikel, die in unsere Wassersysteme gelangen. Das Forscherteam ist außerdem überzeugt, dass das Material auch für die Entwicklung von Spezialkleidung zum Schutz vor chemischen und biologischen Substanzen verwendet werden könnte.
Auf den ersten Blick erscheint die Nutzung tierischer Produkte allerdings nicht unbedingt als sinnvoller und langfristiger Ansatz, um ökologische Probleme anzugehen. Der Leiter von CRAFT, Melik Demirel, ist jedoch zuversichtlich, dass das Verfahren so durchgeführt werden kann, dass dabei nicht ein einziger Tintenfisch gefährdet wird. Sein Team konnte SRT replizieren, indem es Bakterien in einer Laborumgebung modellierte:
„Wir wollen die natürlichen Ressourcen von Tintenfischen nicht beanspruchen und produzieren diese Proteine daher in genetisch modifizierten Bakterien. Das Verfahren basiert auf einer Fermentation und nutzt Zucker, Wasser und Sauerstoff zur Herstellung von Biopolymeren.“
Aktuell wird das Verfahren nur in sehr kleinen Proben angewendet, die nächste Herausforderung besteht also darin, die Produktion auf die Anforderungen und Spezifikationen der Industrie zu skalieren. Dies dürfte zwar einige Jahre dauern, dennoch ist die Forschung ein Schritt in die richtige Richtung, um den Einsatz und den Nutzen von umweltfreundlichen Biokunststoffen – sowohl im Hinblick auf die Umwelt als auch auf Konsumgüter – voranzutreiben.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original wurde zuerst auf unserer englischsprachigen Seite veröffentlicht.