Interview: „Die Digitalisierung muss dringend für Gerechtigkeit und Umweltschutz eingesetzt werden- die Bits-und-Bäume-Konferenz ist wichtiger denn je.“

© Bits&Bäume

Vom 30. September bis 2. Oktober 2022 findet an der TU Berlin die zweite Bits-und-Bäume-Konferenz statt. Wir haben uns mit Friederike Hildebrandt über die Rolle der Digitalisierung beim BUND und die Bedeutung der Konferenz unterhalten.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 25.07.22

Übersetzung Mark Newton:

RESET: Friederike, du bist beim BUND die erste wissenschaftliche Mitarbeiterin zu Digitalisierung und Umweltpolitik. Warum wurde diese Stelle geschaffen?

Freiderike: Der BUND arbeitet – wie der Name schon sagt – zu Umweltpolitik und Naturschutz. Das passiert natürlich viel in Naturschutzprojekten – wir suchen und schützen beispielsweise den Gartenschläfer, einen sehr niedlichen Verwandten des Siebenschläfers.

Aber Umweltschutz bedeutet nicht nur Artenschutz, sondern auch den Erhalt einer enkelfreundlichen Zukunft. Viele aktuelle Umweltkrisen resultieren aus unserem wachstumsgetriebenen Wirtschaftsmodell. Die größten Herausforderungen sind hier die Klima- und Ressourcenkrise und das Artensterben. Diese werden von der Art, wie wir produzieren und konsumieren, ausgelöst und vorangetrieben. Wenn wir eine gerechte, lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten wollen, müssen wir deswegen auf Industrien und gesellschaftliche Veränderungen schauen. Digitalisierung ist dabei einer der größten gesellschaftlichen Trends der letzten Jahre und eine stark wachsende Industrie. Das im Blick zu haben ist meine Aufgabe.

Friederike Hildebrandt, Ökonomin und Aktivistin, arbeitet seit Anfang 2021 beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu Digitalisierung und Umweltpolitik.

Wie positioniert sich der BUND im Themenfeld Nachhaltigkeit und Digitalisierung?

Es gibt ja natürlich nicht die Digitalisierung, sondern die neue Einführung und Entwicklung digitaler Technik wirkt auf gesellschaftliche Trends, die vorher auch schon da waren. Wenn wir Umweltkrisen betrachten, dann wurden sie nicht durch die digitale Industrie ausgelöst. Die Klima- und Ressourcenkrisen sind schon länger ein Problem, aber mit dem Stromverbrauch von Rechenzentren oder dem Ressourcenbedarf für digitale Geräte sind neue Problemfelder dazu gekommen. Und leider zeigen auch Untersuchungen, dass digitalisierte Prozesse nicht unbedingt energie- und ressourcensparender sind.

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Kommunikation und Aufbereitung von Wissen. Fridays for Future war eine der ersten großen Bewegungen, die durch Messengerdienste und soziale Netzwerke stark werden konnte. Im BUND nutzen wir die ToxFox-App um Umweltdaten für Verbraucher*innen möglichst einfach zugänglich zu machen. Dafür scannen Nutzer*innen den Barcode auf zum Beispiel Kosmetikprodukten und der ToxFox informiert über schädliche Inhaltsstoffe. Das sind Möglichkeiten der Kommunikation, die mit einfacher Pressearbeit und Broschüren vorher nicht möglich gewesen wären.

Was willst du in der nächsten Zeit angehen?

Wir konzentrieren uns gerade auf die digitale Industrie, also die großen Plattformkonzerne, Hersteller von digitale Geräten und Betreiber von Rechenzentren. Alleine Google, Facebook, Apple, Amazon und Netflix haben gemeinsam einen höheren CO2-Fußabdruck als Portugal und Griechenland- das wollen wir stärker in den Blick nehmen.

Und dann steht natürlich die Bits-und-Bäume-Konferenz an, auf der wir ganz unterschiedliche Workshops anbieten. Wir werden den ToxFox vorstellen, mit Politiker*innen und Forscher*innen diskutieren, wie die Digitalisierung der Kommunen aussehen sollte, um Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu unterstützen und werden auf einem großen Podium die Bedeutung von Blockchain-Technologie und Cryptowährungen in der sozial-ökologischen Transformation diskutieren.

Genau, der BUND gehört ja auch zum Trägerkreis der Bits-und-Bäume-Konferenz, die Anfang Oktober stattfindet. Warum ist euch diese Zusammenarbeit zwischen „Bits & Bäumen“ so wichtig?

