Smart Cities: Nachhaltig leben in einer digitalisierten Stadt

Die Welt, in der wir leben, ist von großen Veränderungen geprägt, wie sie so noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit passierten. Die Notwendigkeit, die permanent wachsenden Städte nachhaltiger zu entwickeln, ist sichtbarer denn je. Ein Ansatz ist das "Smart City"-Modell, dass wir uns hier näher anschauen.

Autor*in Hanadi Siering, 02.05.16

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten gerade einmal zwei Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Innerhalb von hundert Jahren stieg diese Zahl auf knapp 13 Prozent. Zur Jahrtausendwende waren es bereits 47 Prozent. Dem UN-Bericht „World Urbanisation Prospects“ von 2014 zufolge werden 2050 voraussichtlich 75 Prozent der Weltbevölkerung urbane Regionen besiedeln. Bis 2020 wird die globale Stadtbevölkerung wahrscheinlich um 1,84 Prozent pro Jahr wachsen. Dieser Trend ist vor allem in Entwicklungsländern zu beobachten. 

Die Karte zeigt das zu erwartende Wachstum der Bevölkerung in urbanen Räumen in den Jahren von 2014 bis 2030:

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Was treibt Städtewachstum an?

Es ist nicht einfach, die Gründe für urbanes Wachstum (was sowohl die physische Landfläche als auch das Populationswachstum angeht) genau auszumachen und diese dann universell anzuwenden. Die Ausdehnung städtischer Flächen (gemeint ist der Prozess, nach dem die Fläche des Planeten für Stadtentwicklung genutzt wird) betrachtend ergab eine Studie von 2011, dass das Wachstum des Pro-Kopf-BIP sich stark auf die Ausdehnung urbaner Flächen in China und Nordamerika auswirke. Dies ist laut Studie in Indien, Europa und Teilen von Afrika (wo das Bevölkerungswachstum eine sehr viel größere Rolle in der urbanen Landexpansion spielt) vergleichsweise weniger der Fall.

Es wird stark davon ausgegangen, dass der Boom der Urbanisierung eng mit ökonomischem Wachstum, Industrialisierung und der Schaffung besserer Arbeitsbedingungen verbunden ist. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) sieht Chancen für die Bildungs-, Kultur- und Wirtschaftsentwicklung durch die voranschreitende Urbanisierung da Städte „aufgrund ihrer Größe und Siedlungsdichte soziale Infrastruktur besser und kostengünstiger bereitstellen können als dünn besiedelte ländliche Gebiete. Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen erreichen viele Menschen. Vor allem Frauen und sozial benachteiligte Gruppen können leichter am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben teilhaben.“

Während dies sicherlich manche Regionen betrifft, trifft es nicht flächendeckend zu. Ein Artikel im Guardian von 2012 analysierte, welche Rolle Urbanisierung für das wirtschaftliche Wachstum in Teilen Asiens und Afrikas der Subsahara-Region spielt. Ergebnis war, dass urbanes Wachstum in den betrachteten Teilen Asiens die Wirtschaft weit positiver beeinflusst hat als es bei Letzterem der Fall sei.

Get Smart: Wir brauchen ein integriertes Urban Design

Die wachsende Zahl der Menschen, die in den großen Städten der Welt leben, übt einen enormen Druck auf verfügbare Ressourcen aus und lässt die Emissionen aus urbanen Gegenden in die Höhe schießen. In einem Artikel für den Guardian verdeutlicht Dr. Joan Clos, UN-Untergeneralsekretär und Exekutivdirektor von UN-HABITAT, die Notwendigkeit einer effizienten und integrierten Stadtplanung, indem er aufzeigt, wie die Umwelt an die Grenze ihrer Belastbarkeit durch den Einfluss von Städten gebracht wird: bis zu 70 Prozent der Treibhausgasemissionen stammen aus städtischen Gebieten, die wiederum nur vier Prozent der weltweiten Landmassen ausmachen. 

