Ist die CO2-Abscheidung an Bord der Weg in eine sauberere Frachtschifffahrt?

Durch den Einbau einer Technologie zur CO2-Abscheidung an Bord könnten die Emissionen eines Frachtschiffs um bis zu 95 Prozent reduziert werden.

Die Schifffahrt trägt erheblich zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Kann die Kohlenstoffabscheidung an Bord diese Emissionen drastisch reduzieren?

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 31.10.22

Obwohl die Technologie nach den Maßstäben des 21. Jahrhunderts ziemlich archaisch erscheinen mag, werden immer noch 90 Prozent der internationalen Fracht auf dem Seeweg befördert. Infolgedessen produziert die Cargoindustrie jährlich etwa 940 Millionen Tonnen Kohlenstoff – etwa 2,5 Prozent der weltweiten Gesamtmenge. Forschende vermuten, dass dieser Anteil bis 2050 auf 10 Prozent ansteigen wird.

Die Verringerung und Dekarbonisierung des Frachtverkehrs auf unseren Meeren ist daher ein wichtiges Ziel, um eine kohlenstofffreie Welt zu schaffen. Um dies zu erreichen, werden derzeit verschiedene Methoden entwickelt. Ein neues Konzept ist die CO2-Abscheidung und -Speicherung (OCCS) an Bord.

Wie der Name schon sagt, wird bei OCCS die Technologie der Kohlenstoffabscheidung auf fahrende Schiffe übertragen. Laut dem in Los Angeles ansässigen Entwickler Carbon Ridge ist das Konzept nicht nur erschwinglich, sondern auch nicht-invasiv und potenziell lukrativ.

In dem System werden Schiffscontainer mit Anlagen zur CO2-Abscheidung neben dem Abgastrichter eines Schiffes installiert. Die Abgase des Motors werden vom Carbon Ridge-System aufgefangen, wo das Kohlendioxid und andere Gase durch ein Kompressions- und Verflüssigungssystem getrennt werden. Die „entkohlten“ Abgase können dann ganz normal über den Schornstein abgeleitet werden, während der Kohlenstoff in den Containern in fester Form gespeichert wird.

Die Technologie von Carbon Ridge wird direkt am Abgastrichter eines Schiffes installiert.

Im Hafen angekommen, kann dieser Kohlenstoff entladen und entweder dauerhaft gelagert oder zur Herstellung neuer Produkte verwendet werden. Carbon Ridge monetarisiert auch die Gutschriften, die für jede Tonne abgeschiedenen CO2 auf kommerziellen Märkten vergeben werden. Der gesamte CO2-Fußabdruck eines Schiffes soll durch den Einsatz des Systems um bis zu 95 Prozent reduziert werden.

Nach eigenen Angaben ist das System von Carbon Ridge leicht und mit nur geringfügigen Änderungen auf den meisten Frachtschiffmodellen installierbar – und das zu erschwinglichen Kosten. Außerdem soll das Modell etwa 75 Prozent kleiner sein als andere OCCS-Systeme und sei speziell für den Betrieb unter maritimen Bedingungen entwickelt worden.

Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Autonome Fahrzeuge, E-Mobility, intelligente Verkehrsplanung, multimodal durch die Stadt – wie sieht die Mobilität von morgen aus? Wir stellen nachhaltig-digitale Lösungen für eine klimaneutrale Fortbewegung und Logistik vor und diskutieren neue Herausforderungen der „digitalen“ Mobilität: Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität

Natürlich bringt die Kohlenstoffabscheidung einige Probleme mit sich, insbesondere die Frage, was mit dem Kohlenstoff passiert, wenn er einmal abgeschieden ist. Eine Möglichkeit ist es, den Kohlenstoff zur Herstellung neuer Produkte – wie Kraftstoffe oder Baumaterialien – zu verwenden. Eine andere ist die Speicherung tief unter der Erde in verschiedenen geologischen Formationen. Ehemalige Gas- und Öllagerstätten sind eine beliebte Wahl, da sie bereits seit Millionen von Jahren Gas oder Öl enthalten. Weitere Möglichkeiten sind Salzlagerstätten, Kohleflöze, Basaltformationen und Schieferbecken.

