Ist klimaneutrales Kerosin der Weg zu einem CO2-neutralen Luftverkehr?

Die Non-Profit-Organisation Atmosfair hat dieses Jahr die erste industrielle Fertigung für synthetisches Kerosin weltweit gebaut, um somit der kommerziellen Luftfahrt CO2-neutralen Treibstoff zu liefern.

Autor*in Alina Banse, 08.11.21

Übersetzung :

Der gesamte Flugverkehr hat einen Anteil von 2,8 Prozent an den globalen CO2-Emissionen und alleine in Deutschland haben sich die CO2-Emissionen des Flugverkehrs seit 1990 etwa verdoppelt. Doch durch jedes verbrannte Kilogramm Kerosin entstehen rund drei Kilogramm CO2. Zusätzlich zu den CO2-Emissionen tragen ebenso die Bildung von Ozon sowie Schleierwolken und Kondensstreifen zu einer Verstärkung der Erwärmungswirkung bei. Der Weltklimarat geht daher davon aus, dass die gesamten Treibhausauswirkungen des Luftverkehrs im Mittel doppelt so hoch sind wie die CO2-Emissionen. 

Das Pariser Klimaabkommen soll dafür sorgen, dass die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius, möglichst jedoch auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt wird. Die globale Luftfahrtbranche hat sich 2016 bei dem Luftfahrt-Klimaabkommen auf eine Stabilisierung der Treibhausgase geeinigt. Um das Ziel zu erreichen, können Airlines seit diesem Jahr Zertifikate für Flugrouten kaufen, um den CO2-Ausstoß auszugleichen. Bis 2026 ist dies freiwillig, ab 2027 soll der Erwerb der Zertifikate dann verpflichtend sein. Um sicherzustellen, dass das Pariser Klimaabkommen nicht durch die Luftfahrt gefährdet wird, müsste der Flugverkehr allerdings bis 2050 vollständig dekarbonisiert sein. 

Doch dazu braucht es eine Revolution im Luftverkehr. Non-Profit-Organisationen wie Atmosfair bieten an, anfallende Emissionen des eigenen Urlaubsfluges mit einer Zahlung an entsprechende Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Damit wird quasi eine Wiedergutmachung in Form einer Spende geleistet. Somit werden bereits entstandene Emissionen nur ausgeglichen, jedoch nicht vermieden – und das kann nur ein Teil der Lösung sein.

Atmosfair engagiert sich neben der CO2-Kompensation nun auch dafür, den Luftverkehr selbst klimafreundlicher zu machen und hat dieses Jahr die erste Anlage weltweit gebaut, die industriell E-Kerosin produziert. Die vielversprechende Kerosin-Lösung “fairfuel” verspricht, ein CO2-neutraler Treibstoff für die kommerzielle Luftfahrt zu sein.

Aus dem Emsland in die ganze Welt

Atmosfair Eröffnung – die weltweit erste Power-to-Liquid E-Kerosin-Anlage in Werlte, Norddeutschland

Da das E-Kerosin aus erneuerbarem Strom, Wasser und CO2, welches der Luft entzogen wird, produziert wird, ist das Kerosin laut eigenen Angaben CO2-neutral und soll keine negativen Umwelteffekte haben. Der Fachbegriff für die Technik ist “Power to Liquid” (PtL). 

Die fairfuel Anlage nutzt Strom aus Wind und Solar aus der Umgebung, CO2 aus einer Biogasanlage auf dem Gelände und aus der Luft, und Wasser, um ein synthetisches Rohkerosin herzustellen. In einer Raffinerie wird daraus dann Jet A1 Kerosin, das an den Flughafen Hamburg zu seiner ersten Kundin, der Lufthansa, geliefert wird.

Der Strombedarf für die Herstellung des „fairfuels“ fällt nicht zulasten der Energiewende, da der Wasserstoff vor Ort mit grünem Strom produziert wird – von Windrädern, die im kommenden Jahr aus der EEG-Förderung fallen. Damit gibt der synthetische Treibstoff später nur das CO2 ab, das vorher der Atmosphäre entnommen wurde. 

Funktionskreislauf der fairfuel Anlage.

Die Herstellung des klimaneutralen Kraftstoffs ist jedoch noch sehr teuer und die Produktionskapazitäten sind begrenzt. 

Bis 2030 sollen jährlich 200.000 Tonnen grünen Kerosins produziert werden. Der Weg zum flächendeckenden Einsatz ist jedoch noch weit. Die Fabrik wird eine Tonne des E-Fuel pro Tag herstellen, was im Jahr rund 360 Tonnen macht. Wenn Airlines in Deutschland ab 2026 allerdings die von der Bundesregierung festgelegten 0,5 Prozent Fair-Fuel hinzufügen müssen, sind 50.000 Tonnen pro Jahr notwendig. 

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Greenpeace begrüßt die neue Technik, merkt jedoch an, dass klimaneutraler Kraftstoff allein die Probleme der Airlines nicht lösen kann, da zwei Drittel des Klimaschadens durch andere Treibhausauswirkungen – wie Kondensstreifen in großer Höhe – entstehen. Kurzstreckenflüge müssen laut Greenpeace nach wie vor umgehend reduziert werden und um ausreichend grüne Energie aufzubringen, muss der Ausbau erneuerbarer Energien signifikant erhöht werden. Der Umstieg auf alternative Antriebe in der Flugbranche ist noch einige Jahre entfernt, denn bisher werden elektrisch betriebene Flugzeuge nur im Kleinformat entwickelt und die Entwicklung von Wasserstoff-Flugzeugen wird noch länger dauern – mit fraglicher Ökobilanz.

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