Klimafolgenanpassung – Die Stadt zum Wald machen

Extremwetterlagen wie Trockenheit und Starkregen häufen sich und werden in Zukunft wohl noch weiter zunehmen - doch wie geht man am besten damit um?

Autor*in Luisa Ilse, 19.06.23

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Klimawandel in Deutschland

Die Veränderungen des Klimas in den vergangenen Jahrzehnten sind vermutlich für die meisten von uns spürbar geworden. Berichte von lange andauernden Hitze- und Trockenperioden sowie Starkregen häufen sich und beeinflussen das Leben in der Stadt und auf dem Land. Auffällig dabei ist, dass bestimmte Regionen unterdurchschnittlich wenig beziehungsweise überdurchschnittlich viel Niederschlag abbekommen und so mit ihrem bisherigen Regenwassermanagement aus dem Gleichgewicht geraten.

FAKTEN: EXTREMWETTERLAGEN IN DEUTSCHLAND

Im Nordosten Deutschlands – besonders in den Regionen um Berlin, Cottbus und Magdeburg mit meist weniger als zwei Litern Niederschlag pro Quadratmeter – regnet es laut ZDF am wenigsten.

Auch die Hitzetage – Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius – stiegen von 3,6 Tagen zwischen 1961 und 1990 auf 8,1 Tage in den letzten 30 Jahren an, so das ZDF.

Folgen von Hitze und Trockenheit sind Dürren und Waldbrände.

Im Süden Deutschlands und in der Region um Hagen ist die Anzahl an Starkregentagen – Tage mit mehr als 20 Litern Niederschlag pro Quadratmeter – laut ZDF in den letzten 30 Jahren deutlich angestiegen und liegt aktuell bei 4,9 Tagen.

Zu den Folgen von Starkregen gehören Überflutungen und Hochwasser.

Klimaexpert*innen sagen voraus, dass die extremen Wetterereignisse in Deutschland zukünftig häufiger auftreten und dabei noch extremer sein werden. Ungünstige Gegebenheiten wie Versiegelung, zu hohe Bebauungs- und Landwirtschaftsdichte und außergewöhnlich nasse oder trockene Böden stören zusätzlich die Aufnahme und Speicherung des Niederschlags durch den Boden. Besonders widerstandsfähig gegen den Klimawandel scheinen dagegen intakte Wälder zu sein. Schaut man sich den ausgeglichenen Wasserhaushalt eines Waldes an, so fungieren vor allem große Bäume durch ihre Verdunstung über die Blätter als „natürliche Klimaanlagen“. Aber wie kann man die Stadt zum Wald machen?

AMAREX – Anpassung des Managements von Regenwasser an Extremereignisse

Das Projekt AMAREX untersucht Möglichkeiten zur Anpassung des Regenwassermanagements an die zunehmenden Extrembelastungen durch den Klimawandel und dient damit der Klimafolgenanpassung. Es lässt sich in verschiedene Bereiche untergliedern, die alle miteinander interagieren. Untersucht und angewendet werden die Ideen in den Städten Berlin und Köln. Der Zeitraum des Projekts ist für drei Jahre angelegt und läuft seit Februar 2022.

In den Bereichen Trockenheits- und Starkregenvorsorge liegt der Fokus auf der Funktionserweiterung von bereits bestehender Regenwasserbewirtschaftung. Unter Regenwasserbewirtschaftung werden verschiedene Maßnahmen des naturnahen Umgangs mit Regenwasser in Siedlungsgebieten durch Nutzung, Versickerung und Verdunstung verstanden. Dadurch wird gleichzeitig die Grundwasserneubildung gefördert und eine Reduktion von Hitzestress durch Verdunstungskühle bewirkt.

Ziel ist es, die bereits bestehende Regenwasserbewirtschaftung durch zusätzliche, möglichst naturnahe Maßnahmen – wie die Förderung von mehr urbanem Grün und die Anlage von mehr Teichen und Kanälen – an die in der Region vorherrschenden Klimaveränderungen anzupassen und so eine Optimierung zu erreichen. Dazu werden an Pilotgebieten die praktischen Planungs- und Umsetzungspotenziale untersucht und bewertet.

Efeu-Fassadenmodule für Bewässerungsversuche mit unterschiedlichen Niederschlagsabflüssen – Versuchsstand mit Gründach und Betriebswasserspeicher

Unterstützt wird der Bereich Trockenheitsvorsorge durch das Geoinformationssystem GIS, mit dem Geodaten für digitale Geländemodelle und Flächeninformationen gesammelt werden. Die Geodaten werden zusätzlich durch Klimadaten zu Temperatur und Niederschlag ergänzt. Hierbei geht es um die Potenzialanalyse von Regenwasser für die Bewässerung von urbanem Grün. Zudem soll mithilfe von Modellen die Speicherungs-, Aufbereitungs- und Bereitstellungskapazität berechnet werden. In Zusammenarbeit mit dem Projektpartner HELIX wird die Bewässerung von Fassadenbegrünungen mit gespeichertem Regenwasser sowie Verdunstungsleistungen und das Pflanzenwachstum über eine detaillierte Datenbasis untersucht.

