Nukleare und konventionelle Abrüstung
US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama sagte in seiner Rede anlässlich des 60. Gedenktages der Berliner Luftbrücke: "Dies ist der Augenblick, eine Welt frei von Atomwaffen zu schaffen. Nach dem Sturz der Mauer ist es Zeit, Atommaterial sicherzustellen, die Waffenverbreitung zu stoppen, und die Arsenale einer vergangenen Ära zu reduzieren." Nach neue Maßstäbe setzenden Abrüstungsverhandlungen mit Russland erhielt er den Friedensnobelpreis. Jedoch ist die Beendigung der Vormachtstellung der USA auch im Bereich der konventionellen Bewaffnung unerlässlich, um die Bedrohung für Russland und andere Staaten abzubauen, um einer weltweiten Abrüstung den Weg zu ebnen... und der Verwirklichung des Weltfriedens näher zu kommen.

Was verhindert die ganzheitliche internationale Abrüstung?
Die Hoffnungen auf eine friedlichere und gerechtere Weltordnung nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich nicht erfüllt. Neue internationale Spannungen haben sich aufgebaut und kriegerische Auseinandersetzungen stehen auf der Tagesordnung.
Die Rüstungsausgaben mancher Länder erreichen Rekordhöhen. In Asien haben sich neue Kernwaffenstaaten (Indien, Pakistan, Nordkorea) etabliert, während tausende Nuklearsprengköpfe der fünf alten Atomwaffenstaaten (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und die VR China) und Israels nach wie vor einsatzbereit sind. Auch in Deutschland lagern noch Atomwaffen (RESET berichtete).
Seit 1990 wurden Millionen Menschen Opfer der Kriege im Nahen und Mittleren Osten und der zahlreichen bewaffneten Konflikte in Asien und Afrika. In diesen kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen es um politische und militärische Vorherrschaft oder um Rohstoffe geht, werden vorhandene ethnische und religiöse Spannungen von nicht-staatlichen territorialen Kräften (warlords), staatlichen Akteuren und wirtschaftlichen Interessengruppen instrumentalisiert. Ein florierender (Klein-)Waffenhandel, vor allem auf dem Schwarzmarkt, doch auch über reguläre Kanäle macht das erst möglich.
US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama sagte in seiner Rede anlässlich des 60. Gedenktages der Berliner Luftbrücke: "Dies ist der Augenblick, eine Welt frei von Atomwaffen zu schaffen. Nach dem Sturz der Mauer ist es Zeit, Atommaterial sicherzustellen, die Waffenverbreitung zu stoppen, und die Arsenale einer vergangenen Ära zu reduzieren."
Nukleare Abrüstung allein reicht jedoch nicht aus, dem globalen Sicherheitsbedürfnis gerecht zu werden. Die Vormachtstellung der USA auch im Bereich der konventionellen Bewaffnung hindert andere Staaten daran, ihre potenziellen Verteidigungsarsenale abzubauen.
Obama und Medwedew unterzeichnen hinstorisches START-Abkommen in Prag: Yes, we can!


Doch leider stehen den Hoffnung versprechenden gemäßigten Kräften militärische Hardliner gegenüber, Akteure einer anderen Epoche mit einer Rezeption der Welt, die auf dem Wechselspiel militärischer Sicherheit und Bedrohung aufbaut. Außerdem sind Frieden und Krieg massive Wirtschaftsfaktoren: Beide Sektoren haben seit dem Ende der Blockkonfrontation und der Entwicklung weg von klaren Fronten hin zu vielen ethnischen Konflikten und Bürgerkriegen eine massive Privatisierung erfahren. Nicht wenige globale Konzerngiganten profitieren massiv vom Rüstungsgeschäft, der Kriegslogistik und dem Wiederaufbau zerstörter Gesellschaften und deren Infrastrukturen.
