Ganz schön anders! Ökodörfer und Kommunen
Ökodörfer und Kommunen sind Modellprojekte gemeinschaftlicher Lebens- und Wirtschaftsweisen. Sie zeigen auf, wie ein anderes Zusammenleben aussehen kann und geben Impulse für gesamtgesellschaftliche Veränderungen.

Entstanden aus den liberalen, ökologisch orientierten Bewegungen der 1960er und 70er Jahre steuern solche Projekte heute einen Beitrag zur Nachhaltigkeitsdiskussion bei. Ausgangspunkt ist dabei die Vermutung, dass Schritte in Richtung Nachhaltigkeit auch durch die bewusste Organisation des Zusammenlebens erreicht werden, unter anderem durch gemeinschaftliche Nutzung der Ressourcen. Auch im sozialen Bereich bieten gemeinschaftliche Wohnprojekte viele Vorteile – kranke und sozial schwache Menschen finden Unterstützung und Integration.
Der Schritt, gemeinsam zu leben und zu arbeiten, ist ein Versuch, der individualisierten und am Kapital ausgerichteten Lebensweise zu entrinnen. Gleichzeitig wirkt er sich auch positiv für Mensch und Umwelt aus, denn Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften haben einen bis zu sechs mal kleineren ökologischen Fußabdruck als individuell lebende und wirtschaftende Personen. Das belegt die Studie „Gemeinschaftlich Nachhaltig“ der Uni Kassel, die über einen längeren Zeitraum den Ressourcen-Verbrauch von Kommunarden in der Kommune Niederkaufungen und in dem Ökodorf Sieben Linden im Wendland beobachtet hat.
Die Organisation dieser besonderen Gemeinschaften ist höchst unterschiedlich und reicht von lockeren Konzepten solidarischer Ökonomie bis zur Überschreibung von Individualvermögen auf die Kommune, von Gemeinschaften mit alternativer Familiengestaltung oder gar „freie-Liebe“-Versuchen bis zu klassischen Ehegemeinschaften mit den eigenen Kindern. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie in puncto Ressourcenschonung wegweisende Ergebnisse erzielen.
Auf der ganzen Welt gibt es eine Vielzahl an Ökodörfern und Kommunen mit solchen Ansätzen. Wir stellen dir hier eine kleine Auswahl dieser alternativen Lebens- und Geschäftsentwürfe vor, die sich hinsichtlich ihres Fokus auf ökonomische, politische oder demokratische Grundsätze, aber auch auf Bildung, Ernährung, Gebäude- oder Stadtentwicklung unterscheiden.
Das Ökodorf Sieben Linden
Das Ökodorf Sieben Linden untergliedert sich in fünf unterschiedliche Nachbarschaften, die jeweils ihre Wohnräume mit Baustoffen aus der unmittelbaren Umgebung – Strohballen, Holz und Lehm – geplant, gebaut und renoviert haben. Jede Nachbarschaft lebt nach eigenem Konzept und Lebensentwurf. Die Nachbarschaft Club 99 versucht zum Beispiel ihren ökologischen Fußabdruck auf ein Minimum zu reduzieren, die Nachbarschaft Nord- und Südhaus setzt auf ein unkompliziertes Nebeneinander-Wohnen verschiedener Generationen und für die Nachbarschaft Brunnenwiese sind Spiritualität und Heilung wichtige Themen.
So bietet das Dorf Raum für Menschen mit ganz unterschiedlichen Ansätzen zum Thema „ökologische Lebensweise“. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, die Konsumgewohnheiten in Anbetracht der weltweiten Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Erde immer wieder zu hinterfragen und zu versuchen, eine Lebensform zu entwickeln, die Lebensqualität und Nachhaltigkeit miteinander verbindet.
