Smart Grid – Die Hoffnung der Energiewende?

Hochspannungsleitungen

Bis zum Jahre 2020 soll ein Drittel des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, die großen Kohle- und Atomkraftwerke sollen bis dahin abgedankt haben. Viel wird in den Medien und der Politik über die hohen Kosten der Energiewende gesprochen. Warum können wir nicht einfach die Energiequellen austauschen und was wird sich alles bei der Energiewende verändern müssen?

Autor*in Henriette Schmidt, 10.07.14

Alte vs. Neue Energiequellen

Bis dato wurde unser Strom zu großen Teilen in Atom- und Kohlekraftwerken erzeugt. Die Energiequellen dafür sind sogenannte endliche Rohstoffe, von denen die Menschheit bereits den größten Anteil verbraucht hat. Die Energie aus fossilen Rohstoffen wie Steinkohle und Braunkohle, wird dabei nur ortsabhängig erzeugt, nämlich dort, wo Rohstoffvorkommnisse sind. Aus diesem Grund legt die gewonnene Energie auf dem Weg in alle Haushalte Deutschlands große Strecken zurück, bei denen sie überregional durch Hochspannungsnetze, regional durch Mittelspannungsnetze und bei der direkten Verteilung in die Haushalte durch Niederspannungsnetze fließt. So versorgen die bestehenden Hochspannungsleitungen zwar von den Kraftwerken aus ganz Deutschland mit Strom, aufgrund des Widerstands der Leitungen geht dabei aber auf langen Strecken viel Energie verloren (Quelle: OHG 2020).

Ein weiterer Nachteil des bestehenden Energieversorgungssystems ist die Herrschaft der vier größten Stromkonzerne über die Leitungen, die sich über die Fläche Deutschlands erstrecken. RWE arbeitet dabei im Westen, Eon hat die Mitte Deutschlands als Versorgungszone, EnBw ist im Süd-Westen tätig und Vattenfall im Osten. Die Rechte über die Leitungen erlauben ihnen, die Preise für die Nutzung der Leitungen für alle Stromanbieter festzulegen. Die zwangsläufige Monopolstellung erschwert es vor allem kleinen Stromversorger, die oft mit erneuerbaren Energien arbeiten, in das Stromnetz aufgenommen zu werden.

Der Unterschied in der Definition fossiler Energieträger und erneuerbarer Energieträger liegt vor allem in der Verfügbarkeit. Fossile Energieträger stellen Rohstoffe der Erde dar, welche sich nicht regenerieren und aus diesem Grund bereits fast völlig aufgebraucht sind. Erneuerbare Energien sind, wie der Name sagt, selbst erneuernd und somit nachhaltig. Auf die Zukunft bezogen können wir also nur durch sie auch in 50 Jahren noch Energie erzeugen.

In der Beschaffenheit unterscheiden sich die zwei Energieträger in ihrer Energiedichte. Sonne-, Wind- und Wasserkraft besitzen eine geringere Energiedichte als Atom und Kohlekraft (Quelle: Zeit). Die Einspeisung in Hochspannungsnetze ist dadurch kompliziert, teuer und wenig effizient. Weil nicht immer die Sonne scheint und es auch nicht stetig windet sind erneuerbare Energien unbeständiger als fossile Energieträger. Der Verbrauch von Energie muss sich deshalb mehr danach richten, wann sie vorhanden ist, da auch die Speicherung von Strom sehr aufwendig ist. Für eine Energiewende werden sich daher einige unserer Gewohnheiten verändern müssen.

Die Vorteile des neuen Systems

Auch wenn die Umstellung unserer Energieversorgung mit einigen Hürden verbunden ist, so stellen sich manche vorerst problematischen Gegebenheiten als spätere Vorteile heraus.

Durch die niedrige Energiedichte von Wind– und Sonnenenergie bietet es sich an, erneuerbare Energien nicht überregional in zentral gelegenen Großkraftwerken zu erzeugen sondern, aufgeteilt in viele kleine Kraftwerke, allerorts die Energie lokal umzuwandeln und sie dann direkt über Mittel- und Niederspannungsnetze zum Verbraucher zu transportieren. Das führt zum einen natürlich dazu, dass keine risikoreichen und umweltschädlichen Atom- und Kohlekraftwerke mehr bestimmte Regionen gefährden. Zum anderen wird dadurch auch das Problem des Energieverlustes durch die langen Leitungen behoben, die Erzeugung wird effizienter. Des Weiteren erfolgt bei einer Auflösung der Besitzansprüche an Hochspannungsleitungen auch eine Öffnung des Stromerzeugermarktes, da die Preishürden der vier großen Stromerzeuger wegfallen, so die Haleakala-Stiftung in ihrer Energiestudie. Vielen neuen Mitspielern wird so der Weg geebnet ihren Strom in die Netze einzuspeisen und eigene Tarife anzubieten. Das kurbelt den Wettbewerb an und kann langfristig auch zu niedrigeren Preisen für die Verbraucher führen.

Für das größte Problem der Energiewende, die Unbeständigkeit der erneuerbaren Energieträger, besteht ein Ansatz, der durch die Umstrukturierung des gesamten Stromnetzes Lösungen bietet: Die Idee des Smart Grids.

