KI-Technologie führt zu Durchbruch in der Entwicklung plastikfressender Enzyme

Könnten speziell entwickelte Enzyme schon bald zum Abbau unserer Plastikmüllberge eingesetzt werden?

Autor Mark Newton:

Übersetzung Lara Sophie Sander, 29.08.22

Kunststoffprodukte, die einfach auf einer Mülldeponie gelagert werden, brauchen Jahrhunderte, um sich zu zersetzen. Plastikflaschen zum Beispiel verbleiben dort bis zu 450 Jahre. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diesen Prozess zu beschleunigen.

Seit einigen Jahren experimentieren Forscher*innen mit plastikabbauenden Enzymen, die das Plastik quasi „auffressen“ können. Ein Team an der University of Texas hat nun einen neuen Enzymstamm entwickelt, der diese Aufgabe doppelt so schnell bewältigen kann wie einige der effizientesten, bisher bekannten Enzyme.

Vor etwa sechs Jahren entdeckten Wissenschaftler*innen in einer Recyclinganlage für Plastikflaschen ein Bakterium, das Polyethylenterephthalat (PET) aufspalten kann. Der Organismus bestand aus zwei Enzymen, die das Polymer zunächst in Mono-(2-hydroxyethyl)terephthalat und dann in Ethylenglykol und Terephthalsäure umwandelten – im Wesentlichen wurde der Kunststoff in eine Energiequelle für die Bakterien zerlegt.

Ein bestimmtes Enzym, die so genannte PETase, wurde für das Protein-Engineering ausgewählt, um es bei höheren Temperaturen stabiler zu machen und seine katalytische Aktivität zu steigern. Um das Enzym besser zu verstehen, trainierte das Team einen Algorithmus auf Basis künstlicher Intelligenz auf 19.000 verschiedene Proteine von ähnlicher Größe, aber mit unterschiedlichen Eigenschaften. Auf Grundlage dieser Informationen konnte der Algorithmus dann die 290 Aminosäuren der PETase überprüfen und mit seiner Datenbank abgleichen. Durch den Vergleich der strukturellen Umgebung mit anderen Umgebungen konnte das Team daraufhin bestimmte Aminosäuren identifizieren, die eine Quelle der Instabilität sein könnten.

KI-basierte Forschung

PxHere

Es ist nicht das erste Mal, dass spezifische Enzyme zum Abbau von Kunststoffen eingesetzt werden, aber der Einsatz von maschinellem Lernen brachte dem Team einige wichtige Vorteile. Vor allem konnten sie sich auf Faktoren konzentrieren, die von menschlichen Forscher*innen möglicherweise übersehen worden wären. Hal Alper, der leitende Forscher des Projekts, schlug vor, dass mit immer fortschrittlicheren Werkzeugen auf Basis maschinellen Lernens sogar realistische Vorhersagen über die Beschaffenheit bestimmter Proteine gemacht.

Als Ergebnis der Studie, die Millionen potenzieller Kombinationen ergab, konzentrierte sich das Team auf drei vorgeschlagene Aminosäureaustausche. Nachdem diese vorgenommen wurden – zusätzlich zu weiteren Änderungen aus einer früheren Studie – schufen sie ein neues Enzym, das vor allem bei niedrigen Temperaturen hochaktiv ist.

So ist das Enzym bei 50 °C doppelt so aktiv beim Abbau einer kleinen Probe eines PET-Lebensmittelbehälters wie ein anderes PETase-Enzym bei 70 °C. Es war sogar in der Lage, innerhalb von 48 Stunden ein Plastikkuchenblech vollständig abzubauen, wobei die dabei entstehenden Abfälle zu neuen Plastikartikeln recycelt werden können. Im Gegensatz zu anderen Studien, die ihre Tests weitgehend auf eine Laborumgebung und kleine PET-Proben beschränkten, wendete das Team der University of Texas sein Enzym auch auf reale, im Supermarkt gekaufte Kunststoffprodukte an.

Allerdings hat auch dieser Ansatz seine Grenzen. Derzeit hat das Enzym, wie viele andere auch, Probleme mit eher kristallinen Kunststoffen, wie sie in PET-Flaschen vorkommen. Solche Kunststoffe müssen erst in einen amorphen Zustand geschmolzen werden, bevor das Enzym wirken kann. Es wird auch darüber diskutiert, wie umsetzbar der enzymatische Abbau von Kunststoffen in größerem Maßstab sein kann.

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Derzeit wird der meiste Kunststoff durch Schmelzen und Umformen recycelt. Dies hat den Vorteil, dass es für eine Vielzahl von Kunststoffen anwendbar ist, verschlechtert aber auch die Eigenschaften des Kunststoffs mit jedem Zyklus. Es werden zwar einige chemische Verfahren eingesetzt, doch sind diese sehr energieintensiv. Der Ansatz unter Verwendung von Enzymen hat den Vorteil, dass er auf bestimmte Kunststoffe zugeschnitten werden kann, während die oben beschriebene Methode auf Grundlage maschinellen Lernens ermöglicht, dass ein einziges Enzym so modifiziert werden könnte, dass es viele verschiedene Arten von Kunststoffen auf hocheffiziente Weise behandelt.

Eine weitere Methode, die derzeit erforscht wird, ist die Entwicklung biologisch abbaubarer Kunststoffe, die sich im Laufe der Zeit natürlich zersetzen. Dabei wurden viele verschiedene Möglichkeiten getestet, darunter Algen, Krabbenschalen und pflanzliche Abfälle, aber bisher sind die meisten nur in kleinem Maßstab kommerziell verfügbar.

Insgesamt ist es jedoch einfacher und wahrscheinlich auch billiger, die Plastikverschmutzung zu bekämpfen, indem man die Menge des verwendeten Plastiks reduziert. Die schrittweise Abschaffung bestimmter Plastikprodukte, insbesondere von Einwegplastik, kann einen großen Beitrag dazu leisten.

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