Wenn die Rede von Big Data ist, denken die meisten Menschen wohl zunächst an zielgerichtete Werbung auf Facebook oder an individuell zugeschnittene Produktvorschläge bei Amazon. Dabei steckt weit mehr Nutzungspotenzial in der Sammlung und Auswertung riesiger Datenmengen. Tatsächlich wird Big Data bereits jetzt eingesetzt, um Konflikte weltweit zu prognostizieren, räumlich einzuordnen und abzumildern.
Laut eines kürzlich erschienenen Essays von Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Konstanz wird die Rolle von Big Data in der Konfliktforschung allerdings überschätzt: Zwar gebe es durchaus Fortschritte in diesem Bereich, allerdings existiert noch keine Technologie, die präzise vorhersagen könne, wann und wo genau der nächste bewaffnete Konflikt ausbricht. Und, so die Wissenschaftler, eine vollautomatisierte Auswertung mithilfe intelligenter Computeralgorithmen sei womöglich auch niemals realisierbar.
Zwar lassen sich Risikofaktoren für künftige Konflikte – beispielsweise prekäre politische Situationen oder die Unterdrückung ethnischer Minderheiten – tatsächlich frühzeitig erkennen, allerdings sind Konflikte unglaublich komplex. Und vor allem die Handlungen der Menschen (Stichwort: die jüngsten US-Wahlen oder der Brexit) folgen letztlich oft keiner nachvollziehbaren Logik oder Berechenbarkeit. Laut Lars-Erik Cederman, Professor für Internationale Konfliktforschung an der ETH Zürich, lässt sich die Zukunft anhand vergangener Ereignisse daher bei Weitem nicht so zuverlässig voraussagen, wie manch einer vielleicht denken mag.
Wie kann die moderne Datenwissenschaft trotzdem helfen?
Durch die Auswertung von Medienberichten, Online-Trends und Posts in sozialen Medien mithilfe intelligenter Algorithmen können Entwicklungen besser und schneller verfolgt werden. Die so entstandenen Informationen können einfließen, um eine bessere Vorhersage von Konflikten zu ermöglichen.
Die Analyse von Schlüsselwörtern, die in Medienberichten verwendet werden, kann außerdem dabei helfen, nationalistische Entwicklungen oder konfliktträchtige Situationen zu erkennen. Computerprogramme können diese Prozesse also beschleunigen, womit auch schnellere Aussagen zu politischen Entwicklungen möglich wären. Allerdings ist menschliches Eingreifen hier nach wie vor notwendig – denn für bestimmte Sprachen gibt noch keine bedeutungserfassenden Programme. Außerdem sind in vielen Regionen, vor allem in solchen, wo Konflikte wahrscheinlich sind, die Medien nicht unabhängig und das Internet oft zensiert und nur einer Minderheit zugänglich.
Aber was ist dann mit solchen Regionen, wo es überhaupt kein Internet gibt? Selbst hier können Computermethoden eingesetzt werden, um gewisse Informationen zu gewinnen. Beispielsweise werden Satellitenaufnahmen von Lichtemissionen verwendet, um daraus Rückschlüsse auf wirtschaftlichen Wohlstand und Ungleichheit in Konfliktregionen zu ziehen.
Hier findest du ein Interview mit Lars-Erik Cederman zum Thema.
Dieser Artikel wurde zuerst auf unserer englischen Seite veröffentlicht; geschrieben hat ihn Marisa Pettit.