Dekarbonisierung der Fracht

Die Kohlenstoffabscheidung ist jedoch nur eine Möglichkeit zur Dekarbonisierung der Fracht und Schifffahrt. Ein anderer Ansatz erinnert an das Zeitalter der Segelschifffahrt vergangener Jahrhunderte. Mehrere Startups und Unternehmen arbeiten an der Entwicklung von Windkraftgeneratoren für große Frachtschiffe, zum Beispiel rotierende Säulen und Drachen, die am Bug eines Schiffes angebracht werden. Diese Turbinen können dann einen Teil des Schiffsantriebs übernehmen und so die Abhängigkeit vom Öl verringern.

Ein anderer Ansatz ist die Entwicklung KI-gestützter Plattformen, die Schifffahrtsrouten effizienter planen. Große Entfernungen, hohe Geschwindigkeiten und unruhige Meere können den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen in die Höhe treiben. Wenn die Routenplanung von Schiffen dagegen effizienter ist, kann ihre Geschwindigkeit und ihr Treibstoffverbrauch verringert werden, was zu großen Einsparungen führen kann.

Letztendlich haben die Methoden zur Dekarbonisierung der Fracht bessere Chancen sich durchzusetzen, die auch für die Reedereien wirtschaftlich sinnvoll sind. Wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht zeigt, sind fossile Brennstoffe nicht so billig, wie oft angenommen wird, während erneuerbare Energiequellen von Jahr zu Jahr billiger werden. Alles, was die Treibstoffkosten zuverlässig senken kann, ohne die Fahrpläne oder die Kapazität zu beeinträchtigen, könnte für Schifffahrtsunternehmen attraktiv werden. Reichen wird das allerdings nicht, um die enormen Emissionen der Schifffahrt maßgeblich zu reduzieren. Hier sind entsprechende politische Rahmenbedingungen gefragt.

CO2: Vom Klimakiller zum Wertstoff?

Es gibt viele Ansätze, der Atmosphäre durch Abscheidung und Speicherung oder die Verarbeitung bei industriellen Prozessen CO2 zu entziehen. So sollen der Treibhaus-Effekt und die Erhitzung der Erde gebremst werden.

Warum haben wir keinen Skyscanner für Züge?

Flüge über Plattformen zu buchen ist leicht. Für Bahnreisen gibt es keine vergleichbaren Möglichkeiten – würde aber deren Attraktivität steigern und die nachhaltige Fortbewegung voranbringen.

Segeln in Richtung Nachhaltigkeit: Die Frachtschifffahrt entdeckt die Windkraft neu

Die Schifffahrtsindustrie ist für hohe CO2-Emissionen verantwortlich. Eine uralte Technik gepaart mit neuen Technologien könnte eine Lösung sein.

Torge Peters
Neue RESET Podcast-Folge: Dieses Open-Source-Navi zeigt, wie die Mobilitätswende vorangetrieben werden kann

RESET war bei der re:publica 2023 mit der Session „Die Stadt nach dem Auto - es gibt viel zu gewinnen“ dabei. Jetzt gibt es unsere re:publica-Session als Podcastfolge zum Nachhören!

© Nik/ Unsplash-Lizenz
CO2-Emissionen am Auspuff stoppen – bald gängige Praxis?

Die mobile Kohlenstoffabscheidung verhindert, dass Fahrzeugemissionen in die Atmosphäre gelangen. Die Weiterentwicklung dieser Technologie könnte die Dekarbonisierung des Verkehrssektors entscheidend vorantreiben.

Torge Peters
Policy Brief: Digitale Lösungen für die Mobilitätswende – Chancen und Herausforderungen

Schon heute unterstützen digitale Technologien bei der Mobilitätswende. Der Policy Brief nennt Bereiche, in denen sie sinnvoll eingesetzt werden können und stellt Lösungen für neue Herausforderungen vor.

Der Weg zum nachhaltigen Batterierecycling: Tozero will den „Batterywaste to Zero“ bringen

Mithilfe eines chemischen Recyclingprozesses will Tozero den Abfall von Batterien auf Null reduzieren.

re:publica Berlin
RESET-Talk @re:publica: Die Stadt nach dem Auto – es gibt viel zu gewinnen!

Wie sieht die klimafreundliche und gerechte Mobilität im Jahr 2040 aus? Und welche Rolle spielen digitale Lösungen dabei? Im Live-Talk am 5. Juni geben Jana Zieger (stadtnavi) und Indra Jungblut (RESET) zukunftsfähigen Visionen und innovativen Lösungen eine Bühne.