Die Regelung der zwischenstaatlichen Beziehungen erfolgt in der Weltgemeinschaft hauptsächlich über (völkerrechtliche) Verträge, die die Vertragsstaaten miteinander aushandeln und vereinbaren. Diese Verträge können sehr spezifisch sein. Im Falle der Abrüstungsbemühungen werden die zwischenstaatlichen Vereinbarungen für bestimmte Waffenarten ausgehandelt. Für jede Sorte von Waffentechnologie gibt es eigene Regime, Kontroll- und Regulationsgremien.
Die Genfer Abrüstungskonferenz

Die Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament, CD) ist das weltweit einzige ständig tagende Verhandlungsforum für Fragen der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung.
Die formal von den Vereinten Nationen (VN) unabhängige, faktisch jedoch eng mit diesen verbundene, CD bildet gemeinsam mit dem 1. Ausschuss der VN-Generalversammlung und der VN-Abrüstungskommission (UNDC) das Instrumentarium des globalen Abrüstungs- und Rüstungskontrolldialogs.
Die CD wurde bereits 1979 – in Umsetzung der Beschlüsse der 1. VN-Sondergeneralversammlung von 1978 zu Abrüstungsfragen – neu gegründet. Sie besteht in der derzeitigen Form seit 1983 (damals noch 40 Mitgliedstaaten, seit 1996 mit 65 Mitgliedstaaten). Die Plenarversammlung der CD entscheidet selbst im Konsens über Mitgliedschaft, Tagesordnung, Arbeitsprogramm und Verfahrensfragen. Ihr Generalsekretär ist in Personalunion gleichzeitig Leiter des VN-Standortes in Genf.
In der Genfer Abrüstungskonferenz sollen vier Kernthemen verhandelt werden:
- Produktionsstopp für waffenfähiges spaltbares Material (Fissile Material Cut-off Treaty, FMCT)
- Nukleare Abrüstung
- Negative Sicherheitsgarantien
- Verhinderung des Wettrüstens im Weltraum (PAROS)
Bis heute konnten sich die Conference on Disarmament (CD)-Staaten nicht auf die Aufnahme substantieller Verhandlungen einigen. Grund dafür sind die von mehreren CD-Staaten aufgestellten unauflösbar scheinenden Junktims zwischen den vier Kernthemen. Die Bundesregierung möchte die Stagnation der Konferenz überwinden. Angesichts der Terrorismusgefahr hat sie zum Beispiel die Aufnahme von Beratungen über ein Verbot radiologischer Waffen, so genannter „schmutziger Bomben“, angeregt.
(Quelle: Bundesministerium der Verteidigung)
Ergänzende Informationen: Seit zwölf Jahren wird in der Abrüstungskonferenz nur geredet statt verhandelt (Wolfgang Kötter)
Abrüstungsbemühungen durch NGOs

Allen voran sei das Projekt einer Nuklearwaffenkonvention (NWK bei der Wikipedia) genannt, welches eine große Koalition von internationalen renommierten Anti-Kriegs-NGOs (IALANA, INESAP, IPPNW) vorantreibt, und das auch RESET unterstützt.
In dieser Nuclear Weapons Convention geht es um die Verpflichtung aller Nuklearstaaten, ihre Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag zur vollkommenen nuklearen Abrüstung vollständig umzusetzen.
Links zu international tätigen NGOs und Forschungsinstituten im Abrüstungssektor:
Abrüstungsbemühungen durch zwischenstaatliche Verträge
Im jahrzehntelangen Bemühen, Rüstung zu beschränken und Massenvernichtungswaffen (MVW) zu ächten bzw. zu verbieten, wurden lediglich Teilerfolge erzielt. Die MVW zur Gänze zu vernichten, gelang bislang nicht.
Im Folgenden sind die wichtigsten Verträge genannt, die Zwischenschritte und Meilensteine globaler Abrüstungsbemühungen markieren:
1. Atomwaffen
Nuklearwaffenfreie Zonen:
- Antarktis-Vertrag (1959)
- Lateinamerika und Karibik (Tlatelolco-Vertrag 1967)
- Äußerer Weltraum-Vertrag (1967)
- Meeresboden-Vertrag (1971)
- Mond-Vertrag (1979)
- Südpazifik (Rarotonga-Vertrag, 1985)
- Südost-Asien (Bangkok-Vertrag, 1995)
- Afrika (Pelindaba-Vertrag, 1996).
Einzelne Staaten wie z. B. Österreich (1999) erklärten sich mit Verfassungsgesetzen für atomfrei. Besondere Bemühungen für weitere atomwaffenfreie Zonen betreffen Zentraleuropa, den Mittleren Osten und Zentralasien.
Abbau und Beschränkung:
- SALT I (1972), SALT II (1979) – Strategic Arms Limitation Talks:
Regelt eine Höchstgrenzen bei Trägersystemen (Raketenstartgeräte, U-Boot-Raketen und strategische Bomber), die Begrenzung der Sprengkopfanzahl pro Rakete und qualitative Einschränkungen in der Entwicklung derselben. - INF-Vertrag (1987) – Intermediate-range Nuclear Forces:
Vollständige Abschaffung und Vernichtung einer Waffenkategorie, der atomar bestückten Raketen und Marschflugkörper (Cruise Missiles) mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 km (zum Vergleich: 500 km entsprechen etwa der Strecke Berlin – München, 5.500 km etwa London – New York). - START II (1993) – Strategic Arms Reduction Talks:
Reduktion der Atomwaffenarsenale der USA und der UdSSR auf ein Drittel (je 3.500 Gefechtsköpfe) seit 1991 und Verbot landgestützter Nuklearwaffen mit Mehrfachsprengköpfen. - SORT (2002) – Strategic Offensive Reductions Treaty (auch Moskauer Vertrag oder Bush-Putin-Abkommen):
Reduktion der strategischen Atomwaffen bis 2012 auf 1.700 bis max. 2.200 Stück, jedoch ohne Zeitplan und überprüfende Kontrolle (Verifikationsmaßnahmen ). Die überflüssigen Waffen müssen nicht vernichtet werden.
Nichtverbreitung (Non-Proliferation)
- Nichtverbreitungsvertrag (von 1966, seit 1970 in Kraft) – Non-Proliferation Treaty (auch Atomwaffensperrvertrag):
Schreibt die legalen Atomwaffen-Mächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA fest. 188 VertragspartnerInnen verpflichten sich, keine Atomwaffen herzustellen oder zu erwerben, kein entsprechendes Know-how und keine Technologie weiterzugeben. Dafür erhalten sie auf Wunsch Unterstützung für den Auf- und Ausbau ziviler Atomprojekte. Die illegalen Atommächte Indien, Pakistan, Israel und bis dato Nordkorea sind daher keine Vertragspartner. Der Vertrag (ursprünglich mit einer Laufzeit von 25 Jahren) wurde 1995 zeitlich unbegrenzt verlängert. Alle fünf Jahre finden Überprüfungskonferenzen statt. In einem eigenen Vertragsartikel (Art. 6) werden die Atommächte zur vollständigen Nuklearwaffen-Abrüstung verpflichtet, der sie bis heute nicht nachgekommen sind (mehr dazu unter: Ialana.de, PDF).
Atomteststopp-Abkommen
- Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (1996) – CTBT Comprehensive Test Ban Treaty:
Das Inkrafttreten des Vertrages ist an dessen Ratifizierung durch 44 namentlich genannte Staaten gebunden. Das Ratifizierungsziel ist noch nicht erreicht. Die Preparatory Commission for the Comprehensive Nuclear-Test-Ban-Treaty Organisation (CTBTO) verfügt über zahlreiche technische Mittel zur Verifizierung möglicher Atomwaffentests und überwacht als Organisation die Einhaltung des Atomwaffentestverbots. Die CTBTO hat ihren Sitz in Wien.
