Biokunststoffe: Eine grüne Alternative zu konventionellem Plastik?
Ob am Strand, im Park oder in der U-Bahn-Station: Überall liegt Plastik herum. Bei einem der größten Umweltprobleme unserer Zeit scheinen Biokunststoffe als vielversprechende Alternative. Doch wie nachhaltig sind Biokunststoffe wirklich?
Biokunststoffe sind den meisten Verbrauchern wohl bisher in Gestalt von Einkaufstüten und als Sammelbeutel für Biomüll begegnet. Aber auch Gemüse, Obst, Eier und Fleisch oder Getränke und Molkereiprodukte werden darin verpackt. Als Biomasse für Biokunststoffverpackungen werden vor allem Mais, Kartoffeln und Weizen sowie Zuckerrohr und Zuckerrüben verwendet.
Zur Begriffsdefinition von Biokunststoffen kann man sich an der Gliederung des Umweltbundesamtes orientieren. Folgende Materialien werden als Biokunststoffe bezeichnet:
- Materialien, die ganz oder teilweise aus Biomasse hergestellt, d.h. biobasiert sind. Eine Bioabbaubarkeit muss nicht gegeben sein.
- Materialien, die nach den Vorgaben anerkannter Normen (z.B. EN 13432) bioabbaubar sind.
- Materialien, die beide Eigenschaften – biobasiert und bioabbaubar – gleichzeitig besitzen.
Bioabbaubar ist ein Material, wenn es für die Zersetzung durch Lebewesen bzw. deren Enzyme bis in kleinste Bestandteile wie Kohlendioxid, Sauerstoff und Ammoniak geeignet ist. Besteht ein Material aus nachwachsenden Rohstoffen, dann ist Biobasiertheit gegeben.

Die gegenwärtig in Deutschland für Verpackungen eingesetzten Biokunststofftypen lassen sich folgendermaßen einteilen:
- Stärkebasierte Blends (Stärke-Blends)
- PLA-basierte Blends (PLA-Blends)
- Biokunststoffe aus thermoplastischer Stärke (TPS)
- Biokunststoffe aus PLA (PLA)
- Zellulosebasierte Kunststoffe (Zellstoff)
- Biobasierte Biokunststoffe (Bio-PE, Bio-PET)
Unter Blends versteht man üblicherweise Verbindungen aus einem biobasierten und einem bioabbaubaren, fossilen Anteil. PLA und PLA-Blends werden unter anderem zur Herstellung von Folien, Dosen, Getränke- und Joghurtbechern, Gemüseschalen und Flaschen eingesetzt.
Eine kurze Geschichte der Biokunststoffe
Biokunststoffe sind keine so neue Erfindung, wie man vielleicht meinen könnte. Schon 1869 stellten die Gebrüder Hyatt Celluloid – einen thermoplastischen Kunststoff auf Cellulose-Basis, dem Hauptbaustoff der meisten Pflanzen – her. Dieses Material ließ sich unter anderem für Filme, Brillenfassungen und Spielzeug verwenden. Als „Cellophan“ ist dieses dann ab 1923 als Cellulosehydrat bekannt geworden und wird auch heute noch als Verpackungsmaterial eingesetzt. Erst nach 1980 gab es wieder nennenswerte Entwicklungen: Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit wollte man erdölbasierte Werkstoffe ersetzen. Zum Einsatz kamen nun vor allem Thermoplastische Stärke (TPS), Celluloseacetat und Polylactide (PLA). Zudem wurden Herstellungsverfahren für biobasiertes Polyethylen (Bio-PE), Polypropylen (Bio-PP) und andere Kunststoffe entwickelt.
Mit einem Marktanteil von etwa 80 Prozent bildet Thermoplastische Stärke den derzeit wichtigsten und am meisten gebrauchten Vertreter der Biokunststoffe. Als pflanzliches Rohmaterial dienen hauptsächlich Mais, Weizen und Kartoffeln in Europa, Afrika und Nordamerika sowie Tapioka in Asien. Gründe dafür, dass Biokunststoffe sich bislang noch nicht stärker durchsetzen konnten, sind der hohe Preis, die schlechte Verfügbarkeit und die gegenüber fossilen Kunststoffen eingeschränkte Materialleistung. Aber auch die Entsorgungssituation ist nach wie vor unbefriedigend.

Biokunststoffe werden oft wie herkömmliche Kunststoffe entsorgt
18 Millionen Tonnen Verpackungen werden in Deutschland jährlich verbraucht, 44 Prozent davon bestehen aus Kunststoff. Darin sind etwa 1,8 Millionen Tonnen Material enthalten, das für relativ kurzlebige Kunststoffverpackungen wie Folien, Beutel, Tragetaschen oder Einweggeschirr Verwendung findet. Gerade in diesem Anwendungsbereich liegt das Potenzial von Biokunststoffen.
