Es gibt kaum noch Situationen in unserem alltäglichen Leben, die offline stattfinden. Fast immer tragen wir ein Gerät bei uns, das mit dem Internet verbunden ist. Unsere Fotos, Karten, Musik oder Nachrichten speichern wir nur noch selten auf Festplatten, sondern zunehmend online in verschiedenen Cloud-Angeboten. So entstehen Unmengen an Daten. Doch auch virtuelle Cloud-Dateien müssen an einem physischen Ort gespeichert werden. Hierfür bauen Internet-Konzerne große Rechenzentren, oft auf mehreren zehntausend Quadratmetern Fläche. Aktuell baut beispielsweise Google in Dänemark bereits das fünfte eigene Rechenzentrum innerhalb Europas. In den Gebäuden befinden sich tausende Server, die Daten von Google Search, Gmail oder YouTube verwalten.
Die Herausforderung hierbei: Diese „Data Centers“ verbrauchen extrem viel Energie, vor allem durch die Kühlung der Anlagen. Um dieses Problem anzupacken, beauftragte Google sein Tochterunternehmen Deepmind 2016 damit, ein möglichst energiesparendes und effizientes Kühlsystem zu entwickeln. Deepmind ist ein ehemaliges Startup, das 2014 von Google übernommen wurde. Bekannt wurde es vor einigen Jahren durch sein KI-Programm Alpha-Go, das gegen die besten menschlichen Spieler des Strategiespiels „Go“ gewinnen konnte.
Offenbar konnte Deepmind auch bei der Entwicklung des Kühlsystems beeindruckende Ergebnisse erzielen: Nach eigenen Angaben gelang es dem US-Unternehmen, den Energieverbrauch um 40 Prozent reduzieren. Möglich wurde das durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Das Wärmemanagement der riesigen Server-Gebäude ist äußerst komplex, die Effizienz wurde jedoch durch die Steuerung über KI-Systeme deutlich gesteigert.
Was macht die KI?
Aufs Wesentliche reduziert kann man die Funktionsweise des komplexen KI-Systems folgendermaßen erklären: Die KI-Lösung von Deepmind macht alle fünf Minuten eine Momentaufnahme aus dem Kühlsystem des Rechenzentrums, zusammengesetzt aus den Informationen tausender Sensoren. Dieses Bild wird in ein Netzwerk eingespeist, welches mögliche Szenarien des Energieverbrauchs der nahen Zukunft voraussagt. Das KI-System ermittelt nun, welche Maßnahmen den Energieverbrauch minimieren. Diese Maßnahmen werden dann als Vorschlag zum Datenzentrum weitergeleitet, wo sie von einem Kontrollsystem verifiziert und schließlich implementiert werden.
Das Besondere dabei ist, dass die KI völlig eigenständig arbeitet. Zunächst entwickelte das Deepmind-System nur Handlungsvorschläge, welche dann manuell von Mitarbeitenden des Rechenzentrums geprüft und abgesegnet wurden. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass diese Arbeitsweise zu umständlich ist und das System wurde vom menschlichen Einfluss entkoppelt.
Einem Computer die gesamte Kontrolle zu überlassen, kommt uns schnell unheimlich vor. Jedoch hat Deepmind verschiedene Sicherheitsmechanismen in das System eingebaut. Jede Handlung der KI wird auf zwei Ebenen verifiziert. Zunächst muss eine Maßnahme die manuell eingebauten Sicherheitsauflagen bestehen. In einem zweiten Schritt werden die Anweisungen dann von der KI-Cloud zum eigentlichen Rechenzentrum geschickt und müssen erneut dessen Anforderungen genügen. Erst dann können sie wirklich umgesetzt werden. Darüber hinaus kann jederzeit nahtlos vom KI-System in ein manuelles Steuerungssystem gewechselt werden.
Auch in China wird an KI-Kühlsystemen für Rechenzentren gearbeitet
Einen ähnlichen Ansatz wie Deepmind verfolgt seit 2018 auch das chinesische Unternehmen Huawei: Mit seinem System iCooling konnte die Energiebilanz von Rechenzentren ebenfalls verbessert und der Stromverbrauch um acht Prozent reduziert werden. Auch iCooling analysierte zunächst eine große Menge historischer Daten und identifizierte die Auswirkungen verschiedenster Maßnahmen auf den Energieverbrauch. So konnte ein Vorhersagemodell entwickelt werden. Ein Optimierungsalgorithmus legt dann die idealen Parameter fest und setzt die energetisch effizientesten Maßnahmen um, wodurch sowohl die Geschwindigkeit als auch die Effektivität deutlich gesteigert werden konnten. Das Resultat dessen sind die Energieeinsparungen.
Huawei gibt an, dass das eigene Kühlsystem seit der Einführung der KI sogar sicherer sei. iCooling soll dazu fähig sein, bevorstehende Geräte- und Komponentenausfälle vorherzusagen und so das Betriebspersonal vorzeitig zu warnen; im besten Falle liefert es sogar schon Handlungsvorschläge. Fehler können somit laut Huawei äußerst schnell erkannt und isoliert werden. Beispielsweise können Brandgefahren eliminiert und die Zuverlässigkeit des Energiesystems verbessert werden.
Die beiden vorgestellten Cases zeigen, wie neue Technologien dazu beitragen können, die Energieeffizienz zu speichern. Damit Rechenzentren (und damit auch die Digitalisierung an sich) wirklich nachhaltiger werden können, muss aber noch an weiteren Stellschrauben gedreht werden. Zum Beispiel muss die Energie für den Betrieb von Rechenzentren ausschließlich aus erneuerbarer Energie stammen und es sollten neue Wege erschlossen werden, wie die Abwärme genutzt werden kann, die in den Serverfarmen entsteht. Bei RESET haben wir dazu bereits ein Dresdner Startup vorgestellt, das Serverabwärme für die Warmwassererzeugung einsetzt, oder auch ein Pariser Unternehmen, das mithilfe der Abwärme von Datenzentren ein Schwimmbad beheizt. Nicht zuletzt ist es aber auch an uns Nutzer*innen von digitalen Services, unseren digitalen Fußabdruck möglichst klein zu halten. Was du dafür tun kannst, das erfährst du in diesem ausführlichen Artikel.
Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.
Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Künstliche Intelligenz – Können wir mit Rechenleistung unseren Planeten retten?“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier KI
Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.
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