Die Kommune Niederkaufungen – ein Vorzeigemodell
Die Kommune Niederkaufungen wurde 1986 von ungefähr 100 Menschen aus Hamburg und Umgebung gegründet. Heute umfasst die Kommune mit Kindern ca. 80 Bewohner. Ihre politisch links orientierten Positionen wurden gleich zu Anfang in einem Grundsatzpapier festgehalten: kein privater Besitz an Produktionsmitteln, selbstverwaltete Arbeitsbereiche, Veränderung der Lebensbedingungen, Folgen kleinfamiliärer Erziehung angehen, politisch-ökologische Prinzipien wie die Naturkreisläufe im Projekt berücksichtigen. Die Bewohner sind in verschiedenen Arbeitsbereichen tätig, wie zum Beispiel in der Obstmanufaktur, der Schlosserei, der Schreinerei, dem Tagungshaus sowie den Arbeitsbereichen Landwirtschaft beziehungsweise Architektur. Zusätzlich werden Seminare zur Methode der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Rosenberg angeboten, es gibt eine Tagesbetreuung für demenzkranke alte Menschen sowie eine Kita.
Gemeinschaft auf Schloss Tonndorf
Die Gemeinschaft Schloss Tonndorf realisiert das, wovon viele nur träumen können: Leben auf einem mittelalterlichen Schloss. Zusammengeschlossen zu einer Genossenschaft ist das Ziel der Gemeinschaft das Baudenkmal gemeinsam zu sanieren und Wohnungen für bis zu 60 Personen zu schaffen. Somit werden ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft Thüringens und seine naturgeschützte ländliche Umgebung wiederbelebt. Zur Zeit leben auf dem Schloss etwa 40 Erwachsene und Kinder, die sich auch im Alltag unterstützend zur Seite stehen.
Die Green School
In der Green School in Bali sind die Schüler nicht nur mit ökologischen Unterrichtsinhalten konfrontiert, sie lernen auch in einem umweltfreundlichen, der natürlichen Umgebung angepassten Schulgebäude. Neben traditionellen Unterrichtsfächern, wie Mathematik oder Kunst, werden den Kindern auch unternehmerische Kurse angeboten, in denen sie zum Beispiel lernen, Gourmet-Schokolade herzustellen, Bioobst und -gemüse im eigenen Schulgarten anzubauen oder in denen ihnen neue Methoden des nachhaltigen Bauens vorgestellt werden.
Auf dem Campus finden außerdem regelmäßig Sommercamps und Sprachferienkurse statt. Aus der ganzen Welt werden Umweltschützer und Weltverbesserer eingeladen, um den Schülern die Wichtigkeit einer nachhaltigen Lebensweise nahezubringen.
Auroville
Auroville ist eine internationale, für bis zu 50.000 Personen angelegte Gemeinschaft im Süden Indiens. Sie befindet sich überwiegend im Bundesstaat Tamil Nadu. Aktuell leben hier etwa 2.800 Menschen mit dem Ziel, menschliche Einheit in der Vielfalt zu schaffen. Die Bewohner setzen sich für ein nachhaltiges Leben ein und erforschen zukünftige kulturelle, soziale und spirituelle Bedürfnisse der Menschheit. Unterstützt von der UNESCO ist Auroville heute das erste international anerkannte und laufende Projekt für eine Bewusstseinsveränderung hin zur Akzeptanz von Diversität.
Awra Amba
Obwohl das Dorf Awra Amba in einer der ärmsten und konservativsten Regionen Äthiopiens liegt, hat seine etwa 500-köpfige Gemeinde hier einen besonderen Ort geschaffen. Awra Amba wurde 1980 gegründet und verfolgt humanistische Ideale, insbesondere das Ziel der Armutsbekämpfung und der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Anstatt einer frühen Heirat wird den Mitgliedern schon früh Bildung als Schlüssel für eine spätere solide und nachhaltige Arbeit nahegebracht. Die Gemeinde gilt nicht nur wegen ihrer Gleichberechtigung der Geschlechter, sondern auch aufgrund ihrer hohen Arbeitsmoral und ihres hervorragenden Sozialversicherungssystems als Vorzeigebeispiel in Äthiopien und darüber hinaus.
Weiterführende Links
Das Global Ecovillage Network (GEN) besteht aus etwa 10.000 Kommunen weltweit, die sich auf fünf regionale Netzwerke verteilen.
In Deutschland gibt es eine deutsche Vertretung zu GEN, das Global Ecovillage Network Deutschland.
In ihrem Ratgeber Zusammen ist man nicht allein: Alternative Wohnprojekte für Jung und Alt stellt Jutta Besser alternative Lebens- und Wohnmodelle vor.
Autorin: Jenny Louise Becker (2008), zuletzt aktualisiert im Juli 2018 (RESET-Redaktion)