ISO-Leitfaden zur Corporate Social Responsibility tritt in Kraft

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Die internationale Normungsorganisation ISO hat Anfang November die ISO 26000 veröffentlicht, einen Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen und Unternehmen.

Autor*in Uta Mühleis, 05.12.10

Die internationale Normungsorganisation ISO hat Anfang November die ISO 26000 veröffentlicht, einen Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen und Unternehmen. Der Leitfaden ist Ergebnis fünfjähriger Beratungen von über 400 Fachleuten aus Wirtschaft, Politik, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften aus 99 Ländern. Er klärt, was die Übernahme sozialer Verantwortung für Organisationen und Unternehmen bedeutet und gibt ihnen Leitlinien vor: Unternehmen, die den rechtlich nicht bindenden Kodex ernst nehmen, sollten zum Beispiel ihre Lieferanten fair bezahlen, keine Kinderarbeit dulden und regelmäßig über die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Arbeit berichten. Über bisher in westlichen Industrienationen gängige  Sozial- und Umweltstandards geht die teils vage formulierte ISO 26000 zwar nicht hinaus. Deutsche Wirtschafts- und Entwicklungsexperten halten den Leitfaden dennoch für gelungen.

„Die ISO 26000 hat zumindest das Potenzial, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in ärmeren Ländern zu verbessern“, sagt Franziska Humbert von der Hilfsorganisation Oxfam. Humbert hat seit 2007 an den ISO-Beratungen teilgenommen und sagt, mit dem Leitfaden gebe es erstmals einen globalen, auch von der Wirtschaft getragenen Standard, der die Einhaltung grundlegender Sozial- und Umweltstandards verlange, und das nicht nur von Unternehmen, sondern auch von deren Zulieferern. „Damit wird klar, dass Unternehmensverantwortung nicht an den Werkstoren aufhört“, so Humbert. Auch trügen Unternehmen nun Verantwortung für Heimarbeiter und Kinder, die etwa in Pakistan Fußbälle für europäische Märkte nähen. Die ISO 26000 verpflichte die Unternehmen zwar nicht rechtlich bindend. Bei Missachtung könnten Nichtregierungsorganisationen diese Unternehmen aber wirkungsvoller als zuvor öffentlich zur Rede stellen. Laut Humbert haben sich gerade Menschrechtsorganisationen in ärmeren Ländern ein solches Instrument gewünscht.

Ein weiterer Nutzen der ISO 26000 liegt nach Einschätzung des in Konstanz lehrenden Volkswirts Josef Wieland darin, dass deutsche oder europäische Firmen in ihrem Auslandsgeschäft „nicht mehr allein auf die Durchsetzung westlicher Standards pochen müssen“. Zusätzlich könnten sie nun auf Basis eines global akzeptierten Standards mit ihren Geschäftspartnern im Ausland „praktikable Sozial- und Umweltvorschriften“ entwickeln, so Wieland. Der Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik berät unter anderem die Bundesregierung zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen und hat seit 2005 an der Entwicklung des ISO-Leitfadens mitgearbeitet. Dass die ISO 26000 schärfere westliche Standards aushebeln könnte, glaubt er nicht. Sie könne im Gegenteil sogar „Defizite der Globalisierung“ überwinden helfen, wenn Unternehmen gemeinsam mit Lieferanten, Verbraucher- und Umweltschützern  Standards entwickelten, wie die ISO es empfehle. 

So argumentiert auch die Hamburger Unternehmensberaterin Anette Kleinfeld. Kleinfeld war wie Humbert und Wieland Mitglied der deutschen Delegation bei den ISO-26000-Beratungen. „Westliche Umwelt- oder Sozialstandards“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik, „haben in ärmeren Ländern wenig Rückhalt“. Überprüfe man ihre Umsetzung, machten Arbeiter im Zweifelsfall lieber falsche Angaben, statt ihrem Arbeitgeber in den Rücken zu fallen und die eigenen Jobs zu riskieren. Die ISO 26000 verspricht nach Einschätzung Kleinfelds eine höhere Zustimmung. Sie sei „weniger weltfremd, da sie kulturelle Unterschiede berücksichtigt“ und Unternehmen in einen Dialog mit Kunden und Zulieferern über den richtigen Weg bringe. In Ländern wie China ist laut Kleinfeld bereits „ein gewisser Wille zur Umsetzung dieses Standards spürbar“.

Dass dies automatisch in bessere Arbeits- und Umweltbedingungen in ärmeren Ländern münden wird, bezweifelt der Unternehmensberater Sebastian Siegele von der Berliner Agentur Sustainability Agents. Der Ingenieur berät Konzerne wie Tchibo oder Volkswagen bei der Umsetzung von Sozialstandards in Asien. Die ISO 26000 hält er zwar grundsätzlich für „eine gute Sache“, kritisiert aber, es bleibe unklar, wie ihre Prinzipien durchgesetzt werden sollten. Subunternehmer in Schwellen- und Entwicklungsländern, sagt Siegele, hätten durch den immensen Kosteneinsparungsdruck seitens ihrer Auftraggeber kaum Chancen, umweltfreundlicher zu produzieren oder weniger Überstunden zu verlangen. Sie seien „Getriebene der Renditeerwartungen ihrer Auftraggeber“. Er befürchtet, dass die Umsetzung des ISO-Leitfadens an den schwächsten Gliedern der Lieferkette hängen bleibt. „Solange westliche Unternehmen ihre Einkaufspolitik nicht ändern“, sagt Siegele, „wird nicht viel passieren“. Quelle: Rat für Nachhaltigkeit

MARKIERT MIT
Corporate Social Responsibility (CSR) – Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen

Die freiwillige Wahrnehmung sozialer und ökologischer Verantwortung durch Untenehmen wird Corporate Social Responsibility (CSR) genannt. Das neue soziale Gewissen von Unternehmen hat in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Vor allem, weil die Öffentlichkeit, die Kunden und auch Investoren von Unternehmen verantwortungsbewusstes Handeln und nachhaltige Lösungen erwarten.