Urban Mining – Die Stadt als Rohstofflager

Ziegel, Beton, Holz, Glas, Metalle - in unseren Städten sind tonnenweise Rohstoffe verbaut. Doch ist es nicht sinnvoll, diese vor Ort weiter zu nutzen, anstatt  immer neue Materialien anzukarren? Genau darum geht es beim Urban Mining.

Autor*in RESET , 22.06.16

Was verbindest du mit dem Eiffelturm? Vermutlich fallen dir Schlagwörter wie Paris, die Stadt der Liebe, ein oder ein Gourmetrestaurant auf der obersten Plattform, vielleicht auch endlose Warteschlangen oder ein Turm, der in der Nacht in den verschiedensten Farben erstrahlt? Sicher denkst du nicht an den Eiffelturm als urbane Mine. Minen wachsen doch in den Boden und nicht 325 Meter in den Himmel.

Und doch eignet sich der Eifelturm bestens um Urban Mining – die Stadt als Bergwerk, die Stadt als Rohstoff-Lagerplatz –  zu veranschaulichen.

Theoretisch könnte man den Eiffelturm abreißen und käme so zu über 10.000 Tonnen Stahl. Stahl, der nicht mehr aus Erz gewonnen werden muss, sondern der bereits als Sekundärrohstoff in Paris lagert. Diesen Stahl könnte man wieder einschmelzen, um daraus zum Beispiel Kochtöpfe zu fertigen. Und das ist die Kernbotschaft von Urban Mining: Wir nutzen die vorhandenen Rohstoffe direkt aus unserer Umgebung. Das gilt nicht nur für den Eiffelturm, sondern für jedes andere Gebäude, für jedes Fahrzeug, für die Infrastruktur und für alle Geräte.

Als Gustave Eiffel seinen Turm als Eingangsportal zur Weltausstellung 1900 plante und baute, hat er sicherlich nicht an die Wiederverwertung seines Turms gedacht. Und sicher war ihm nicht bewusst, dass er mit seinem Turm auch ein Rohstofflager für nachfolgende Generationen anlegt.

Selbstverständlich wird man den Eiffelturm nicht abreißen. Aber täglich werden in unseren Städten Gebäude abgerissen, um Platz für neue zu schaffen. Dabei werden Ziegeln, Beton, Holz, Glas oder auch Metalle recycelt. So nutzen wir das Rohstofflager, das andere für uns angelegt haben. Wir werden zum Urban Miner.

Um Rohstoffe effizient zu nutzen, kann man die Lebensdauer eines Gebäudes, Fahrzeugs oder eines Produkts verlängern. Heute nennt man das: upcycling, re-use oder repair. Das sind ebenfalls Teile von Urban Mining. Und auch da ist uns der Eiffelturm ein gutes Beispiel: Eigentlich war er als Eingangsportal zur Weltausstellung geplant und sollte dann wieder abgebaut werden. Stattdessen nutzte man ihn u. a. als Telefonmast, Funkmast, Wetter- und Fernsehsender, Aussichtsturm, als Touristenattraktion und man fügte sogar ein Restaurant hinzu.

Urban Mining als Perspektivenwechsel

Gutes Urban Mining beginnt beim Design: Gebäude, Fahrzeuge oder Produkte sollten so gebaut sein, dass man die darin enthaltenen Rohstoffe ohne teures, oft nicht rentables Recycling zurückgewinnen kann. Und genau das macht uns Gustave Eiffel vor: mit 2,5 Millionen Nieten werden die einzelnen Stahlelemente zusammengehalten. Und genauso, wie man den Turm erbaut hat, könnte man ihn auch wieder demontieren, indem man die 2,5 Millionen Nieten wieder löst. Teil für Teil – bis 10.000 Tonnen Stahl als Sekundärrohstoff auf einem riesigen Haufen liegen. Ein wirklich intelligentes Design.

Urban Mining ist keine neue Recycling-Methode, sondern vielmehr ein Perspektivenwechsel in der Betrachtung. War etwas Kaputtes früher nur Abfall und stellte Recycling eine umweltschonende Möglichkeit dar, diesen Abfall zu entsorgen, so sehen wir heute noch zusätzlich die darin enthaltenen, wertvollen Rohstoffe. All diese Rohstoffe wurden schon irgendwann und irgendwo in einem teuren, aufwändigen Primärprozess gewonnen. Warum sollten wir sie jetzt einfach wegwerfen, wo alle Rohstoffe doch endlich sind?

Der Begriff Urban Mining kam in den 1980iger Jahren auf. Fast 100 Jahre früher hat Gustave Eiffel als Urban Miner bereits alles richtiggemacht, auch wenn er es gar nicht gemerkt hat.

Wir aber beginnen gerade erst das Konzept Urban Mining zu verstehen und in die Realität umzusetzen: Es geht um den Umgang mit den Rohstoffen rund um uns. Ein sehr schönes Beispiel, dass es dabei nicht nur um Recycling geht, ist das Wohnprojekt Waldmühle Rodaun am Stadtrand von Wien. Dort stand ein riesiges, stillgelegtes Betonwerk. Es sollte abgerissen werden, um auf dem Areal Wohnungen zu errichten. Der Beton aus dem Abbruch des Zementwerkes wurde an Ort und Stelle recycelt und auch wiederverwendet. So sparte man nicht nur bei den Materialkosten, sondern noch viel mehr bei den Transportkosten.

Ein Gastbeitrag von Brigitte Kranner, GF von Altmetalle Kranner und Herausgeberin des unabhängigen Blogs Urban Mining www.urbanmining.at.

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