Der Online-Versandhandel boomt. Während kleine Geschäfte wegen den Corona-Lockdowns geschlossen bleiben und um ihre Existenzen bangen, verdienen sich große Online-Händler wie Amazon eine goldene Nase an der Pandemie. Jeff Bezos, der Gründer und Chef von Amazon, ist mit einem Vermögen von 189 Milliarden Dollar der reichste Mensch der Welt. Laut dem Bloomberg-Milliardärsindex ist sein Vermögen aufgrund steigender Amazon-Aktienkurse im Jahr 2020 (bis Oktober) um 74 Milliarden Dollar gestiegen. Die Arbeitsbedingungen im Unternehmen werden allerdings immer wieder kritisiert. Und nachdem es an mehreren Amazon-Standorten zu Corona-Ausbrüchen kam, wurde auch der unzureichende Schutz der Mitarbeiter*innen vor Corona beklagt. Die EU wirft dem Unternehmen unterdessen vor, es behandle externe Händler auf der eigenen Plattform unfair.
Grundsätzlich wirkt sich die Zunahme an Online-Bestellungen auch negativ auf die Umwelt aus. Durch lange Transport- und Lieferwege, insbesondere bei Produktbestellungen aus dem Ausland, verschlechtert sich die CO2-Bilanz der online gekauften Produkte zudem. Zwar gibt es mittlerweile auch vereinzelt Unternehmen, die auf nachhaltigere Verpackungen und lokale Produktion setzten, der Großteil der über Amazon laufenden Bestellungen, und insbesondere die vielen Retouren, haben laut mehreren Studien jedoch noch immer einen größeren negativen Effekt auf die Umwelt als „analoge“ Einkäufe.
„La Zona“ will eine lokale Alternative zu großen Online-Händlern schaffen
Um den negativen Folgen dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, soll in Katalonien bis zum Sommer eine nachhaltige und soziale Alternative zu Amazon entstehen. Unter der Federführung der Genossenschaft Opcions wollen sich mehrere Genossenschaftsbetriebe aus der nordostspanischen Region über eine gemeinsamen Verkaufsplattform namens „La Zona“ (auf deutsch „das Gebiet“) zusammenschließen.
“Die Covid-19-Krise hat einen signifikanten Teil der Bevölkerung dazu gezwungen, sich an die Digitalität anzupassen“, sagt Joana Ariet Porta, CCO bei Opcions, im Gespräch mit RESET. Ob für Essen, Spiele oder Sportgeräte – die meisten Leute haben während der Lockdowns alles, was sie brauchten, auf Amazon gefunden. „Aber was ist mit traditionellen Läden? Was passiert mit den Obst- und Gemüseläden, Metzgereien und Fischhändlern? Sie waren nicht darauf vorbereitet auf Digitalität umzusteigen und hatten auch nicht die Kapazitäten dazu. Wir hatten das Gefühl, als genossenschaftliche Expert*innen im Bereich Konsum müssen wir etwas für diese Läden tun.“
Mit Amazon konkurrieren könne das Projekt jedoch nicht. „Das ist unmöglich“, so Porta. „Aber hinter ‚La Zona‘ steht nicht nur ein einfacher Markplatz, sondern ein Projekt, das Menschen dazu anregen möchte, sich die Konsequenzen ihrer Handlungen bewusst zu machen.“ Da das Projekt großen Wert auf die Nähe zwischen Käufer*innen und Verkäufer*innen legt, ist das Projekt außerdem nur auf die Region Katalonien beschränkt.
Faire Bezahlung, kurze Lieferwege und Verteilstationen: Was „La Zona“ von großen Online-Händlern unterscheiden soll
Durch den Zusammenschluss mehrerer Genossenschaftsbetriebe sollen die Bestellungen gemeinsam abgewickelt und die Lieferwege verkürzt werden. Bei der Lieferung arbeitet das Projekt zusammen mit dem Transportunternehmen „Koiki“. Die Mitarbeiter*innen von Koiki arbeiten mit Verteilstationen, um CO2 einzusparen; die aktuell insgesamt 50 „Micro-Hubs“ sind in 17 der 50 spanischen Provinzen verteilt. Von dort aus werden die Pakete jeweils zu Fuß, Fahrrad oder Roller ausgeliefert. Die Zusteller*innen bekommen einen festen Lohn und werden nicht, wie üblich in der Branche, pro zugestelltem Paket bezahlt. Der Lohn entspricht damit dem spanischen Mindesteinkommen von derzeit 1.050 Euro monatlich.
José Alonso, ein Mitglied der Genossenschaft Opcions, sagte gegenüber der taz, dass es in der Region etwa 200 bis 300 Genossenschaften gibt, die „im weitesten Sinne als solidarisch und nachhaltig gelten.“ An diese richtet sich das Projekt zuerst. Insgesamt gebe es in der Region aber rund 4.000 Genossenschaftsbetriebe. Auch diese könnten langfristig in das Projekt eingebunden werden, wenn sie das wollen. Voraussetzung sei jedoch, so Ariet Porta, dass sich die beteiligten Unternehmen an Richtlinien bezüglich Nachhaltigkeit, guten Arbeitsbedingungen, sowie einem demokratischem Finanzmanagement und einer feministischen Grundeinstellung halten. Können sie diese Anforderungen nicht von Anfang an erfüllen, würden sie aber auf dem Weg dorthin Unterstützung bekommen.
Das Projekt wird durch ein Förderprogramm der katalanischen Autonomieregierung und die Stadtverwaltung Barcelona unterstützt. Ab Mai soll das Projekt starten. Bis dahin versucht das Projekt mit Werbekampagnen im Fernsehen, Radio und auf Social Media, sowie in Einzelgesprächen (aktuell nur virtuell) mit interessierten Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen.