Konzept und Messbarkeit von Armut

Da Armut viele Gesichter hat, existieren auch unterschiedliche Konzepte von Armut, die sich vor allem hinsichtlich der Dimensionalität unterscheiden. Armut wird gemessen, um sie einerseits international zu vergleichen, andererseits, um mehr über die Ursachen von Armut herauszufinden und Strategien zur Bekämpfung von Armut auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen.

Autor*in Uta Mühleis, 26.03.08

Da Armut viele Gesichter hat, existieren auch unterschiedliche Konzepte von Armut, die sich vor allem hinsichtlich der Dimensionalität unterscheiden. Armut wird gemessen, um sie einerseits international zu vergleichen, andererseits, um mehr über die Ursachen von Armut herauszufinden und Strategien zur Bekämpfung von Armut auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen.

Konzepte von Armut

Eines der gängigsten Konzepte sieht Armut als monetäres Phänomen. Arm ist demnach ein Mensch, der mit seinem Einkommen oder Konsum unter einem definierten Grenzwert liegt. Ein weiteres Konzept bezieht Armut auf Konsumgüter und fragt nach der Möglichkeit eines Menschen, ein bestimmtes Konsumgut beziehen zu können. Also: haben Menschen genügend Nahrung? Verfügen sie über Schutz? Partizipieren sie am Bildungssystem? Haben sie Kleidung? Eines der umfassendsten und facettenreichsten Armutskonzepte geht auf Amartya Sen (1987) zurück. Hiernach gilt ein Mensch als arm, wenn er nicht über genügend Ressourcen verfügt, um Teil der Gesellschaft zu sein, in der er lebt. Auch die Weltbank versucht in ihrer Definition von Armut der Multidimensionalität gerecht zu werden und definiert Armut im World Development Report 2000/2001: „ … as whether households or individuals have enough resources or abilities today to meet their needs …“

Messen von Armut

Um Armut nicht nur international zu vergleichen, sondern um mehr über die Ursachen und Einflussgrößen von Armut herausfinden zu können und Strategien zur Bekämpfung von Armut auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen, wird Armut gemessen. Basierend auf unterschiedlichen Konzepten von Armut werden Merkmale festgelegt, die dann auf Basis von monetären und nicht-monetären Indikatoren erfasst werden. Die folgenden Indikatoren werden zur Messung von absoluter Armut verwendet, welche sich in der Regel auf ein Existenzminimum eines einzelnen Haushaltes bezieht. Im Gegensatz dazu bemisst sich die relative Armut nach den Durchschnittswerten von Einkommen und Konsum der Bevölkerung eines bestimmten Staates und zeigen somit soziale Ungleichheiten auf.

Monetäre Indikatoren von Armut

Am häufigsten wird Armut gemessen, indem man das individuelle Einkommen oder den individuellen Konsum mit einem definierten Grenzwert vergleicht, unterhalb dessen ein Individuum als arm gilt. Zu den gängigen monetären Indikatoren gehören nationale und internationale Armutslinien (Poverty Lines). Armutslinien ziehen – basierend auf Einkommen- oder Konsumbetrachtungen – eine Grenze zwischen Armen und Nicht-Armen. Individuen, die mit ihrem Einkommen oder Konsum unterhalb dieser Grenze liegen, gelten als arm.

Internationale Armutslinien der Weltbank:

1. Definiert von der Weltbank kennzeichnet die Armutsgrenze von 1,25 US$ extreme Armut. Somit ist ein Individuum arm, wenn sein tägliches Einkommen in einer Währung weniger Kaufkraft hat, als 1,25 US$ paritätischer Kaufkraft. Im Jahre 2005 lebte jeder vierte Bewohner eines Entwicklungslandes unter dieser Armutsgrenze – 1981 war es noch jeder zweite. Die Armutsgrenze von 1,25 US$ pro Tag setzt sich aus dem Durchschnittswert der nationalen Armutsgrenzen der 10-20 ärmsten Länder der Welt zusammen. Das heißt, dass viele der Menschen, die in absoluter Armut leben, sogar weniger als 1, 25 US$ pro Tag zur Verfügung haben oder kaum Bargeld besitzen. Sie versuchen sich durch den Anbau von Nahrungsmitteln selbst zu versorgen.
2. Die Armutsgrenze von 2US$ der Weltbank bezieht sich auf Länder mittleren Einkommens: Ein Individuum ist arm, wenn sein tägliches Einkommen in einer Währung weniger Kaufkraft hat, als 2,15 US$ paritätischer Kaufkraft. Die Aussagekraft internationaler Armutslinien ist jedoch begrenzt. Internationale Armutslinien sind ein Indikator für globale Veränderung, geben jedoch nur begrenzt Aufschluss über die tatsächliche Situation und Bedürfnisse der Armen in einem bestimmten Land. Ein genaueres Bild zeichnen Nationale Armutslinien, welche die Armutslinie bezogen auf ein bestimmtes Land festlegt. Nationale Armutslinien liegen häufig unterhalb der internationalen Armutslinien.