Der Trend des städtischen Bevölkerungswachstums, verbunden mit polarisiertem ökonomischen Wachstum (demnach Weltstädte für mehr als 65 Prozent des gesamten BIP Wachstums verantwortlich sind), unsere Abhängigkeit von digitalen Technologien im Alltagsleben und das Bedürfnis, die Treibhausgasemissionen zu verringern lassen erkennen, dass sich sogenannte ‚Smart Cities‘ entwickeln müssen. Die Rede ist von sorgfältig geplanten Städten, die digitale Infrastrukturen so integrieren, dass sie Zugänglichkeit, Umweltfreundlichkeit, Ressourceneffizienz und Sicherheitsmanagement bei einem großem Zustrom von Bewohnern gewährleisten.

Was sind Smart-Cities?

Aufgrund der Komplexität, durch welche Städte reguliert, finanziert, geplant und organisiert werden, gibt es derzeit noch keine feststehende Definition für den Begriff „Smart City“. Trotzdem kann das Konzept als ein Prozess, durch den Städte und urbane Regionen effizienter, lebenswerter und umweltfreundlicher werden, beschrieben werden. In den Worten des Committee of Digital and Knowledge-Based Cities ist eine Stadt ‚smart‘ „when its investment in human and social capital and in communications infrastructure actively promote sustainable economic development and a high quality of life, including the wise management of natural resources through participatory government“ – wenn also durch den Einsatz von IKT eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und ein hoher Lebensstandard gefördert, und dabei eine schonende Nutzung natürlicher Ressourcen durch die Regierung angestrebt wird. Eine Studie von 2013 des Wirtschaftswissenschaftlers Edward L. Glaeser zeigt, dass Städte mit anpassungsfähigen Strategien, Institutionen und Richtlinien viel besser funktionieren als solche, bei denen dies nicht der Fall sei.

Je nach Situation ist eine Stadt ‚smart’, wenn sie folgende Elemente berücksichtigt:

  • Gebrauch von modernen effizienten und intelligenten Infrastrukturen, wie z.B. intelligente Stromnetze und effektive Abfallwirtschaft,
  • sinnvolle Vorgehensweise der Integration von Informations- und Kommunikations Technologien (IKT), die das Alltagsleben in der Stadt unterstützen und verbessern,
  • zugängliches Urban Design, das den Menschen ins Zentrum stellt und die wichtige Rolle der öffentlichen Partizipation mit berücksichtigt,
  • anpassungsfähiges Stadtdesign, dass neue und existierende Bewohner berücksichtigt und Stadtplanern Inspiration durch Experimente anderer gibt, 
  • Transparenz: alle Bürger haben Zugang zu Daten der Stadtverwaltung,
  • Anpassungsfähigkeit an proaktive-stadtweite Richtlinien, die der Stadtverwaltung Mittel geben, um Smart City Programme zu implementieren

Es gibt also verschiedene Faktoren und Akteure, die in der Entwicklung von Smart Cities beteiligt sind. Für die Mehrheit der derzeitigen Modelle smarter Entwicklung gelten folgende sechs Elemente als die Hauptelemente intelligenten Stadtdesigns:

  • Bürger: Verfügbarkeit fundierter (Aus-)Bildungsmöglichkeiten, e-learning-Möglichkeiten mit der Betonung auf umfassender Einbeziehung und sozialem Zusammenhalt
  • Mobilität: Berücksichtigung öffentlichen Transportes, IKT Infrastruktur und Verfügbarkeit öffentlicher Internet-Zugänge
  • Management: Nutzung von IKT in öffentlichen Diensten (e-voting, e-governance, öffentliche Transparenz)
  • Wirtschaft: finanzielle Unterstützung für Unternehmertum und Kreativität durch die Regierung, Verbreitung von IKT in lokaler Businesswelt
  • Umwelt: aktives und anpassungsfähiges Vorgehen bei Umweltproblemen
  • Lebensqualität: Zugang zu e-health und wirkungsvoller Gesundheitsdienst