Smart Grid

Der Begriff Smart Grid, auf deutsch intelligentes Stromnetz, beschreibt die Idee eines intelligenten Stromnetzsystem, das im Zuge der Energiewende unser altes System ersetzten soll. Mit „smart“ ist dabei die intelligente Nutzung aller zur Verfügung stehenden erneuerbaren Ressourcen als Energiequellen gemeint sowie die Verbesserung des Gesamtsystems inklusive der Stromgewinnung, der Speicherung, des Transports und der Verteilung bis hin zur effizienten Verwendung seitens des Endverbrauchers.

Grundlage der Idee ist die Dezentralisierung der Stromerzeugung durch die Nutzung von vielen kleinen Kraftwerken überall dort, wo Strom benötigt wird, gemeint. Dieses Vorhaben impliziert die Nutzung von ausschließlich Mittel- und Niederspannungsleitungen, da der Strom keine weiten Strecken mehr von den Kraftwerken hin zu den Haushalten zurücklegen muss. Jeder Stromverbraucher hätte mehrere Kleinkraftwerke in seiner unmittelbaren Nähe (Quelle: Zeit). So würden Erzeugung und Verbrauch durch intelligente Steuerung in Einklang gebracht. Speicherung wäre hierbei nicht nötig, da der Strom nur bei Bedarf von einem der lokalen Kraftwerke geliefert werden würde (Quelle: OHG 2020).

Das bedeutet in der Realität: eine intelligente und komplexe Vernetzung der Kraftwerke untereinander ist nötig. Eine Idee dazu ist z.B. die Schaffung eines „virtuellen Kraftwerks“ im Internet, welches mithilfe von Daten Kraftwerke und Verbraucher verbindet und verwaltet. Hier könnten zu jedem Zeitpunkt Informationen von allen Kleinkraftwerke gesammelt und die Produktion und Weitergabe an die richtigen Standorte gelenkt werden. In den Haushalten wiederum kann die Information darüber, wer wann Strom benötigt, durch Smart Meter verbreitet werden. Die intelligenten Stromzähler geben per Internet die jeweiligen Strombedarfe an die Kleinkraftwerke weiter und leiten die Energie zu den entsprechenden Haushalten. Außerdem ermöglichen sie den Verbrauchern eine genaue Übersicht über ihren Stromverbrauch, sodass Strom besser gespart werden kann.

Damit das Prinzip funktioniert muss sich vor allem unser eigenes Verhalten verändern. Lastspitzen, welche zurzeit in Deutschland sehr ausgeprägt sind, müssen unbedingt vermieden werden. Sie bedeuten, dass zu bestimmten Zeitpunkten besonders viel Strom verbraucht wird, z.B. wenn mittags in den Büros die Computer und Kaffeemaschinen auf Hochtouren laufen und in den Haushalten gleichzeitig Wasch- und Spülmaschine laufen. Um diese Energiespitzen zu decken werden momentan noch Atomkraftwerke zugeschaltet. Der Strom ist zu diesen Zeitpunkten theoretisch teurer als beispielsweise nachts, wo nur billigere Energieerzeuger verwendet werden. Zusätzliche Stromreserven wird es jedoch mit erneuerbaren Ressourcen nicht geben können. Aus diesem Grund müssen Anreize her, die den Großteil der Menschen dazu verleiten ihre Gewohnheiten zu verändern. Angedacht sind dafür neue Stromtarife, die je nach Stromvorkommnis billig oder teuer sind. Konkret bedeutet das: wenn die Sonne scheint und der Wind weht ist Strom im Übermaß vorhanden und somit billig. Zu anderen Zeiten hingegen kann weniger Energie erzeugt werden und der Strom wird somit teurer. Die Idee dahinter ist, dass durch die Möglichkeit Geld zu sparen stromaufwändige Tätigkeiten eher bei günstigem Strom gemacht werden. Intelligente Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Geschirrspüler sollen dabei helfen, das System funktionaler zu machen. Sie starten nur dann, wenn der Strom am billigsten ist und helfen Haushalten so, Geld und Strom einzusparen und Lastspitzen zu verhindern (Quelle: Wirtschafts Woche).

Wenn Strom doch einmal überproduziert wird, ohne dass er unmittelbar gebraucht wird, könnten z.B. Elektro-Autos als Speicher dienen. Sie würden sich bei einem Überschuss an Strom automatisch aufladen und sicherstellen, dass die gesamte erzeugte Energie genutzt wird (Quelle: Abschlussbericht moma).

Die Stolperfallen des Smart Grid

So schlüssig die Vorstellung der idealen Energiewende auch sein mag, der Weg dahin gestaltet sich kompliziert. Das hat damit zu tun, dass die effizientesten Vorgehensweisen oftmals kurzfristig schlecht umsetzbar und risikoreich sind.