Nationale Armutslinien: Nationale Armutslinien legen einen Mindeststandard fest, der in dem jeweiligen Land zu physischen Existenzsicherung notwendig ist (bspw. eine Mindestversorgung an Nahrung und Kleidung) und unterhalb dessen ein Mensch als arm gilt. Um einen Mindeststandard bspw. an Nahrung festzulegen, sind vor allem kalorienbasierte Armutslinien gebräuchlich. Eine nationale kalorienbasierte Armutslinie bemisst sich anhand der Kosten, die verursacht werden, um ein tägliches Mindestniveau an Lebensmitteln zu erwerben. Gemäß der Food and Agricultural Organization of the United Nations (FAO) entspricht das durchschnittliche Mindestniveau an Lebensmitteln 2000 kcal pro Tag.

Nicht-monetäre Indikatoren von Armut

Beschränkt man sich ausschließlich auf monetäre Indikatoren zur Messung von Armut, vernachlässigt man die Tatsache, dass eine Reduktion von Einkommensarmut nicht zwingend eine Verbesserung der nicht monetären Dimensionen von Armut bedeuten muss (bspw. weil ein Markt für das jeweilige Produkt gar nicht existiert). Deswegen messen Institutionen wie die Weltbank und die Vereinten Nationen nicht nur die Anzahl der Menschen deren Einkommen unterhalb eines Grenzwertes liegt, sondern bedienen sich zudem nicht-monetärer Indikatoren wie bspw. der folgenden sozialen Indikatoren:
1. Lebenserwartung bestimmter Bevölkerungsgruppen, bspw. Säuglings- und Kindersterblichkeit (bspw. Sterberate der unter Fünfjährigen, Säuglingssterblichkeit pro 1000 Lebensgeburten)
2. Auftreten bestimmter Krankheiten (bspw. Anteil von Malariakranken)
3. Ernährungsstatus (bspw. Anteil von Kindern unter 5 Jahren mit Untergewicht)
4. Anteil der Bevölkerung mit Grundschul- und/oder Ausbildung in einer weiterführenden Schule
5. Analphabetenrate einer Bevölkerungsgruppe, bspw. von Erwachsenen.

  • Atkinson, Anthony (1987), „On the Measurement of Poverty“
  • Deaton, Angus (2003), „Measuring poverty“
  • Coudouel, Aline, Jesko Hentschel and Quentin Wodon (2002), „Poverty Measurement and Analysis
  • Ravallion, Martin (1992), „ Poverty Comparison: A Guide to Concepts an Methods“
  • World Bank (2000), „World Development Report 2000/2001: Attacking Poverty“
  • World Bank (2006), „World Development Indicators 2006“
  • World Bank Group (2011), „Choosing and Estimating a Poverty Line“
  • World Bank Group (2012), „Overview“ 
  • Armut.de 
Das Phänomen Armut

Negative Trends wie steigende Lebensmittelpreise, Krankheitsepidemien oder klimatische Veränderungen ziehen vor allem für eine Gruppe von Menschen verheerende Konsequenzen nach sich: für die Menschen, die arm sind. Betroffen davon ist ca. ein Fünftel der Weltbevölkerung. Angesichts dieser Tatsache gilt die Bekämpfung von Armut als eine der zentralsten und schwierigsten Herausforderungen unserer Zeit.

Wenn Armut krank macht

Gesundheit ist für viele Menschen ein teures Gut. Circa 1,2 Milliarden Menschen unserer Welt leben in extremer Armut. Sie wohnen in Slums und haben weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. Armut führt zu schlechter Gesundheit, weil sie Menschen dazu bringt, unter Bedingungen zu leben, die sie krank machen.

Der Fluch natürlicher Ressourcen: Trotz Rohstoffreichtum bettelarm

Die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Sierra Leone, Liberia, Angola, der Tschad. Länder, die über große Rohstoffvorkommen verfügen, aber weit davon entfernt sind, Armut und Hunger im eigenen Land zu überwinden. Der Reichtum an Öl, Kupfer oder Edelsteinen könnte eine Quelle für Entwicklung sein. Statt Wohlstand grassieren in diesen Ländern in der Realität jedoch Krieg und Gewalt. Der Reichtum wird zum Fluch. Keine zufällige Erscheinung.