Könnten KI-gesteuerte Roboter die Lösung für Europas Elektroschrottproblem sein?

Ein Team aus Forschenden hat KI-gesteuerte Roboter entwickelt, die dabei helfen sollen, Europas gigantische Berge an Elektroschrott zu bewältigen.

Autor*in Lana O'Sullivan:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 13.10.25

Smartphones, Laptops, Kopfhörer – elektronische Geräte prägen unser Leben. Die meisten von uns können ohne sie weder Kaffee kochen noch einen Bahnhof finden oder sich abends entspannen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf uns Menschen, sondern auch auf unseren Planeten. Denn leider lösen sich unsere ausrangierten Elektronikgeräte nicht einfach in Luft auf, wenn wir sie nicht mehr brauchen. Elektroschrott ist einer der am schnellsten wachsenden Abfallströme weltweit: Würde man das globale Volumen an Elektroschrott, das allein im Jahr 2022 entstanden ist, in 40-Tonnen-Lkws verladen, wären das so viele, dass sie einmal den Äquator umrunden würden.

Das ist ein Problem. Dieser Abfall ist voller giftiger Metalle wie Blei und Quecksilber, die Böden und Gewässer verunreinigen und bei der Verbrennung giftige Verbindungen freisetzen. Diese stehen laut Weltgesundheitsorganisation mit schweren Gesundheitsproblemen in Verbindung. Eine gängige Strategie von Recyclingunternehmen besteht darin, Abfälle in Entwicklungsländer mit billigen Arbeitskräften zu verschiffen und dort Berge von Abfällen zu deponieren, die die Arbeiter:innen gefährden.

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Das Recycling von Elektroschrott ist ein komplexes Thema

Elektroschrott ist von Natur aus komplex, kostspielig und gefährlich zu recyceln. Er enthält eine Mischung aus wertvollen und gefährlichen Materialien, deren Rückgewinnung Präzision und Zeit erfordert. Die derzeitige Recycling-Infrastruktur hat damit zu kämpfen. Ein Bericht der Vereinten Nationen warnt davor, dass die weltweite Produktion von Elektroschrott fünfmal schneller steigt als die dokumentierten Recyclingquoten. Da weniger als ein Viertel (22,3 Prozent) des weltweiten Elektroschrotts gesammelt wird, sind dringend Maßnahmen gefragt. Die EU will dieses Problem durch ihren Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft bis 2050 angehen. Dies erfordert jedoch eine grundlegende Überarbeitung, wie die Welt elektronische Güter konsumiert und mit ihnen umgeht.

Vor den Toren der historischen deutschen Stadt Goslar in Niedersachsen bietet Electrocycling, eine der größten Anlagen Europas, eine interessante Antwort auf diese Krise. Jedes Jahr werden in dem weitläufigen Industriekomplex bis zu 80.000 Tonnen ausrangierter Elektronikgeräte verarbeitet. Dabei ist mehr als die Hälfte der Mitarbeiter des Standorts mit der manuellen Verarbeitung der Abfälle beschäftigt. Ihre wichtigste Aufgabe ist das Entfernen von Batterien. Wenn diese nicht ordnungsgemäß entsorgt werden, stellen sie eine erhebliche Brandgefahr dar. Dies macht sie zu einer der größten Herausforderungen bei der sicheren Entsorgung des anfallenden Elektroschrotts.

„Es ist kein Traumjob“, sagt Hannes Fröhlich, Geschäftsführer von Electrocycling. Das tägliche Zerlegen dieser vielfältigen und komplizierten Geräte mit Hammer und Zange ist eine knifflige Arbeit. „Es gibt immer mehr Geräte, sie werden immer kleiner und sie enthalten alle Lithium-Batterien.“ Diese Batterien, die aus seltenen Materialien aus dem Erdkern hergestellt werden, sind oft fest eingebaut, verlötet oder verklebt. Und bisher gibt es keine einfache, schnelle oder effiziente Möglichkeit für Menschen, die verwertbaren Komponenten aus diesen Geräten zu extrahieren. Fröhlich glaubt jedoch, dass „wir es besser machen können“.

Automatisierung der Fertigungsstraße

Automatisierung in Form von Maschinen oder Robotern scheint eine naheliegende Lösung für diese Aufgaben zu sein. Das Problem war in der Vergangenheit jedoch die Flexibilität. Menschen können die verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Demontage unterschiedlicher Elektronikgeräte leicht entschlüsseln. Bei Robotern, erfordert jede geringfügige Änderung im Produktdesign oder -prozess jedoch eine zeitaufwändige und daher kostspielige Überarbeitung der Hardware und Software.

Um die Einschränkungen von Industrierobotern zu überwinden, die für einzelne, sich wiederholende Aufgaben programmiert sind, hat Electrocycling in Zusammenarbeit mit der EU-finanzierten Forschungsinitiative ReconCycle selbstkonfigurierende Roboter entwickelt. Mit Hilfe modernster KI können diese Roboter, die von Forschenden aus Slowenien, Deutschland und Italien entwickelt wurden, ihre Hardware und Software automatisch an verschiedene Aufgaben zur Extraktion von Komponenten anpassen. „Wir wollten die Robotik ausweiten und Roboter dort einführen, wo es noch keine gibt“, erklärte Dr. Aleš Ude, Leiter der Abteilung für Automatisierung, Biokybernetik und Robotik am Jožef-Stefan-Institut und Koordinator des ReconCycle-Forschungsteams.

Im Rahmen des von 2020 bis 2024 laufenden Projekts konnten anpassungsfähige Roboter entwickelt werden, die erfolgreich Batterien aus gängigen Haushaltsgeräten wie Rauchmeldern und Heizkostenmessern entfernen. Da diese Geräte alle fünf bis acht Jahre ausgetauscht werden, verursachen sie auch besonders viel Abfall.

So funktionieren KI-gestützte Roboter

Das Team um Ude hat einen vielseitigen „intelligenten Roboterarbeiter“ entwickelt – eine komplette Station, die den Roboter, seine Werkzeuge und einen Computer als Gehirn umfasst. Der entscheidende Durchbruch besteht darin, dass dieses System sich selbst verschiedene Aufgaben beibringen kann, ohne dass es manuell über eine KI-gesteuerte Software neu programmiert werden muss. Die Teile können schnell zusammengesteckt und wieder auseinandergenommen werden. Und es kommt sogar eine SoftHand zum Einsatz: spezielle, weiche Greifhände, die Objekte mit der Feinfühligkeit eines Menschen handhaben können.

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Das Projekt ReconCycle hat das Potenzial, die Präzision und Effizienz komplexer Aufgaben wie die Demontage von Elektroschrott erheblich zu verbessern. Dr. Ude hofft, dass diese anpassungsfähigen Robotersysteme außerdem weit über das Recycling hinaus Anwendung finden werden. Dank ihrer flexiblen und agilen Handhabung könnten sie allgemeine Haushaltsaufgaben übernehmen oder sogar Pflegekräfte in Seniorenheimen unterstützen. „Robotik könnte in solchen Bereichen eine große Hilfe sein“, meint er.

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Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Digital und grün – Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung“, in dessen Rahmen wir Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung vorstellen. Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Projektförderung!

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