Kritiker wie Albert Moser, Leiter des Instituts für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen gehen davon aus, dass ein Smart Grid, und damit die dezentrale Stromversorgung über Mittel- und Niederspannungsnetze, nur in ländlichen Gebieten umsetzbar ist (Quelle: Zeit). Großstädte hingegen würden immer mehr Strom benötigen als unmittelbar erzeugt werden könne. Um den Strombedarf dennoch zu decken müsste Strom aus anderen Gegenden geliefert werden; ein Ausbau der Übertragungsnetze ist damit unabdingbar.

Vielfach wird außerdem an der technischen Umsetzungsfähigkeit des Smart Grids gezweifelt. So machen beispielsweise die benötigten Kapazitäten des Internets und der Computer, welche die ermittelten Daten aus Smart Metern und virtuellem Kraftwerk erfassen und bearbeiten müssen, immer wieder Probleme. Noch haben sich in Modellregionen die Internetverbindungen als zu schwach gezeigt. Bei zu hohen Datenmengen brechen sie ab (Quelle: Zeit). Laut der Bundesregierung mangelt es ebenso noch an der Flexibilität bezüglich des Zuschaltens und Abschaltens von Kraftwerken, der großräumigen Abdeckung mit Kleinkraftwerken und der zusätzlichen Speichermöglichkeiten über z.B. Elektro-Autos. Auch bei der tarifabhängigen Nutzung des Stroms stellt sich die Frage, ob die flächendeckende Versorgung mit Smart-Metern realistisch ist und von den Verbrauchern angenommen würde. (Quelle: Wirtschafts Woche). Mercé griera-i-Fisa von der EU-Kommission befürchtet zudem, dass die neuen Geräte selbst so viel Strom ziehen könnten wie sie einsparen und somit bei der Umstellung zum Smart Grid nichts gewonnen wäre.

Wie geht die Politik also die Herausforderungen an, um die Energiewende trotzdem nach vorne zu treiben?

Smart Grid – eine politische Herausforderung

So schön es auch wäre, wenn jeder von heute auf morgen in einem hocheffizienten Haus leben würde, ein Elektroauto fahren könnte und der Strom dafür direkt vom nächsten Kleinkraftwerk um die Ecke stammt, so ist dies leider nur Stück für Stück möglich. Um Deutschland aber auch während der Energiewende stetig, sicher und ohne Ausfälle mit Strom zu versorgen, wird der Großteil der erneuerbaren Energie bis 2022 aus zentral erzeugter Windkraft aus dem Norden Deutschlands stammen. Windparks stehen im Wissenschaftsdiskurs auf der Kippe zwischen zentraler und dezentraler Energieerzeugung. Besonders große Windparks, die weite Teile Deutschlands versorgen und deren Energie lange Strecken zurück legen muss, werden einerseits als sicherer Energielieferant gesehen, andererseits bemängelt die Energiestudie der Haleakala-Stiftung sie als rückständig, da die dafür benötigte Nutzung von Hochspannungsnetzen erst an die neuen Anforderungen angepasst werden muss. Aus diesem Grund plant die Bundesregierung in Deutschland insgesamt 2800 km neue Hochspannungsnetze zu bauen und 2900 km alte Trassen zu erneuern (Quelle: Die Welt). 200 km davon wurden bereits fertig gestellt.

Eine weitere Übergangslösung betrifft die Vernetzung der Kraftwerke mit den Haushalten und untereinander. Solange das virtuelle Kraftwerk noch nicht besteht und nicht vorhergesagt werden kann, wann und wo genau Strom benötigt wird, muss Energie von Spitzenzeiten gespeichert werden, um sie in Flauten nutzen zu können. Für diese Speicherung bedarf es noch besserer Technik und weiterer Forschung, in die die Bundesregierung bis 2014 200 Millionen Euro investiert hat. Für den Fall, dass die Speicherung nicht ausreicht, wird an neuen Kraftwerken geforscht, welche besonders flexibel sein sollen, um sie so kurzfristig hochzufahren und ihre zusätzliche Energie nutzen zu können (Quelle: Bundesregierung).

Um eines Tages jedoch in unserem Traummodell eines Landes zu leben, dessen Strom effizient und nachhaltig erzeugt wird, scheint es in Zukunft unvermeidlich, in jedem Haushalt Smart Meter anzubringen und mit neuen Stromtarifen Anreize für die Bürger zu schaffen. Gleichzeitig ist die Überwachung und Steuerung der Mittel und Niederspannungsnetze von Bedeutung, um die Verteilung an die Verbraucher und das Laden der ebenso immer wichtiger werdenden Elektroautos besser zu beherrschen. Dafür muss auch für sicherere Internetverbindungen gesorgt werden (Quelle: ETZ).

Ein genauso wesentlicher Schritt scheint jedoch, ein gesellschaftliches Umdenken zu initiieren. Nicht weit genug verbreitet ist das Bewusstsein darüber, dass in Zeiten des Klimawandels eine Umstellung auf erneuerbare Energien dringend notwendig ist. Aktuell scheinen wir den Technologien mit unseren Ideen voraus zu sein, weshalb intensives Forschen an erneuerbaren Energiemodellen von großer Wichtigkeit ist. Setzen wir dies um, steht dem Smart Grid nichts mehr im Wege!

Quellen und Links

Autor: Henriette Schmidt, RESET-Redaktion/ 2014

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