Spezielle Abkommen
- ABM-Vertrag (1972) – Anti-Ballistic MissileTreaty (Raketenabwehrvertrag):
Der Vertrag beschränkt die Anzahl der Raketenabwehrsysteme und verbietet ihre Stationierung auf dem Meer, in Flugzeugen und im Weltraum. Das Abkommen wurde im Dezember 2001 einseitig von der USA gekündigt. - UN-Sicherheitsrats-Resolution 1540 (2004):
Verpflichtung der Staaten zu zwingenden nationalen Rechtsvorschriften gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Untersagung, nicht-staatliche AkteurInnen bei der Entwicklung oder Weitergabe dieser Waffen zu unterstützen. - Verhandlungen über einen Produktionsstopp von Atombombenstoffen (Cut-Off):
Jahrelange Bemühungen um einen Produktionsstopp von spaltbaren Materialien (besonders Plutonium) und um ein entsprechendes Kontrollregime. Die legalen Atomwaffenmächte halten sich derzeit an ein Produktionsmoratorium.
2. Massenvernichtungswaffen
- Biological and Toxin Weapons Convention (BTWC) – Übereinkommen über ein Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (1972):
Die Konvention sieht ein Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und die Vernichtung der Bestände vor. 159 Vertragsstaaten finden keinen Konsens über ein Verifikationsregime zur Überprüfung der Einhaltung der Konvention. Die 6. Überprüfungskonferenz 2006 beschließt immerhin ein Arbeitsprogramm für die Jahre 2007–2011. - Chemical Weapons Convention (CWC) – Chemiewaffen-Übereinkommen (1993, in Kraft seit 1997):
Die Konvention sieht ein Verbot aller C-Waffen sowie ihre Vernichtung bis 2007 vor. Im Vertrag sind entsprechende Kontrollmaßnahmen dafür vorgesehen. Derzeit gibt es 182 Vertragsstaaten. Die Vernichtung der C-Waffen erfolgt in speziell dafür gebauten industriellen Anlagen. Die USA und Russland haben um die Verlängerung der Fristen ersucht.
3. Konventionelle Waffen
- Convention on certain Conventional Weapons (CCWC) – Konvention zum Verbot besonders inhumaner Waffen:
Dieses Abkommen auf UN-Ebene enthält verschiedene Protokolle betreffend Blendwaffen, Brandwaffen, Minen, Streumunition etc. - Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE, 1990):
Der Vertrag zielt auf eine stabile Balance bei den konventionellen Streitkräften Europas. Es geht um Obergrenzen für bestimmte Großwaffen (Kampfpanzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge oder Angriffshubschrauber). Ein intensiver Informationsaustausch und Inspektionen sollen Vertrauen schaffen und die Vernichtung der Überbestände nachweisen. Geopolitische Veränderungen erforderten Nachjustierungen des Vertrags. Dafür steht die Ratifizerung durch die NATO-Staaten wegen inhaltlicher Differenzen mit Russland noch aus. Russland hat seinerseits die Erfüllung des Vertrages 2007 aus Protest gegen die geplanten Radar-und Raketenabwehrstellungen der USA in Tschechien und Polen vorläufig ausgesetzt. - Ottawa-Convention – Antipersonen- & Landminen-Vebot (1997 in Kraft 01.03.1999):
Verbot von APM und deren Vernichtung sowie Maßnahmen zur Bewältigung der humanitären Probleme in den betroffenen Staaten. - Small Arms and Light Weapons – Klein- und Leichtwaffen (2001):
Aktionsprogramm der Vereinten Nationen zur Unterbindung des illegalen Handels mit Kleinwaffen (z. B. Handfeuerwaffen), die in allen bewaffneten Konflikten zahlreiche Opfer fordern. Es geht um die Unterbindung der Waffentransfers, die Kennzeichnung der Waffen und damit ihre Rückverfolgung, um Regelungen bei Vermittlungsgeschäften und, wo es möglich ist, die Waffen aus dem Verkehr zu ziehen und unbrauchbar zu machen. - Oslo-Convention – Streumunitions-Verbot:
Bemühungen zahlreicher Staaten, ähnlich der Ottawa-Convention, ein umfassendes, weltweites Verbot von Streumunition, bis Ende 2008 zu erreichen.
(Quelle: Why War? Österreich)
Bei Fragen und Anregungen schreibt mir eine Email: jenny@reset.to. Vielen Dank!