In Kopenhagen wird das Dach eines Einkaufszentrums zu einem städtischen Bauernhof

Refarmed ist Teil einer wachsenden Bewegung, die die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, verändert.

Autor*in Marisa Pettit:

Übersetzung Marisa Pettit, 08.04.19

Unsere Landwirtschaft und die Nahrungsmittelproduktion sind eine der größten CO2-Quellen der Welt. Angesichts der weiter wachsenden Bevölkerung und der damit verbundenen steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln braucht unser Planet dringend einen neue Lösungen für die Produktion, Verteilung und den Transport von Lebensmitteln, die weniger umweltschädigend sind. Eine Lösung besteht darin, städtische Räume in vertikale Farmen umzuwandeln und mit innovativen, energiesparenden Methoden Produkte direkt dort anzubauen, in denen diese auch verbraucht werden: in unseren Städten.

Das Konzept der „gebäudeintegrierten Landwirtschaft“ geht einen Schritt weiter. Hier werden hoch belastete Gebäude (d.h. sie produzieren viel Abfall und überschüssige Wärme) mit begrünten Dachgewächshäusern ergänzt, die all diese Abfälle in Wert verwandeln – zur Unterstützung einer schonenden Lebensmittelproduktion. Dadurch entsteht eine Symbiose zwischen dem Gebäude und den darauf wachsenden Pflanzen – und das Ergebnis sind gesunde, frische, lokale Produkte, ein geringerer Energieverbrauch, weniger Abfall sowie mehr Transparenz und Rückverfolgbarkeit.

Das dänische Öko-Startup Refarmed startet derzeit sein erstes gebäudeintegriertes Landwirtschaftsprojekt in Kopenhagen: ein Bauernhof auf dem Dach eines Einkaufszentrums in Kopenhagen, der Gemüse anbaut, das im Supermarkt direkt darunter verkauft wird.

Joah Illum Pinje, Kommunikations- und Marketingmanager bei Refarmed, nahm sich etwas Zeit, um mit RESET über die Zukunft des Projekts zu sprechen, über die Vorteile eines zirkulären Ansatzes und darüber, wie viel CO2-Einsparungen durch den Salat von Refarmed erzielt werden können.

Wie bist du auf die Idee zu Refarmed gekommen?

Meine Partnerin Camilla Enge und ich waren frustriert über den Mangel an Qualität und Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie und wollten ein Startup gründen, das die lokale Lebensmittelproduktion fördert und mit lokalen Ressourcen arbeitet. Wir haben uns um eine Förderung beworben und Geld erhalten, um ein Forschungsprojekt durchzuführen, das sich auf die Entwicklung einer industriellen Symbiose zwischen einem Dachgewächshaus und einem Einkaufszentrum in Kopenhagen konzentriert. Die von uns durchgeführte Machbarkeitsstudie zeigte, dass wir Restwärme und Bioabfälle aus dem darunter liegenden Gebäude sowie Solarstrom aus Kollektoren und Regenwasser nutzen können, um die Produktion der Pflanzen im Gewächshaus zu unterstützen. Dann könnten wir diese lokal angebauten Lebensmittel im Supermarkt nur zwei Stockwerke tiefer verkaufen.

Wen hast du in deinem Team?

Camilla und ich haben ein skalierbares Geschäftsmodell für diese Art der gebäudeintegrierten landwirtschaftlichen Produktion entwickelt. Wir haben auch einen Projektmanager an Bord, der an einem IT-Projekt arbeitet, während ich ein Pilotprojekt mit einem lokalen Hersteller von Microgreens durchführe und Camilla zusammen mit anderen kommerziellen Partnern größere Projekte vorbereitet. E.ON Denmark ist als Investor an Bord und der Innovationsdirektor ist der Vorsitzende unseres Vorstands. Das andere Mitglied verfügt über 40 Jahre Erfahrung im Einzelhandel.

In welchem Stadium befindet sich das Projekt gerade?

Derzeit bereiten wir den Start unseres ersten Projekts vor, eines 500 Quadratmeter großen Bauernhofs auf einer Dachterrasse im Einkaufszentrum des Field im Ørestaden-Viertel von Kopenhagen. Wir haben die Baugenehmigung erhalten und warten gerade auf grünes Licht von den Eigentümern des Einkaufszentrums, damit wir mit der Umsetzung unseres Pilotprojekts beginnen können.