Stadt- und Klimastratege Boyd Cohen verfeinert mit seinem Smart Cities Wheel die genannten Elemente, indem er sechs Komponenten und jeweils drei Unterkomponenten ausmacht: Smart Economy, Smart Environment, Smart Governance, Smart Living, Smart Mobility und Smart People. Unternehmensberatung Frost & Sullivan, die selbst acht Kriterien für Smart Cities als essenziell betrachten, sagen voraus, dass 2025 26 Städte weltweit als Smart Cities klassifiziert würden (indem sie bspw. 5 von 8 Kriterien treffen). Die Hälfte davon werde sich in Nordamerika und Europa befinden.

Jüngste Entwicklungen im Smart City Design

Vorschläge für Smart Citys kommen weltweit derzeit aus bestimmten Regionen: Brasilien, Indien, Nordamerika. Verschiedene nationale und internationale Programme zielen auf eine aktive Förderung von Smart Cities ab. Einer der bekanntesten Vorschläge in der EU ist die EU Initiative on Smart Cities bzw. die „European Innovation Partnership for Smart Cities and Communities“ Die Initiative, die 2011 startete, hat für die Zeit von 2014 bis 2020 ein Budget von rund 960.000 Millionen Euro zur Verfügung und plant „strategische Partnerschaften zwischen Industrie und europäischen Städten, um das urbane System und die Infrastrukturen von Morgen zu entwickeln“.

Durch die Initiative soll finanzielle Unterstützung und strategische Beratung für Europäische Städte gewährleistet werden, um Verwaltungsorganen bei der Umwandlung von Städten und bei einer Erweiterung um einen ‚smarten Horizont’ helfen. Dieser weite und umfassende Ansatz der EU, ihre Städte energieeffizienter, eingliedender und anpassungsfähiger ans Klima zu machen, ist um folgende Ziele strukturiert:

  • Verstärkung der Forschung, der technologischen Entwicklung und Innovation;
  • Verbesserung des Zugangs, der Nutzung und der Qualität von IKTs;
  • Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen im Agrarsektor;
  • Unterstützung der Umwandlung hin zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft in allen Sektoren;
  • Förderung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel, Risikoprävention und Risikomanagement;
  • Umweltschutz und Förderung von Energieeffizienz;
  • Förderung von nachhaltigem Transport;
  • Förderung von Beschäftigung und Unterstützung der Arbeitskräftemobilität;
  • Förderung von sozialer Eingliederung und Bekämpfung von Armut;
  • Investitionen in Bildung, Fähigkeiten und lebenslanges Lernen;
  • Verbesserung der institutionellen Kapazitäten und Effizienz der öffentlichen Verwaltung.

Dieser Beitrag (eng.) von 2013 geht noch detaillierter auf jeden Punkt ein. 

Eines der Hauptziele der EU Smart City Initiative ist die stadtweite Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020. Solch ein Ziel erfordert ambitionierte Maßnahmen in den Bereichen Transport-Design, Energienetzwerke und Gebäude. Die Initiative schlägt für jeden dieser Punkte folgende Maßnahmen vor:

  • Energienetzwerke: Gebrauch von Biomasse, geothermische und Solarenergie; Einsatz von intelligenten Stromnetzen und Energiemessung
  • Transportnetzwerke: Einsatz von CO2-reduzierten öffentlichen Verkehrsmitteln, intelligentes Verkehrsmanagement, verbesserte Kommunikation, Förderung von Möglichkeiten für Fußgänger und Radfahrern
  • Gebäude: Entwicklung von neuen Null-Energie-Häusern, Sanierung alter Gebäude mit höheren energieeffizienten Standards durch den Einsatz innovativen Isolationsmaterials.

Roadmap der EU Smart City Initiative:

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Die Website ‚european smart cities‘ der TU Wien gibt einen visuellen Überblick über die unterschiedlichen Bemühungen Europäischer Städte ‚smart‘ zu werden.