Um politisch effektiv an einer nachhaltigen Digitalisierung zu arbeiten ist es sehr wichtig, die Umweltbewegung und die Tech-Community zu vernetzen. Die Schwerpunkte von Netzaktivist*innen und Umweltaktivist*innen sind auf den ersten Blick unterschiedlich- wir kämpfen gegen die Zerstörung der Umwelt und für Datenschutz und digitale Freiheitsrechte. Aber diese Interessen sind für eine nachhaltige und gerechte Welt untrennbar- auf einem zerstörten Planeten gibt es keine Freiheitsrechte und mit Überwachung und Demokratiezerstörung kann man keinen Planeten retten.

Bits-und-Bäume-Konferenz, 30.09. bis 02.10.22, Berlin

Alle Infos zur Konferenz und zum Ticketverkauf findest du hier.

RESET ist Medienpartner der Bits-und-Bäume-Konferenz. Wir freuen uns, dabei zu sein!

Was heißt es, zum Trägerkreis zu gehören?

Der Trägerkreis der Bits-und-Bäume-Konferenz besteht aus 13 Organisationen aus dem Umwelt-, sozialen und Digitalisierungsbereich. Was alle diese Organisation verbindet, ist die Überzeugung, dass wir eine ökologisch und sozial gerechte Transformation der Gesellschaft brauchen. Wir wollen eine sozial-ökologische Zukunft für alle, in der die Digitalisierung eine positive Rolle einnimmt und Mensch, Lebensgrundlagen und Umwelt unterstützt.

Wir richten die Konferenz offiziell aus und kümmern und beispielsweise um die Rahmenfinanzierung, aber eigentlich tragen die Bewegungen und Communities das Event. Keine unserer Strukturen würde ohne die Ehrenamtlichen und das Konferenzbüro funktionieren.

Wie ist der Rücklauf bisher; habt ihr viele Bewerbungen für den Call for Participation erhalten?

Wir haben fast 400 Einreichungen, aus Bewegungen, von kleinen Startups, Wissenschaft und aus der netzpolitische Bewegungen und aus ganz Europa, aus denen wir gerade die besten aussuchen.

Besonders ist dieses Jahr auch das Format Pitch & Thrive, bei dem nachhaltige Geschäftsmodelle vorgestellt werden können.

2018 fand ja die erste Konferenz statt, die sehr breit aufgestellt war. Diesmal gibt es Schwerpunktthemen. Was hat sich in den letzten vier Jahren in der Bits-und-Bäume-Community verändert – und auch allgemein im Diskurs über Nachhaltigkeit und Digitalisierung?

Bei der letzten Bits & Bäume stand noch stark die Frage im Raum, ob Digitalisierung eine Chance oder ein Risiko für die Nachhaltigkeit ist. Seitdem hat sich gezeigt: Beides stimmt, aber beides muss schnell angegangen werden.

Wie schon gesagt ist die Digitalisierung nicht nur ein theoretisches Risiko, sondern verschlimmert ökologische und soziale Krisen real und jeden Tag. Sei es durch den Kobaltabbau im Kongo, die Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten oder die Zerstörung von Natur durch neue Rechenzentren und Chipfabriken.

Gleichzeitig gibt es immer mehr Möglichkeiten, sie positiv zu nutzen: Smarte Heizsysteme helfen Energie sparen, richtig eingesetzt und datenschutzsensibel bieten Smart-City-Ansätze Möglichkeiten für die besser Planung von Verkehr und die Verbesserung der Lebensqualität und das Wissen für eine Nachhaltige Entwicklung ist zugänglicher denn je.

Wenn wir eine enkelfreundliche Zukunft wollen, müssen wir die Risiken eingrenzen und die Möglichkeiten ausweiten. Das muss gleichzeitig und vor allen Dingen schnell passieren. Deswegen haben wir einen besonderen Fokus auf Globale Gerechtigkeit, Ökonomische Strukturen, Demokratie und Klimaschutz. Die Digitalisierung muss dringend für Gerechtigkeit und Umweltschutz eingesetzt werden- deswegen ist die Bits & Bäume für Vernetzung, Wissensaustausch und die Diskussionen wichtiger denn je.

Und so ist das Event auch gedacht: es geht nicht darum, dass sich die Organisationen präsentieren, sondern um den Austausch, die Inspiration zwischen Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen, die Vernetzung der Bewegungen und das voneinander lernen.

Das ist die Grundlage dafür, dass wir eine nachhaltige Digitalisierung schaffen können und digitale Technik den Klima- und Umweltschutz unterstützt.

Vielen Dank für das Interview, Friederike.

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