Welche Arten von Abfallprodukten werdet ihr genau wiederverwenden?

Restwärme, lokale Abwässer/Regenwasser und kompostierte Bioabfälle. Die überschüssige Wärme aus dem Bilka-Supermarkt wird das Gewächshaus das ganze Jahr über beheizen, und Regenwasser wird zur Bewässerung der Pflanzen verwendet und liefert in Zukunft auch eine aquaponische Produktion von Fischen und Pflanzen. Bioabfälle aus einem Restaurant im Erdgeschoss werden auch für die Kompostierung verwendet.

Welche Art von Lebensmitteln produziert ihr? Und wie viel davon?

Wir bauen Salat, Kräuter und Microgreens an. In Zukunft werden wir unser Palette um weitere Produkte – Obst und Gemüse und auch Fisch – erweitern. Die Ernten werden vor Ort verkauft, insbesondere an lokale Supermärkte, Hotels, Restaurants usw. Die Produktion ist skalierbar und wir haben berechnet, dass ein 400 Meter großes Gewächshaus 160.000 Einheiten Salat und 180.000 Einheiten Kräuter produzieren kann.

Welche Vorteile hat die Verwendung von Konzepten der Kreislaufwirtschaft?

Es gibt sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Vorteile. Aufgrund der Symbiose zwischen dem Anbau und dem untenstehenden Gebäude haben wir kalkuliert, dass unsere Kosten um rund 1/3 geringer sein werden als bei der konventionellen Landwirtschaft. Das liegt vor allem an der Nutzung von Restwärme – ein großer Aufwand in der konventionellen Landwirtschaft.

Wir haben nicht alle Umweltvorteile entlang der gesamten Lieferkette berechnet. Das wäre eine sehr komplexe Berechnung, aber wir wissen, dass der Anbau von Lebensmitteln mit einem solchen symbiotischen System die CO2-Emissionen erheblich reduziert. Ein Kilo konventionell angebauter Salat zum Beispiel macht 0,2 kg CO2e aus, während die gleiche Menge, die bei Refarmed wächst, rund 0,04 kg CO2e weniger produziert. Mit einer Produktion von 160.000 Stück entspricht das einer jährlichen Reduzierung von 6.400 Kilo CO2 – nur auf Salat!

Durch die Nutzung von Restwärme (anstatt Energie zu nutzen), Regenwasser (anstelle von Frischwasser) und Bioabfällen (d.h. weniger Dünger) werden wir jährlich 46,2 Tonnen CO2 weniger ausstoßen als mit herkömmlichen Methoden.

Wie haben die Einkaufszentren reagiert? Sehen sie den Nutzen einer Zusammenarbeit mit euch, oder war es schwer, sie zu überzeugen?

Das Einkaufszentrum war von Anfang an sehr interessiert. Das Interesse an unserer Produktion ist auch in der lokalen Gemeinschaft so groß, dass wir es tatsächlich geschafft haben, alle unsere Kulturen zu verkaufen – über eine Vorverkaufsvereinbarung mit dem Supermarkt und einer Hotelkette – bevor wir überhaupt unseren ersten Salat produziert haben!

Was kommt als nächstes für Refarmed?

Neben dem Einkaufszentrum haben wir noch eine Reihe weiterer Projekte in der Pipeline. Dazu gehören Großhändler, ein großer Hypermarkt, eine große Kette von Cateringunternehmen und eine Kette von Großwäschereiunternehmen. Diese Art von Unternehmen sind ideal für diese Art von städtischen Landwirtschaftsprojekten, da die Gebäude einen hohen Anteil an Abwärme und Wasser haben. Und auch wegen der vorhandenen Infrastruktur, was bedeutet, dass der Transport reduziert wird. Im Falle der Wäscherei zum Beispiel liefern sie Wäsche an Hotels und so etwas, und in Zukunft können sie auch Kräuter und Salat zusammen mit der Wäsche liefern!

Dieser Beitrag ist Teil unserer Reihe Nachhaltiges Wirtschaften und Umweltschutz mit Circular Economy, welche von der BMW Foundation unterstützt wird.

Dieses Interview wurde von von Sarah-Indra Jungblut ins Deutsche übersetzt. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Webseite.

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