Städte in Nordamerika, Südamerika und Asien übernehmen zum Teil auch verschiedene Smart City-Prinzipien, um eine Stadtentwicklung in Richtung einer effizienten und technik-integrierten Zukunft voranzutreiben. San Francisco ist längst bekannt für seine e-mobility Bemühungen. Mittlerweile gibt es mehr als 100 Aufladestationen für Hybrid- und Elektroautos als auch den Sharing-Fahrdienstanbieter Uber. Seattle erbrachte große Anstrengungen im Bereich des smart metering (intelligente Energiemessung) und Energiespeicherung. Stadtbewohnern wird bei der Einrichtung von Energiesparmaßnahmen geholfen und ihnen gleichzeitig gezeigt, wie ein sparender Energiekonsum funktioniert. Rio de Janeiro führte ein integriertes Transportsystem ein, welches die Mobilität innerhalb der Favelas in Rio Maré Region verbessern soll. Seoul nutzt innovative Mittel, um Daten zu sammeln und Echtzeit-Updates über den Stadtverkehr zu liefern.

Smart-Citiy Fallstudie: Kopenhagen

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat Kopenhagen in Dänemark durch seine intelligenten Entwicklungsmaßnahmen die Führungsposition in der Smart City-Bewegung eingenommen.

Dänemarks Hauptstadt hat sich hohe Umweltschutzziele gesetzt und tut einiges dafür, diese zu erreichen: Kopenhagen will bis 2025 die erste CO2-neutrale Hauptstadt werden. Die Stadt hat bereits damit begonnen, verschiedene innovative Strategien einzuführen, um das Ziel zu erreichen:

  • Wassermanagement: z.B. Gründung einer neuen Stiftung, die umweltfreundliche technologische Entwicklungen in der Verbesserung der Wasserqualität und Verfügbarkeit fördert, um bspw. Maßstäbe für die Wassernutzung in Bierbrauverfahren zu setzen (Carlsberg)
  • Energie: das Copenhagen Cleantech Cluster findet Unternehmen, die saubere Technologien in realen urbanen Settings testen
  • Abfallwirtschaft: nur zwei Prozent des Mülls, der in Dänemark produziert wird, landet auf den Müllkippen. Davon wird der Großteil recycelt.
  • Heizen: 80 Prozent der Wärme bezieht Dänemark aus der Wiederverwertung aus Wärme, die in Elektrizitätswerken entsteht, während der Rest aus der Müllverbrennung, aus Biomasse oder erneuerbaren Quellen stammen.
  • Transport: Kopenhagen hat ein ausgeklügeltes System für Radfahrer in der Stadt entwickelt. 

Kopenhagens robuste digitale Infrastruktur vereinfacht zweifellos die Umwandlung in Richtung Smart City. Das Copenhagen Wheel, das von MIT SENSEabe Lab und Ducati entwickelt wurde, ist ein Projekt, welches normale Fahrräder zu Hybrid E-Bikes umwandelt. Dies hat Auswirkung auf den lokalen Verschmutzungsgrad, Verkehr und das Straßenbild. Nutzer können sogar mit ihrem Smartphone ihre Räder ab- und aufschließen.

Der Smart City Ansatz, den Kopenhagen verfolgt, basiert auf zwei wichtigen Strategien. Erstens: durch sorgfältige Planung hat sich die Stadt selbst in ein ‚living-lab‘ für nachhaltige grüne Experimente in der Stadt entwickelt, z.B. durch das oben genannte Copenhagen Cleantech Cluster. Die Entwicklung der neuen nachhaltigen Nachbarschaft Nordhavn mit seinen 40.000 Einwohnern ist das beste Beispiel neuer Maßnahmen. Zweitens: Die „sharing is caring“ Einstellung der Stadt sowie ihre Offenheit für digitale Lösungen und saubere Energie erlaubt es ihr, zu einem Drehkreuz für neue technologische Fortschritte im Feld des Smart City Designs zu werden.

 

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Text aus dem Original übersetzt von Hanadi Siering / RESET 2015

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