Eigentlich sollten kompostierbare Kunststoffe über die Biotonne entsorgt werden. Doch für die Verbraucher ist es oft schwierig, die Biokunststoffe von konventionellen Kunststoffen zu unterscheiden. Daher landet Bioplastik meistens im Restmüll oder in der Wertstofftonne. Die abbaubaren Kunststoffe stören jedoch oft den Recycling-Prozess der Verpackungen aus dem Gelben Sack und werden zur Entsorgung in der Müllverbrennungsanlage aussortiert. Und selbst wenn kompostierbare Kunststoffe im Biomüll landen, werden sie teilweise auch hier wegen zu langer Verrottungszeiten aussortiert und verbrannt, denn die städtischen Müllentsorgungsanlagen können die Biokunststoffe oft nicht von herkömmlichen Kunststoffen unterscheiden. Die Fremdstoffe müssen gefiltert und auf herkömmlichem Wege, zusammen mit Kunststoffen auf Erdölbasis, entsorgt werden. Hinzu kommt, dass selbst in modernen Großanlagen die als biologisch abbaubaren Materialien gekennzeichneten Stoffe nicht vollständig kompostiert werden, die Biokunststoffe schlichtweg zu lange brauchen, um zu zerfallen.
Wie bio sind Biokunststoffe?
Noch vor einigen Jahren wurden große Erwartungen an Bioplastik gestellt – diese konnten aber bislang nicht erfüllt werden. Das hat mehrere Gründe:
- Bei Anbau und Verarbeitung werden nach wie vor fossile Energieträger wie z.B. Erdöl und Erdgas verbraucht. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes kam zu dem Ergebnis, dass Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen nach den gegenwärtigen Ökobilanzen deshalb insgesamt keine Vorteile gegenüber denen aus konventionellen Kunststoffen aufweisen würden. Zwar entsteht bei Produktion, Gebrauch und Entsorgung biologisch abbaubarer Verpackungen weniger CO2 und es wird weniger Erdöl eingesetzt, doch stehen dem nachteilige Effekte auf Boden und Gewässer durch Versauerung und Überdüngung gegenüber.
- Auch die Bioabbaubarkeit von Biokunststoffen bringt zum gegenwärtigen Zeitpunkt generell keine Vorteile, da die Kunststoffe, wie oben beschrieben, häufig zusammen mit herkömmlichen Kunststoffen in der Recyclinganlage landen. Zudem müssen sie erhitzt werden, um sich vollständig abzubauen.
- Auch die Vorsilbe ist „bio in jedem Fall mit Vorsicht zu genießen: Kunststoffe dürfen als „bio“ gekennzeichnet werden, wenn sie bioabbaubar sind, jedoch nicht auf ökologischer Basis hergestellt werden, und andersherum können biobasierte Kunststoffe wiederum ganz oder teilweise aus Biomasse bestehen, müssen aber nicht biologisch abbaubar sein.
Es besteht also noch Verbesserungsbedarf, was die Umsetzung des durchaus sinnvollen Konzepts der Biokunststoffe betrifft. Dennoch: Biokunststoffe sind eine sinnvolle Entwicklung!
Denn in Zukunft wird es voraussichtlich Biokunststoffe geben, die umweltfreundlicher sind als herkömmliche Kunststoffe. Da, wo Kunststoffe gebraucht werden, sollten sie langfristig in jedem Fall herkömmliche Kunststoffe ersetzen. Wichtig hierbei ist, dass sowohl die Herstellung als auch die Abbaubarkeit biologisch sind.
Außerdem erlaubt die Nutzung erneuerbarer Ressourcen einen effizienteren Rohstoffeinsatz, da die relevanten Pflanzen kurzfristig nachwachsen. Auch können der CO2-Abdruck eines Produktes gesenkt und Treibhausgase reduziert werden. Derartige Kunststoffe sind den konventionellen Kunststoffen unter Umweltgesichtspunkten überlegen.
Was kann ich als Verbraucher tun?
Wichtig ist vor allem, den persönlichen Umgang mit Plastik zu hinterfragen: Trinke ich Kaffee aus Wegwerfkapseln oder nutze ich das nur wenig teurere Produkt zum Wiederbefüllen? Verzichte ich auf Kunststofftüten und setze anstatt dessen auf Papiertüten bei der Müllentsorgung?
Am umweltfreundlichsten und ressourcenschonendsten sind langlebige Behältnisse wie Stoffbeutel, Dosen und Glasbehälter zum Einkauf von Lebensmitteln, um insgesamt weniger Kunststoffe zu verbrauchen. Mehr Tipps dazu findest du in dem Artikel Zurück zum Precycling. Der BUND empfiehlt, generell auf Plastiktüten zu verzichten, egal ob sie nun aus Bioplastik oder aus herkömmlichen Kunststoffen hergestellt sind. Auch vielseitig einsetzbare Verbrauchsgegenstände und Verpackungsmaterialien, wie z.B. Strohhalme aus Apfelresten oder essbare Verpackungen aus Milchproteinen, sind eine Alternative. Wann sich diese neuen Produkte am breiten Markt etablieren, ist dabei noch offen.
Derweil plant die EU, Einwegprodukte aus Plastik, darunter unter anderem Plastikgeschirr, Strohhalme, Wattestäbchen oder Ballonhalter, zu verbieten. Auch Einwegplastikflaschen, welche einen hohen Anteil an Mikroplastik aufweisen, sollen bis 2025 zu 90 Prozent recycelt werden. Für die Biokunststoffe könnte dies eine Chance bedeuten, sich breiter durchzusetzen.
Weiterführende Information:
- Die deutsche Umwelthilfe hat ein umfassendes Paper zum Thema Bioplastik veröffentlicht. Hier findest du das PDF-Dokument.
Autor: Frank Wichert/ RESET-Redaktion (2013), letztes Update: August 2018 (RESET-Redaktion)