Ausschnitt einer Starkregengefahrenkarte mit Darstellung von Überflutungstiefen bei Starkregen, erzeugt per gekoppelter 1D-2D-Simulation

Der Bereich Starkregenvorsorge arbeitet ebenfalls mit dem Geoinformationssystem GIS. So können potenzielle Überflutungsbereiche identifiziert werden. Außerdem wird mithilfe der Simulationssoftware InfoWorks ICM ein hydraulisches Überflutungsmodell und vergleichende Modellsimulationen erstellt. Häufig können Lösungen wie natürlich angelegte Versickerungsteiche ein Überschuss an Regen aufnehmen und langsam an die Umgebung abgeben.

Im Bereich Reduktion und Klimafolgen wird ausgehend vom Wasserhaushaltsmodell ABIMO 3.2 ein webbasiertes Tool zur Abbildung der Effekte von Regenwasserbewirtschaftung auf Klimafolgen im urbanen Raum entwickelt. So soll eine frühe Berücksichtigung von Klimaanpassungen in städtischen Strategien und Planungen unterstützt werden. Zudem gibt es zwei Bereiche, die sich mit dem Dialog aller relevanten Akteur*innen innerhalb der Kommunen zum Thema Regenwassermanagement und der Entwicklung eines Bewertungstools im Anschluss beschäftigen.

Aussichten

Wenngleich der Weltklimabericht vom IPCC uns Menschen jedes Jahr vor Augen führt, wie ernst die Lage in der Klimakrise überall auf der Welt ist, so gibt es doch gewisse Handlungsspielräume. Neben ernsthaften Absichten in der Reduktion von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid, können wir unsere Städte und Kommunen durch sinnvolle Maßnahmen bestmöglich auf die Klimaveränderungen vorbereiten.

Im Idealfall geschieht dies durch Projekte wie AMAREX, bei denen Wissenschaft, Kommunen und Firmen zusammenarbeiten und gemeinsam differenzierte und erfolgreiche Lösungen für Pilotgebiete erarbeiten. Die bereits getesteten Maßnahmen und Tools lassen sich dann im nächsten Schritt in großem Maßstab auf andere, ähnliche Regionen übertragen.

„Die Bedeutung von funktionierendem und vor allem gut angepasstem Regenwassermanagement wird mit immer stärker spürbaren Folgen des Klimawandels an Bedeutung zunehmen und sollte künftig ein fester Bestandteil von Planungsprozessen sein. Die entwickelten Lösungen dafür sollen für die Kommunen einfach anwendbar sein“, erklärt Matthieu Rigal vom Projektpartner Technologie Stiftung Berlin.

Die Aussichten des Pilotprojekts sind positiv, da sich „bereits in ähnlichen Projekten zu Klimafolgen gezeigt hat, dass großes Lösungspotenzial in der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung steckt, etwa durch grüne Maßnahmen, wie begrünte Dächer oder Fassaden, und blaue Maßnahmen, wie Teiche und Kanäle“, so Dr. Andreas Matzinger vom Projektpartner Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB).

Vergleich der Wasserhaushaltskomponenten des urbanen Raums mit denen natürlicher Flächen

Da unsere Städte zukünftig klimaresilienter werden müssen, lohnt es sich, den urbanen Wasserhaushalt mit dem ausgewogenen Wasserhaushalt in einem Wald zu vergleichen. Dr. Andreas Matzinger meint dazu: „Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass der Regen, der in der Stadt fällt, zu großen Teilen über die Gullys abfließt und dafür das Wasser für Versickerung und vor allem die Verdunstung eines Waldes oder einer Wiese fehlt. Diese Verschiebung des lokalen Wasserhaushaltes in versiegelten Städten ist verantwortlich für die dort auftretenden negativen Klimafolgen.“

Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.

Wie aber gelingt die nachhaltige Transformation der Gebäude und welche Rolle spielen digitale Lösungen dabei? Das RESET-Greenbook gibt Antworten: Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren

Nimmt man also den Wasserhaushalt eines Waldes als Vorbild und leitet davon Lösungen für ein zukunftsfähiges Regenwassermanagement in unseren Städten ab, können viele der negativen Klimafolgen zumindest zu einem Teil reduziert werden – so die Hypothese von AMAREX. Die Zukunft wird zeigen, ob Städte mittels grün-blauer Maßnahmen tatsächlich langfristig zum Wald gemacht werden können!

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