Kitzrettung per Drohne – Leise Helfer aus der Luft

In Wiesen und Feldern versteckte Rehkitze sind schwer zu finden.

In den großen Mähwerken der Landwirte werden jedes Jahr viele Rehkitze getötet. Mit Wärmebildkameras ausgestattete Drohnen machen die Tiere ausfindig und helfen so bei der Rettung.

Autor*in RESET , 07.07.20

Fluch und Segen der Technisierung liegen häufig nah beeinander. So auch bei der Heuernte. Immer größere Mähwerke machen mit einer Breite von 11 Metern und einer Geschwindigkeit von 15 Kilometer pro Stunde eine schnellere Ernte möglich, aber sie töten auch sehr effektiv Rehkitze, Junghasen oder bodenbrütende Vögel, die genau zur ersten Mahd Anfang Mai Schutz in den Feldern suchen. Tiere, die in den Mähwerken landen, sterben nicht nur tragisch, sondern sie verderben auch das Heu. Vor allem für Kitze, die durch ihren angeborenen „Drückinstinkt“ bei Gefahr regungslos auf ihrem Platz im hohen Gras bleiben, sind die Mähwerke fatal. Doch nicht alle Landwirte können es sich leisten, später zu mähen, denn die Qualität des Heus sinkt bei späterem Schnitt. Dieses Problem ist nicht neu, wird aber durch immer leistungsfähigere Erntemaschinen verstärkt in Form von immer mehr getöteteten Tieren. Jährlich werden alleine in Deutschland rund 100.000 Tiere bei der Mahd getötet.

Kitzrettung ist deshalb ein Thema, das Landwirte, Jäger und Naturschützer gleichermaßen schon lange umtreibt. Bisher war ein großer personeller Aufwand nötig, um eine Wiese zum Zeitpunkt der Mahd kitzfrei zu bekommen.

Laut der Deutschen Wildtierstiftung zählt zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen – neben der sogenannten Vergrämung, bei der optische und akustische Störmomente wie Wildscheuchen oder knisternde Plastiktüten am Tag vor der Mahd aufgestellt werden – mittlerweile die Suche mit Drohnen.

Wärmebildkameras finden versteckte Tiere

 Kitzrettung-Hilfe Drohne mit Wärmebildkamera.

Kurz bevor die riesenhaften Mähdrescher anrollen, wird eine mit Wärmebildkamera ausgestattete Drohne über das Feld geschickt, die es nach einem vorher festgelegten Raster systematisch nach Wärmequellen absucht. Die auf dem Monitor angezeigten Wärmequellen weisen Helfer*innen dann den Weg zur Fundstelle. Hier werden die Tiere mit Hilfe von Grasbüscheln hochgehoben und in einer Transportkiste an den Feldrand gebracht und nach den Mäharbeiten wieder ausgesetzt oder um die Tiere herum wird ein Windschutz errichtet, der sie vor den Mähwerken schützt. Bei warmen oder sonnigem Wetter können Maulwurfshügel oder aufgewärmte Kahlstellen einen Fehlalarm auslösen; daher ist die Suche frühmorgens am Tag der Wiesenmahd am effektivsten. Doch je neuer die Wärmebildkamera, desto genauer ist mittlerweile die Anzeige, so dass auch bei Sonnenschein sichere Aufnahmen gemacht werden können.

Während die Helfer*innen keine speziellen Vorkenntnisse brauchen, sollte man für die Bedienung der Drohne und auch der Wärmebildkamera eine gewisse Erfahrung und auch zum Teil eine Flugerlaubnis haben. Mittlerweile gibt es viele Vereine und Kooperationen, die Helfer*innen, Drohnenpilot*innen und Landwirt*innen zusammenbringen. Dazu gehören lokale Vereine wie die Wildtierrettung Berlin / Brandenburg oder überregionale Zusammenschlüsse wie die Kitzrettung-Hilfe. Freiwillige können sich auf digitalen Karten unkompliziert als Helfende eintragen oder schnell herausfinden, wo Hilfe gebraucht wird.
Der konkrete Einsatz muss mit den Landwirt*innen abgesprochen werden. Helfer*innen oder Jäger*innen können jedoch mit ihren Hilfsangeboten zur Kitzrettung auch direkt auf die Landwirte zugehen.

Die Kitzrettung-Hilfe versucht, die Ergebnisse der Rettung in Zahlen zu zeigen. Für 2019 wurden nach eigenen Angaben auf 3.845 Hektar abgesuchter Fläche 1.164 Kitze gerettet. Untersuchungen zeigen, dass die Drohne im Vergleich mit anderen Methoden die besten Ergebnisse bringt. In einer Online-Umfrage im Rahmen seiner Abschlussarbeit  zum Akademischen Jagdwirt errechnete Dirk Sachon, dass 88 Prozent der Kitze bei einer Suche mittels Drohne gerettet werden konnten. Bei einem Feldversuch konnten sogar alle gefundenen Kitze gerettet werden.

Mittlerweile kostet eine Drohne mit Kamera und Akkus unter 5.000 Euro. Da die Preise vermutlich weiter sinken werden, steigen die Chancen, dass in Zukunft die Rettung von Kitzen und anderen Jungtieren immer effektiver wird.

Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Satelliten und Drohnen – Wertvolle Helfer für eine nachhaltige Entwicklung“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Satelliten und Drohnen

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.


Mehr Informationen hier.

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